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Ein Land vor der Selbstzerfleischung

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In Angola wird trotz eines im Oktober unterzeichneten Waffenstillstandsvertrages zwischen UNITA und Regierung weiterge- kämpft. Das Land zerfleischt sich selbst.

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In Angola wird trotz eines im Oktober unterzeichneten Waffenstillstandsvertrages zwischen UNITA und Regierung weiterge- kämpft. Das Land zerfleischt sich selbst.

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Nur ein Protagonist blieb seit den sechziger Jahren der gleiche: Jonas Savimbi, mit seiner Bewegung, der UNITA: Savimbi hatte sich ursprünglich der angolanischen Exilregierung in Kinshasa un-ter dem Kongoführer Holden Roberto als Außenminister der GRAE, der Revolutionären Angolanischen Regierung im Exil von Kasavubus Gnaden angeschlossen. Als die GRAE im Strudel der kongolesischen Wirren versank, setzte er sich nach Peking ab und wurde dort im Guerillakrieg ausgebildet. Bei seiner Rückkehr mußte er einen Zweifrontenkrieg führen, gegen Portugiesen und die MPLA. Diesen Krieg konnte er nach dem Absturz der Portugiesen mit Hilfe Südafrikas fast gewinnen, dann kamen die Kubaner.

Die MPLA, ursprünglich ein Zusammenschluß der verschiedensten Gruppierungen, hat schon ihren dritten Präsidenten. Der erste Präsident und Mitbegründer der Bewegung war erklärter Marxist. Viriato da Cruz ging schon vor Beginn des bewaffneten Kampfes um die Unabhängigkeit nach China. Als Tschu En Lai 1961 verkündete, Afrika sei reif für die Revolution, veröffentlichte er in aller Unschuld einen Artikel, in dem er die These als Wunschdenken analysierte. Auf chinesische Art wurde ihm nicht widersprochen, er wurde in einer Luxuswohnung isoliert bis er starb.

Noch vor Viriatos Tod wurde, unter heftigem Protest der Linken, der Lyriker und „Urwalddoktor“ Agostino Neto zum Präsidenten der MPLA gewählt. Nach Netos Tod anfang der 80er Jahre geschah das übliche: Die Großen der Bewegung konnten sich auf keinen der Ihren einigen und fielen provisorisch auf einen schüchternen, in Moskau ausgebildeten Radiotechniker zurück, der in das Zentralkomitee hinaufgerutscht war, als die MPLA fast schon zerbrochen war und niemand mehr eine solche Würde anstrebte. Edoardo Dos Santos ist 13 Jahre später immer noch etwas farblos, zuvorkommend und Präsident. Die damals Großen sind auf die letzten Ränge zurückgerutscht.

Wie überall in Afrika wird auch in Angola von Stammesdifferenzen als Grundlage des endlosen Bürgerkriegs gesprochen. Doch wie überall in Afrika ist der Stammeschauvinis- mus eines Savimbi nur das Feigenblatt, welches den Willen zur absolu ten persönlichen Macht verhüllt. Die Rezepte des europäischen Nationalismus werden auch von ihm angewandt: Ihr seid durch die Machtgelüste der anderen bedroht, ich führe euch zur Macht über die anderen. Dagegen ist der Regierungspartei, der MPLA, durch ihre Zusammensetzung aus vielen kleineren Stämmen aus verschiedenen politischen Tendenzen und, vor allem, aus dem kreolischen Bürgertum der Städte, diese einfache, eingängige Argumentation verwehrt.

SCHWÄCHE UND KORRUPTION

Fast zwei Jahrzehnte hindurch wurde der Bürgerkrieg in Angola auch als Stellvertreterkrieg für die Blöcke geführt. Es ging um die Macht, weniger über die angolanischen Menschen als über die Schätze des Landes. Angola ist eines der reichsten, vielleicht das reichste Land Afrikas. Es besitzt riesige Reserven an Erdöl, Diamanten, Gold, seltenen Metallen und Eisenerzen. So klar die Situation auf Grund der These vom Stellvertreterkrieg auch aussah, so verworren war sie aus der Nähe betrachtet.

Noch vor der Ausrufung der Unabhängigkeit 1976 traten kubanische Truppen in Aktion - zur Verteidigung der Interessen der amerikanischen Erdölgesellschaften in Kabinda. Diese glaubten Grund zu haben, hinter den UNITA- und FLEC-Ver- bänden französische Erdölinteressen zu orten und machten einen Deal mit Castro. Der hoffte vielleicht, damit mit den USA aus dem Schneider zu kommen. Doch die Angolalobby der Ölgesellschaften setzte sich in Washington nicht durch. Die MPLA jedenfalls konnte sich über die Jahre hinweg mit den Einkünften aus dem Erdöl Kabindas genug Waffen anschaffen, um Savimbi in Schach zu halten. Der wieder fand seine Ressourcen in den Diamantenfeldern von Cafunfo im Norden. Feder führend in der Hilfe für Savimbi war übrigens Südafrika.

Die Regierung der MPLA hielt nach dem Abzug der kubanischen Truppen zeitweise nur noch Luanda, einige Küstenstädte und Kabinda. Wenn Savimbi nicht imstande war, den letzten Todesstoß zu führen, dann aus einer grundsätzlichen Schwäche. Er ist ein typischer afrikanischer Despot der alten Schule der 50er und 60er Jahre, zwar intelligenter, aber doch vom Schlag der Amin Dada und Bokassa. Er zeigte sich nicht imstande, die eroberten Gebiete zum Nutzen der Bevölkerung zu verwalten. Auf die Dauer kann aber ein solcher Despot seine Gefolgsleute nur mit Gewalt Zusam-menhalten. Das genügt nicht.

Nach der Implosion des Ostblocks haben die Südafrikaner Savimbi fallen gelassen. Es heißt, die südafrikanischen Kommandoeinheiten, die auf seiner Seite kämpften, wären zwar in einer ersten Periode nach Südafrika zurückgekehrt, bald darauf aber auf Seite der Regierungstruppen wieder im Einsatz gestanden. Wenn Savimbis Schwäche im weitgehenden Mangel an Verwaltung der Bevölkerung unter seiner Kontrolle liegt, so finden sich die Schwächen der Regierung vor allem in der allgegenwärtigen Korruption. Der internationale Demokratisierungsdruck der letzten Jahre hat den Gegnern der Korruption etwas geholfen, doch die Versuchungen angesichts der extremen Not und den enormen Summen, die durch ihre Hände gehen, sind für viele Administratoren wohl weiterhin zu groß.

Savimbi weiß, daß er bei korrekten Wahlen keine Chance hat, die Mehrheit und damit die Macht im Staat zu erringen. Es ist zu fürchten, daß er bis zum bitteren Ende weiterkämpfen wird, um sich dann diskret mit einigen Koffern voll Diamanten bei Freunden zur Ruhe zu setzen.

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