Rebellion gegen den Rebellen

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Laurent Kabila ist gescheitert: Der Bürgerkrieg in der Demokratischen Republik Kongo droht sich zu einem regionalen Flächenbrand auszuweiten.

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Laurent Kabila ist gescheitert: Der Bürgerkrieg in der Demokratischen Republik Kongo droht sich zu einem regionalen Flächenbrand auszuweiten.

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Im Mai vergangenen Jahres übernahm Laurent-Desire Kabila die Macht in Kinshasa. Getragen von einer Koalition der Staaten Zentralafrikas und mit Zustimmung der USA beendete Kabila nach 32 Jahren die Herrschaft von Diktator Mobutu Sese Seko in Zaire und benannte das Land in Demokratische Republik Kongo (DRK) um. Ausgangspunkt des Aufstandes war der Osten des Landes, die Provinz Kivu, in der vor allem die Banyamulenge-Tutsis leben, die zu den Trägern der Rebellion unter Führung Kabilas zählten.

Nur 15 Monate später, Anfang August dieses Jahres, brach im Osten Kongo-Zaires neuerlich ein Aufstand aus; dieses Mal aber richtete und richtet sich die Rebellion gegen Kabila selbst, der zunehmend bemüht war, sich seiner früheren Verbündeten, der Banyamulenge, aber auch Ruandas und Ugandas zu entledigen und Vertreter der Tutsis schrittweise von den Schalthebeln der Macht entfernte. Die Gründe für die Rebellion liegen aber auch im Versagen Kabilas selbst. Ihm ist es nicht gelungen, die wirtschaftliche Lage der DRK zu verbessern, die Korruption zu beseitigen und - so er dies überhaupt wollte - die angekündigten demokratischen Reformen einzuleiten.

Nach 32 Jahren Herrschaft hat Diktator Mobutu seinem Nachfolger ein ausgeblutetes Land hinterlassen. Während Mobutu bis zu vier Milliarden US-Dollar außer Landes geschafft haben soll, beträgt die internationale Verschuldung der DRK etwa 15 Milliarden Dollar. Die Infrastruktur des Landes, das fast 30mal so groß ist wie Österreich, verfällt. In einem Land mit 44 Millionen Einwohnern und einem Territorium, das doppelt so groß ist wie Spanien, Frankreich und die Benelux-Staaten zusammen gibt es nur etwa 2.000 Kilometer benutzbarer Straßen. Der Bergbau - eine der größten Hoffnungen des Landes - liegt darnieder. Die Fördermenge der staatlichen Bergbaufirmen ist auf ein Zehntel des Wertes von vor zehn Jahren gesunken. In der Provinz Shaba (zu deutsch Kupfer), dem früheren Katanga und der Heimat Kabilas, wurden in den achtziger Jahren 500.000 Tonnen Kupfer und fast 100.000 Tonnen Kobalt gefördert. Mißwirtschaft, Korruption, ein veralteter Produktionsapparat sowie Plünderungen durch meuternde Armee-Einheiten führten dazu, daß die Produktion auf 35.000 Tonnen Kupfer und weniger als 4.000 Tonnen Kobalt zurückging. Das Bruttoinlandsprodukt gemessen an der Zahl der Bevölkerung lag 1995 bei 120 US-Dollar und soll damit geringer sein, als bei der Unabhängigkeit von Belgien im Jahre 1960.

Ethnische Spannungen All diese Faktoren sowie ethnische Spannungen in einem Land mit etwa 250 Volksgruppen und Ethnien bildeten den Nährboden für den Sturz Mobutus und den Aufstand gegen Kabila, der nicht nur von den Banyamulenge-Tutsis, sondern auch von anderen oppositionellen Gruppen getragen und angeblich - unter anderem von ehemaligen Gefolgsleuten Mobutus von Südafrika aus - finanziert wird. Die Rebellen haben jedenfalls bereits eine politische Organisation gegründet, die Kongolesische Sammlungsbewegung für Demokratie (RCD). Zum RCD-Vorsitzenden wurde der 56jährige Historiker Ernest Wamba dia Wamba ernannt, der bislang in Tansania gelebt hatte und nicht als Führungsfigur der Opposition in Erscheinung getreten war. Der ehemalige UNESCO-Beamte und weit prominentere Oppositionspolitiker Arthur Zahidi Ngoma - ein Gegner Mobutus und Kabilas - sagt, die Wahl sei auf Wamba gefallen, um zu zeigen, daß die Rebellion ein Kampf aller Kongolesen gegen die Diktatur sei.

Unmittelbarer Auslöser der Rebellion dürfte denn auch Kabilas Aufforderung an das benachbarte Ruanda gewesen sein, seine Truppen aus dem Osten der DRK abzuziehen. Diese Forderung wurde vor allem von den Banyamulenge abgelehnt, die die ruandischen Soldaten im Land wissen wollten, um ihre Stellung gegenüber der Zentralregierung in Kinshasa zu sichern. Den Banyamulenge war noch unter Mobutu im Jahre 1972 die Staatsbürgerschaft Zaires aberkannt worden; auch Laurent Kabila hatte diesen staatenlosen Zustand nicht beseitigt und vor Ausbruch des Aufstandes neuerlich Ressentiments gegen die Tutsis geschürt.

Die Nachbarn Ruanda und Burundi Die Tutsis vom Stamm der Banyamulenge sind bereits seit über drei Jahrzehnten ein Unruhefaktor in der Region Kiwu im Osten Kongo-Zaires. Dort fristen sie eine unsichere Existenz, oft in Feindseligkeiten mit Nachbarvölkern verwickelt. Endgültig aber geriet das Gleichgewicht zwischen Banyamulenge und den bereits länger in der Gegend ansässigen Völkern erst durch die Umbrüche in Ruanda und Burundi aus den Fugen. Aus Ruanda strömten 1994 nach dem Sieg der von Tutsis dominierten Patriotischen Front (FPR) Hunderttausende Hutu-Flüchtlinge ins Kiwu-Gebiet ein. Unter ihnen waren zahlreiche Akteure der Massaker, denen in den Monaten zuvor in Ruanda mindestens 500.000 Tutsis und gemäßigte Hutus zum Opfer gefallen waren. Nach der Ermordung des demokratisch gewählten Hutu-Präsidenten von Burundi, Melchior Ndadaye, durch Tutsi-Militärs kam die Tutsi-Minderheit wieder an die Macht; Morde an Hutus waren die Folge, zu Tausenden flohen Hutus ins zairische Grenzgebiet.

Simbabwes und Angolas Interessen Die Rebellion gegen Kabila erzielte rasch auch militärische Erfolge. Im Osten wurde die Provinz Kiwu besetzt, ein Umstand der auch den Interessen der Nachbarstaaten Ruanda und Uganda dient. Diese beiden Länder - Verbündete der USA - sehen ihre Stabilität vor allem durch wiederholte Übergriffe von Milizen bedroht, die von Kongo-Zaire aus operierten. Diese Angriffe konnte oder wollte Kabila nie unterbinden, ein Umstand der wesentlich dazu beitrug, daß die Allianz zerbrach, die Kabila an die Macht gebracht hatte. Das Eingreifen Angolas und Simbabwes in den Konflikt veranlaßte Ruanda und Uganda, selbst mit einer offenen militärischen Intervention zu drohen. Vor allem Ruanda dürfte an einer Puffer-Zone in Kiwu interessiert sein, nicht zuletzt auch deshalb, um den enormen Bevölkerungsdruck im eigenen Land mindern zu können (243 Einwohnern je Quadratkilometer, Österreich: 96 je km2).

Für das Eingreifen Simbabwes auf Seiten Kabilas werden zumindest drei Gründe genannt. Zum einen besteht eine gewisse Rivalität zwischen Simbabwes Staatschef Robert Mugabe und dem südafrikanischen Präsidenten Nelson Mandela, der international aber auch in Afrika höchste Reputation genießt. Ein Erfolg in der DRK würde somit die Bedeutung Mugabes in der Region erhöhen. Überdies hat Simbabwe derzeit mit einer der schwersten wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krisen seit der Unabhängigkeit vor 18 Jahren zu kämpfen. Eine Ablenkung des Volkes auf außenpolitische Ereignisse kommt Mugabe daher zweifellos gelegen. Drittens soll die Industrie Simbabwes die Machtergreifung Kabilas mit Waffen und Material im Wert von umgerechnet 1,2 Milliarden Schilling unterstützt haben - eine "Investition", die gänzlich abzuschreiben wäre, sollte Kabila diese Rebellion politisch nicht überleben.

Diese Überlegung gilt auch für Angola, doch gibt es nach Ansicht westlicher Experten für die Führung in Luanda noch ein weit stärkeres Motiv, und zwar die Hoffnung, die Nachschubwege der UNITA-Rebellen über den Südwesten der DRK zu zerschlagen und von dort aus die Kontrolle über die Diamantengruben im eigenen Land - und vielleicht auch über einige auf kongolesischem Gebiet - zu erringen. UNITA-Chef Jonas Savimbi, dessen Guerilla-Armee sich nicht an den im November 1994 in Lusaka unterzeichneten Friedensvertrag hält, ist zwar von den USA und Südafrika fallen gelassen worden; doch finanziert Savimbi seine etwa 25.000 Mann umfassende Streitmacht durch illegale Diamantenverkäufe im Wert von etwa 6,3 Milliarden Schilling pro Jahr. Da die angolanischen Streitkräfte den Truppen Savimbis klar überlegen sind, könnte die "brüderliche Hilfe" für Kabila auch der Auftakt für die endgültige Abrechnung der angolanischen Führung unter Präsident Eduardo dos Santos mit der UNITA und Jonas Savimbi sein.

Kaum Chancen auf Frieden Das Eingreifen der Nachbarstaaten in den Aufstand in der DRK bedroht nicht nur die territoriale Integrität des Landes, sondern könnte auch zu einem regionalen Flächenbrand werden, der die gesamte ohnehin fragile Stabilität in Zentralafrika in Frage stellt und dessen wirtschaftliche Entwicklung noch weiter zurückwirft, sollte es nicht gelingen, eine Verhandlungslösung zu finden. Um eine politische Lösung hat sich vor allem Südafrika unter Präsident Mandela bemüht. Mandela berief eine Konferenz der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) nach Pretoria ein und unterbreitete einen Zehn-Punkte-Plan zur Lösung des Konflikts. Das Treffen wurde jedoch von den Staatschefs Simbabwes und Angolas boykottiert, auch Kabila selbst nahm nicht teil, schickte jedoch einen Vertreter. Damit sind auch die Gegensätze innerhalb der SADC deutlich geworden, deren stabilisierende Rolle durch die Spannungen zwischen Südafrika und Simbabwe stark eingeschränkt ist. Die Chancen auf einen Frieden in der DRK sind zur Zeit als nicht besonders hoch einzustufen.

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