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Die alten Mächte hatten ein Interesse am Krieg

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Unfall oder Attentat? Der Absturz der Maschine, in der sich zwei Präsidenten befanden, kam jedenfalls einigen Gruppen in Ruanda sehr gelegen.

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Unfall oder Attentat? Der Absturz der Maschine, in der sich zwei Präsidenten befanden, kam jedenfalls einigen Gruppen in Ruanda sehr gelegen.

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Der - durch Raketenbeschuß? -herbeigeführte Tod der Präsidenten von Ruanda und Burundi hat das Pulverfaß Ruanda explodieren lassen. Wenn es ein Attentat war, dann konnten die Raketen nur vom Militärlager Massake, oberhalb der Hauptstadt an der Peripherie gelegen, abgeschossen worden sein. Und in diesem Lager gibt es französische Instrukteure. Die Leute, die das geplant haben, wußten nur zu gut, daß ein solcher Akt einen Bürgerkrieg zur Folge haben würde.

Präsident Juvenal Habyarimana (54) vereinigte seinerzeit viel Hoffnung auf sich. Aber er war ein Militär und suchte daher seinem Land nur eine demokratische Fassade zu f;ben. Das Ziel war, die traurige olonialepoche und die monarchistische Zeit vergessen zu machen. Habyarimana regierte mit seiner Einheitspartei MRND, in der jeder Ruandese Mitglied sein sollte.

Im Februar 1993 verurteilte eine internationale Kommission die von der Einheitspartei gegen die Tutsi-Minderheit begangenen Menschenrechtsverletzungen. In dieser Kommission waren die Belgier, die alte Kolonialmacht, höchst aktiv. Deshalb hat Kigali die Belgier als „Tutsi-freundlich" eingestuft - und ihre Blauhelme mißtrauisch betrachtet. Das Resultat in der jetzigen Situation ist, daß das belgische Militär mehr gejagt wird als das französische. In Kigali sagt man, daß die französischen Truppen auf seiten der Regierung standen, während die Belgier eben Sympathien für die Patriotische Front (FPR) der Tutsis hätten.

Die Extremisten, die Ultras der Präsidentengarde, behaupten daher, daß es die Belgier waren, die das Attentat gegen Präsident Habyarimana geplant hätten. Frankreich und Belgien verfolgten nach dem Oktoberkrieg 1990 eine unterschiedliche Politik gegenüber Ruanda. Beide Länder schickten damals Soldaten, um ihre Landsleute zu evakuieren. Frankreich zog jedoch seine Truppen nicht ab. Diese kämpften dann zusammen mit der Regierungsarmee gegen die FPR. Momentan sind noch 700 französische Soldaten im Lande, mehr als Zivilisten aus Frankreich; dazu kommen Spezialkräfte von der Generaldirektion für auswärtige Sicherheit, Leute vom militärischen Geheimdienst.

Die Hutu-Regierung beschuldigt zwar die Belgier des Attentats auf den Präsidenten. Allerdings muß man auch die Frage stellen, wo sich denn die vorhin genannten französischen Instrukteure aus dem Geheimdienst befanden, die fast die gesamte Kontrolle über die Präsidentengarde hatten. Und diese Garde mußte zur Kenntnis nehmen, daß ihr Präsident plötzlich zu einer nationalen Versöhnung bereit war. Wenn sie mit französischer Billigung die Präsidentenmaschine abschössen, dann war ihr Ziel nicht nur, die Tutsi-Minderheit zu treffen, sondern auch die Hutu-Stammesgenossen im Süden des Landes, die sich sehr für den Friedensdialog einsetzten.

Anders als die-Belgier, denen die Hutus immer Neutralismus in der Auseinandersetzung mit den Tutsis vorwarfen, verfolgten die Franzosen eine pragmatische Politik. Als alle Parteien eine Demokratisierung des Landes verlangten, unterstützten die Franzosen noch sehr stark Präsident Habyarimana. Als in der ruandischen Öffentlichkeit Anschuldigungen gegen den Präsidenten und sein Kabinett laut wurden, kompensierten damals noch französische Truppen die Schwäche der ruandischen Regierung. Die französische Seite hat das als „Manöver" der beiden Armeen ausgegeben.

ALLEIN GELASSEN

In der jetzigen Situation hat Frankreich aber ein Auge zugedrückt und Ruanda mit seinen Problemen alleingelassen. Die von französischen Instrukteuren geschulte Präsidentengarde hatte ein ureigenes Interesse, den Friedens- und Demokratisierungsprozeß zu stören. Momentan kämpfen Truppen der Tutsi mit der ruandischen Armee, es gibt Schlächtereien zwischen Armee und Zivilisten sowie zwischen Zivilisten und Zivihsten. Es entvirickelt sich ein Szenario wie in Somaha oder in ExJugoslawien.

Wenn der Bürgerkrieg nicht gestoppt wird, könnte er in Richtung Burundi weiterzünden. Aber die internationale Gemeinschaft, heute weniger solidarisch und weniger kohärent in ihrer Analyse, denkt nicht daran, zu handeln.

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