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Im Konflikt der Rassen in Burundi

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Praktisch über Nacht auf die Straße setzen ließ Burundis Staatschef Oberst Jean-Baptiste Bagaza 350.000 Schüler. Per Dekret hatte Bagaza die ländlichen kirchlichen Volksschulen schließen lassen.

Das war der diesjährige Höhepunkt einer Repressionswelle, die sich seit 14 Jahren gegen Burundis katholische Kirche richtet.

Die offizielle Begründung der Maßnahme lautet: Die Kirche genießt nicht mehr unser Vertrauen zur Erziehung der Jugend. „Natürlich steckt da aber ganz was anderes dahinter: die Rassenfrage“, erzählt ein Missionar, der ungenannt bleiben möchte, um im Land bleiben zu können.

In Burundi darf nämlich über eines unter keinen Umständen offen geredet werden: über die Tatsache, daß 85 Prozent der Bevölkerung faktisch nichts zu reden haben, weil sie nicht zur herrschenden Rasse der hellhäutigeren Äthiopiden gehören, die sich in Burundi „Tutsi“ nennen. Seit Jahrhunderten üben die Tutsi (oder Watussi) die Herrschaft über die zu den Bantu gehörenden Hutu aus.

Als Zeichen der ökonomischen und sozialen Minderwertigkeit war den Hutu das Halten des wirtschaftlich lukrativeren Großrinds verboten. Die auf Ausbeutung der schwarzen Hutu beruhenden Krieger-Aristokratien mit einem König an der Spitze hielten sich unter wechselnden Kolonialherren (Deutsche, Belgier), die an der Struktur nicht rührten.

Nach der Unabhängigkeit von Burundi (1962) schwelte der Rassenkonflikt weiter, bis es 1972 zu einer entsetzlichen Explosion kam. Als Rache auf einen Hutu-Aufstand gegen die Tutsi, der 5.000 Opfer forderte, schlugen die Tutsi auf grausamste Art zurück. Rund 120.000 tote Hutu, darunter praktisch die gesamte Intelligenz, war die Bilanz des Völkermords.

Die schwarze Stunde in der Geschichte Burundis soll nach Vorstellung des 1976 durch einen Militärputsch an die Macht gekommenen Oberst Bagaza der Vergessenheit angehören. Bagaza ist wie alle höheren Beamten und Angehörigen des Militärs ein Tutsi. Befragt nach dem Stammeskonflikt, wehrt er ab: „Es existiert doch nur mehr ein einziger Stamm - die Burundier“. Wer anderes laut denkt, landet mit ziemlicher Sicherheit im Gefängnis.

Bagazas antireligiöse Politik hat dem bitterarmen Land, dessen Bevölkerung sich allerdings selbst ernähren kann, schon große wirtschaftliche Nachteile gebracht. Als sich Bagaza vor kurzem auf Staatsbesuch in Luxemburg befand, wurde er mit Kritik an seiner Kirchenpolitik konfrontiert.

Bagaza machte daraufhin seiner Verärgerung Luft, mit dem Ergebnis, daß die luxemburgische Regierung den Besuch für beendet erklärte und die Unterschrift unter ein Ubereinkommen verweigerte, wonach Burundi Finanzhilfe in Höhe von 15 Millionen Schilling erhalten hätte sollen.

Nach der Rückkehr des Oberst in seine Heimat veröffentlichte das burundische Außenministerium eine Stellungnahme, in der erklärt wurde, Luxemburg habe sich „aus innenpolitischen Gründen durch eine kleine Gruppe revanchistischer belgischer Missionare manipulieren lassen“.

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