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Castro und die Katholiken

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Es gab wohl kaum in der Geschichte Lateinamerikas eine Revolution (von der Vertreibung Peröns vielleicht abgesehen), in der Rebellen und Katholiken eine so dicht geschlossene Front gegen die Unterdrücker bildeten, wie in Kuba. Diese Zusammenarbeit war keinesfalls das Ergebnis eines organisierten Bündnisses, sondern eine spontane Reaktion, die die Verbrechen des Regimes Batista hervorrief. Führende Männer der Katholischen Aktion waren unter ihm beseitigt worden. Pedro Renė Fraga wurde hinterrücks ermordet und sein Leichnam durch die Stfaftft” W’Havatf g&erf t f1 drei weitere Führer der KA würden ge- folBWlmä grotSft3 ! Mštn ŽfiįP entstellten Leichen fand, erklärte die Polizei: „Es war ein Irrtum!” Neben den Laien standen auch Priester auf Seiten der Widerstandskämpfer. Priester gingen mit den „barbudos” in die Berge, um mit ihnen das Opfer zu feiern, die Sterbenden zu segnen und die Toten zu begraben, und als Fide} am 1. Jänner 1959 siegreich in Santiago einzog, brachte ihm eine Gruppe von Geistlichen den Willkommensgruß der ganzen Bevölkerung entgegen.

Eine der profiliertesten Persönlichkeiten im Befreiungskampf war zweifellos Msgr. Enrique Perez Serantez, der Erzbischof von Santiago de Cuba. Er hatte nach dem unglücklichen Putschversuch vom 26. Juli 1953, Fidel das Leben gerettet und mußte noch öfters — genau wie Nuntius Msgr. Luis Centoz — bei Batista intervenieren. Als Ende 1958 die Bombardements Batistas auf die wehrlose Bevölkerung völlig sinnlose Formen an- nahmen. wandte er sich in dem Hirtenbrief „Genug des Grauens” zum letzten Mal an den Diktator und forderte ihn auf, dem Volk den Frieden zu geben, den es ersehne und nicht den Frieden des Grabes.

Der plötzliche Wandel

Und heute? Das Blatt hat sich gewendet. Fidel Castro wurde das Opfer seines Führermythos. Viel Weihrauch verbrannte zu seinen Ehren. Aber nicht nur das. Fidel genießt wirkliche Popularität, der er nicht recht gewachsen ist. Man erinnere sich an die Schauprozesse im Sportpalast, an die außen- und innenpolitischen Eskapaden vor dem Fernsehschirm, an das Vergnügen, sich als Bürgerschreck aufzuspielen, in New York etwa oder in Caracas, wo er das Parlament mit umgehängter Maschinenpistole betrat und so manches andere mehr.

„Wir wollen in Kuba eine wirkliche Demokratie errichten, ohne eine Spur von Faschismus, Peronismus und Kommunismus!”, betonte er auf einer Pressekonferenz in New York, und er dürfte es sehr ehrlich gemeint haben. Fidel Castro gehört bestimmt nicht zu den raffinierten Lügnern, die ihre Worte verschleiern. Freilich durchschaut er keineswegs die Gefährlichkeit des Kommunismus, sondern glaubt, auch mit ihm sein lukratives Geschäft treiben zu können, obwohl oder vielleicht gerade weil sein Bruder Raul und vor allem dessen Frau überzeugte Kommunisten sind. Kommunist ist auch Che Guevara, der bereits Mitarbeiter des traurig berühmten Arbenz in Guatemala gewesen war und nach dem 1. Januar 1959 Präsident der kubanischen Nationalbank wurde. Carlos Rafael Rodriquez, ein Studienfreund Castros und überzeugter kommunistischer Intellektueller wurde einer der einflußreichsten Redakteure.

Dankbar bezeichnete denn auch die zur KF (weil eben in -einer Demokratie Mėttiimgą.-- fržfflSt herrschen’Castro) die Revolution als „fortschrittliche Volksrevolution, die zur Kategorie der bürgerlich-demokratischen oder antiimperialistischen Bauernrevolutionen der kolonialen, halbkolonialen und abhängigen Länder gehört, die es zu verteidigen und voranzutreiben gilt!” Die Genossen haben denn auch keine Mittel gescheut, diese „fortschrittliche Volksrevolution” zur ihren zu machen. Eines der klarsten Zeichen dafür ist das neugeschaffene „Instituto Nacional de Reforma Agraria” (INRA), das die Bodenreform durchzuführen hat, und zwar in dreifacher Hinsicht: als Änderung der Besitzverhältnisse, als materielle und soziale Besserstellung des Landproletariats, und als Ersatz der Monokultur des Zuckers durch größere Mannigfaltigkeit in der Produktion. So weit so gut! Der Plan wäre nicht schlecht, und Pater Boza Masdival, der Rektor der katholischen Universität von Villanueva, erinnerte dabei einige Vertreter des Großbürgertums daran, daß auch Päpste von sozialer Gerechtigkeit gesprochen hätten, weil diese Gerechtigkeit nicht Kommunismus sondern ureigenstes Christentum sei. Die Praxis dieser Reformen sah allerdings doch etwas anders aus. Enteignungen ohne Entschädigung, Gründung von Produktionsgenossenschaften nach dem Muster russischer Kolchosen statt Verteilung des Landes unter die arbeitswillige Bevölkerung, fanatische, sinnlose Feindschaft gegen die Vereinigten Staaten, deren Enteignung einen Wirtschaftskrieg hervorgerufen hat, der die Insel nur weiter nach Osten abschwimmen läßt.

Dieser wachsende östliche Einfluß hat nun selbstverständlich das Verhältnis zwischen dem Regime und der katholischen Kirche sehr versteift. Obwohl man viele gute Ansätze nicht verkennt, zeigt sich der kubanische Episkopat doch sehr besorgt über die Formen, mit denen Presse, Beamte, Gewerkschaftsführer und hochgestellte Regierungsmitglieder östliche Lebensformen empfehlen und erklärte in seinem gemeinsamen Hirtenschreiben vom 7. August 1960, daß „die Kirche von weitestgehenden sozialen Reformen nichts fürchtet, wenn immer •šdie&i u jPerech į;eit tnrdf Liebe gerade darum muß sie den Kommunismus verdammen. Die Kirche sieht heute und immer auf der Seite der Armen, niemals aber auf der Seite des Kommunismus”.

Vor einer Verfolgung?

Die Sprache ist deutlich und der Kampf spitzt sich immer mehr zu. Das Unterrichtsministerium hat auch für katholische Schulen Lehrbücher vorgeschrieben, die marxistische Propaganda enthalten, und den Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen verboten. Die Regierung hat am 12. September das katholische Rundfunk- und Fernsehinstitut beschlagnahmt, weil die Sendungeh Kritik am Regime enthalten hätten. Immer wieder tauchen Gerüchte auf, Fidel Castro wolle eine schismatische Nationalkirche gründen; wie zum Beispiel der Geistliche Rosario Maximiliano Pėrez nach seiner Flucht in die USA erklärte. Allmählich häufen sich auch massive Angriffe. Castro selbst bezeichnete wiederholt die „Soutanenträger als Komplizen der Konterrevolution” und versicherte erst vor kurzem, daß sich auch „faschistische Priester nicht vor der Füsilierung retten würden, falls man sie auf frischer Tat ertappe,” Anschließend überfielen seine Parteigänger auf offener Straße Priester und Nonnen. Eine andere Gruppe von gut tausend Mann drang am 29. Januar in eine Kirche ein, unterbrach die Sonntagsmesse, flegelte sich auf den Bänken herum und sang die Revolutionshymne.

Mit der Drohung des kubanischen Staatspräsidenten O. Dorticos, die 265 katholischen Schulen auf Kuba zu schließen, dürfte der Kampf seinen bisherigen Höhepunkt erreicht haben, ein Kampf, der auf beiden Seiten sehr offen geführt wird, von Castro, der behauptet, die kubanische Kirche stünde frn Dienste der spanischen Falange und im Solde der Vereinigten Staaten”, und vom Episkopat, der darauf erwiderte: „An die Vereinigten Staaten bindet uns nichts, weder Blut, noch Sprache, noch Tradition: wenn allerdings die Kirche Kubas in die Verlegenheit kommen sollte, zwischen Amerikanern und Sowjets zu wählen, so könne es keinen Zweifel geben .. .

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