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Verratene Revolution

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Wo hielt sich „Che“ Guevara vor seinem tragischen bolivianischen Abenteuer auf? Nach seiner Afrika-Asien-Reise kehrte er nach Kuba zurück, wo er auf mysteriöse Weise verschwand — zwei Jahre vor seinem Tod. Die Welt hat es nur ein paar Monate nach seinem Tod erfahren, daß „Che“ vor dem Bolivientrip in Afrika geweilt hat, wo er Revolutionen inszenieren wallte. Eine Gruppe von kubanischen Negern hat ihn begleitet. Dennoch sind keine Einzelheiten des afrikanischen Abenteuers durchgesickert, weil es mit einem totalen Fiasko endete. Die Enttäuschung war kubanischerseits groß: die Afrikaner wurden militärisch ausgebildet und trainiert. Man konnte sie aber nicht davon überzeugen, daß sie nicht gegen die verfeindeten Nachbarstämme kämpfen sollten.

Der kubanische Arzt Cambra, der ebenfalls in Afrika war, erinnert sich an eine Schlacht, in welcher ein Kubaner und mehrere Afrikaner ihr Leben lassen mußten. Die Verbündeten des „Che“ hatten während des Kampfes das Weite gesucht, und als sie zurückkamen, waren die Kämpfer jenes Stammes gerade damit beschäftigt, das Blut ihrer Feinde genüßlich zu trinken, um die schändlich verlorene Tapferkeit zurückzugewinnen. Die Kubaner wurden nun ihrerseits angegriffen, weil sie kein Blut trinken wollten. Sie wurden vom ehemaligen Verbündeten blutrünstig verfolgt und irrten im Urwald vier Wochen lang umher, bis sie sich retten konnten.

Dies ist nur eine von vielen Informationen, die jetzt von dem bisher höchstrangigen kubanischen Dissidenten, dem kubanischen Diploma-tenspion und Pariser Botschaftssekretär Orlando Castro Hidalgo, unter dem Titel: „Spion für Fidel“ mitgeteilt worden sind. Als besagter Botschaftssekretär in Paris absprang, nahm er die wichtigsten Dokumente der Pariser Spionagezentrale mit sich. Nicht weniger als 150 kubanische Agenten flogen in der Folge auf. Noch viel wichtiger war die Feststellung, daß der kubanische diplomatische Dienst in Westeuropa vom Nachrichtendienst kontrolliert, oft auch dirigiert wird — und daß Kubas

Spione ganz einfach Werkzeuge des Moskauer KGB sind.

Hidalgo besitzt Erfahrungen aus den Kämpfen in der Sierra Maestra und bei Playa Girön, aber auch über „diplomatische Tätigkeiten“ in Havanna und Paris. Der spätere Botschaftssekretär hatte sich als junger Bauer an Castro angeschlossen, er hat gegen die Armee und die Polizei Batistas gekämpft. Er war nur ein einfacher Infanterist, als er gegen die Invasoren bei Dahia de Conchi-nos kämpfen mußte und verletzt wurde. Nach seiner Entlassung aus dem Spital arbeitete er bei der Polizei. Bald wurde er wegen seiner Intelligenz für die Spionageorganisa-tion DGI ausgesondert. Nach einem halben Jahr teilte man ihm mit, daß er zur Pariser Botschaft entsandt werde. Dort traf er als fnischgebak-kener, elegant ausgebügelter „Diplomat“ ein.

„Ausgenommen den Botschafter und den ersten Botschaftsrat gehört das gesamte Personal der Pariser Botschaft im Grund genommen zur Spionagezentrale“, behauptet der vornehme Dissident. Und noch viel tannien und Spanien große DGI-Zen-tralen im Rahmen der diplomatischen Vertretungen aufgestellt, die ihre zahlreichen Agenten in den lateinamerikanischen Ländern dirigieren.

Der interesisaniteste Teil der Enthüllungen des ehemaligen kubanischen Diplomaten ist jener, in welchem er seine immer größer werdende Enttäuschung schildert, die dazu führte, daß er schließlich seinen Absprung beschloß und vorbereitete.

Orlando Castro Hidalgo meint abschließend: „Die Revolutionen fresfrühzeitig erkannt hatte, daß die großen Versprechen nicht erfüllt werden: die Bauern sind ärmer als zuvor, und Kuba eine russische Kolonie geworden!

Am Tag der Entscheidung ging Hidalgo zum Panzerschrank der Botschaft und nahm die wichtigsten Geheimdokumente an sich. Eilends fuhr die Familie mit dem Auto nach Luxemburg, wo sie sich bei der amerikanischen Botschaft meldete und um Asyl ansuchte. Heute leben die Hidalgos inkognito, wenn auch unter Lebensgefahr, in den Vereinigten Staaten.

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