Ende der Bevormundung

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Lateinamerika braucht faire Zusammenarbeit, keine arrogante Bevormundung schreibt die "Süddeutsche" als Antwort auf den Amerika-Gipfel in Trinidad.

Vier Jahre ist es her, da erlebten die USA ihr südamerikanisches Desaster. Beim Amerika-Gipfel Ende 2005 in der argentinischen Hafenstadt Mar del Plata erfuhr der damalige Präsident George W. Bush, wie unbeliebt er auch in diesem Erdteil geworden war. Zehntausende Demonstranten protestierten gegen Bush und seine Pläne einer gesamtamerikanischen Zollunion. Angeführt wurde der Widerstand von Venezuelas Staatschef Hugo Chavez, der eine ausgedehnte Brandrede hielt. Selbst Fußballstar Diego Maradona beteiligte sich an dem Aufstand. Bushs frühe Abreise war wie eine Flucht. Nie zuvor hatte eine US-Regierung in der erweiterten Nachbarschaft so wenig Freunde gehabt. […]

Jetzt gibt es einen Stimmungswandel, bewirkt hat ihn der neue Mann im Weißen Haus. Barack Obama fand die richtigen Worte bei seinem Debüt auf dem Amerika-Gipfel in Trinidad. Wenn er sie in die Tat umsetzt, dann rücken Norden und Süden des Kontinents wieder zusammen. Schon beim Besuch in Mexiko zeigten sich Obama und Außenministerin Hillary Clinton einsichtig: Auch die USA seien schuld am mexikanischen Drogenkrieg. Sie konsumieren das Rauschgift und liefern den Drogenkartellen Dollars und Waffen.

Fehler zugegeben: Kuba-Politik der USA ist gescheitert

In Trinidad gab die US-Regierung einen weiteren Fehler zu, den Bush nie zugegeben hätte. Die Kuba-Politik der USA sei gescheitert. Auch das stimmt. Unter dem seit 1962 gültigen Wirtschaftsembargo leiden Millionen Kubaner, aber Fidel Castro und sein Bruder Raúl herrschen immer noch, 50 Jahre nach ihrer Rebellion. Sie empfangen sogar mehr Staatsgäste denn je. Der Boykott Kubas ist ein Relikt des Kalten Krieges, die USA sollten den Unsinn beenden. Erste Schritte wurden veranlasst, US-Exilkubaner dürfen reisen und Geld verschicken. Mehr muss folgen.

Der Umgang mit Kuba ist ein Symbol US-amerikanischer Doppelmoral. Mit Chinas KP-Kapitalisten macht man Geschäfte, Menschenrechte spielen keine Rolle. Kubas Kommunisten dagegen wurden geschnitten, weil sie 90 Meilen vor Florida ein innenpolitisches Thema sind. Endgültig unglaubwürdig wurden die USA mit ihrem Gefangenenlager für Terrorverdächtige auf ihrer kubanischen Militärbasis nahe Guantánamo. Obama bietet Kuba nun Zusammenarbeit an und fordert zu Recht kubanische Gegenangebote. Havanna will sogar über politische Gefangene debattieren, über Demokratie wohl weniger. Die Annäherung der Nachbarn kann dauern, aber auch plötzlich sehr schnell gehen. Die Wende ist für die Castros riskant, aber unvermeidlich. […]

Obama sollte dazu beitragen, dass nicht nur Almosen nach Süden fließen. Die soziale Ungleichheit ist das entscheidende Problem in Bogota, Mexiko-Stadt und Rio de Janeiro, Ursache von Kriminalität und Korruption. Deshalb wandern Millionen Latinos mit oder ohne Papiere in die USA aus. […]

Lateinamerika braucht faire Zusammenarbeit, keine arrogante Bevormundung. Früher unterstützte Washington rechte Militärputsche, nachher wurden wilde Privatisierungen als Heilmittel verkauft. US-Unternehmen verdienen in Peru oder Ecuador viel Geld. US-Agenten sind in Kolumbiens Drogendschungel im Einsatz. US-Diplomaten zündelten in Bolivien und Venezuela, Chavez und Morales wiesen die Botschafter aus. Die politische Einmischung muss aufhören, dann gehen auch Chavez die Argumente aus. 1823 verlangte US-Präsident James Monroe von den Europäern ("Amerika den Amerikanern"), Lateinamerika nicht zu rekolonialisieren. Die meisten Staaten von Mexiko bis Chile waren gerade unabhängig geworden. In der Ära Obama sollte es heißen: Lateinamerika den Lateinamerikanern.

* Süddeutsche Zeitung, 20. 04. 2009

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