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Ein Krieg der neuen Art

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Keine Verbrecherorganisation hält auf Dauer gegen die Staatsmacht durch, wenn diese gegen sie mobil macht.. Die kolumbianischen Drogenbosse haben in den letzten Wochen einen Vorgeschmack von der Härte bekommen, welche der kolumbianische Staat (nach dem Attentat auf den liberalen siegessicheren PräsidentschaftskandidatenGalan) gegen sie entfesseln kann. Für die USA erklärte dieser Tage Präsident George Bush den totalen Krieg gegen die Lieferanten - und schickte bereits 300 Militärberater nach Kolumbien.

Dies ist nur der Beginn einer Schlacht, die Lateinamerika in den neunziger Jahren in eine Krise werfen könnte, gegen welche die der Überschuldung harmlos aussehen würde.

Mit leichter Hand wurde noch in den siebziger Jahren etwa in Kolumbien die Drogenfrage behandelt. Damals meinte man ironisch, die Droge sei als einziger wirklich rentabler Export eine Art Rache der Dritten an der Ersten Welt.

Heute bleibt auch den Spöttern der Witz im Halse stecken. Die Droge verheert nicht nur die USA (und ist im Begriff auf Europa überzugreifen) , sondern verwüstet auch lateinamerikanische Gesellschaften, in denen heute immer häufiger die besonders giftigen (und billigen) Rückstände aus der Drogenherstellung konsumiert werden. Außerdem untergräbt die illegale Dollarschwemme im andini sehen Raum jedes Unternehmerethos, macht die Korruption zur Gewohnheit und läßt den ohnehin hohen Pegel an Gewalt unter den Händen der erstklassig bewaffneten Privatarmeen der Drogenbosse weiter ansteigen.

Haben also die Vereinigten Staaten recht, wenn sie ihren Krieg erklären und „zur Wurzel des Übels“ vorstoßen wollen, also mit paramilitärischen Operationen den Anbau und die Herstellung der Drogen an Ort und Stelle in Lateinamerika unterbinden wollen?

Die Reagan-Administration, die zudem die Gleichungen „Subversion = Rauschgift“ und „Fidel Castro = Droge“ aufstellte, legte sich jedenfalls auf diese Strategie fest, ließ aber daheim die Dinge völlig treiben. Jetzt will Präsident Bush mit dem quasimilitärischen Vorgehen ernstmachen, weil das Land in einer Drogenschwemme untergeht.

Ginge es nach den USA, müßten die südamerikanischen Armeen mit Unterstützung aus Washington massiv gegen die Droge vorrücken. Aber die lateinamerikanischen Militärs lehnen diese „Polizeiaufgabe“ als schmutzig und ehrenwidrig ab. Als Hüter der nationalen Souveränität fürchten sie den weitgehenden Verlust der mühsam erkämpften Autonomie, wenn sie mit den USA - die ja de facto die Einsätze steuern — zusammenarbeiten, wenn sie eigenes Territorium fremden Soldaten, noch dazu Gringos, öffnen.

Außerdem zwingen die USA -soferne die Kampagne in der heute geforderten Härte durchgezogen wird - ein überschuldetes und depressives Lateinamerika auf einige Prozente seines Bruttosozialproduktes zu verzichten, ohne daß damit automatisch der Drogenkonsum in den USA selber eingedämmt wäre. Aus diesem Grunde sind auch alle Experimente, die Kleinbauern zum Umsteigen auf traditionelle Landwirtschaftsprodukte zu überreden, fehlgeschlagen: kein Produkt erzielt solche Preise, kein lateinamerikanisches Land hat das Geld, solche Preise auf Dauer zu ersetzen.

Auch greift die Reagan-Formel „Subversion = Droge“ nicht. Auch wenn es zu gelegentlicher Zusammenarbeit kommt, ist die These von der „Narco-Guerilla“ schlicht falsch. Grundsätzlich herrscht tiefes Mißtrauen zwischen der ideologischen Guerilla und der Drogenmafia. Die Guerilla will die bürgerliche Gesellschaft zumindest ändern, wenn nicht zerstören, die Drogenneureichen wünschen nichts sehnlicher, als in ihre obersten Schichten integriert zu werden. Deshalb gehen die schroff antikommunistischen Drogenprivatarmeen gegen linke Politiker vor.

In den USA selber will die Bush-Verwaltung die Drogenschlacht nicht in aller Konsequenz führen. Denn das könnte eine rigorose fundamentalistische Gesellschaft mit Anhaltelagern, Hinrichtungen und Militarisierung im eigenen Land bedeuten.

So wird Lateinamerika zum Schlachtfeld - auch deshalb, weil die Vereinigten Staaten (und in der Folge wohl alle Industrieländer wie auch Österreich) mit der Frage nicht zurechtkommen, welche Drogen die Bürger konsumieren dürfen.

Wenn in den puritanischen USA die Debatte über eine Entkriminali-sierung von weichen und harten Drogen nicht geführt werden kann, sollte die moralische Forderung wirklich die sein, Drogen kategorisch zu meiden. Alles andere, zum Beispiel der jetzt ausgerufene Drogenkrieg, wird Lateinamerika in ein Ruinenfeld verwandeln, wofür die chaotischen Geschehnisse derzeit in Kolumbien und in Panama nur ein kleiner Fingerzeig sind.

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