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Kolumbien: Konservative kehren zurück zur Macht

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Die Präsidentschaftswahl in Kolumbien vom 30. Mai ist mit 47 Prozent der Stimmen für den konservativen Kandidaten Belisario Betancour Cuartas ausgegangen. Dieser Sieg ist für die Konservativen umso wichtiger, als er ihre Rückkehr zur Macht in freien Wahlen seit 1946 darstellt, obwohl sie in der Zwischenzeit, während des Ubereinkommens mit den Liberalen in den 16 Jahren der „Nationalen Front” zweimal die Regierung gebildet hatten. Jetzt lösen sie die Liberalen nach achtjähriger Regierungszeit ab.

Betancour ist 58 Jahre alt und kommt wie viele Politiker aus kleinen Verhältnissen. Er ist einer von 22 Kindern, von denen aber nur sechs überlebt haben. In der Konservativen Partei spielt er seit geraumer Zeit eine Rolle. Er ließ sich bereits zweimal als Präsidentschaftskandidat aufstellen. Im Wahlkampf attackierte er die Ineffizienz der staatlichen Einrichtungen als Folge der korrupten Politisierung der Ämterverteilung. Unter den wichtigen Versprechungen waren mehr Wohnungen für Unbemittelte und die Einrichtung von Fernkursen an den Universitäten. Ob das durchzuführen ist, wird sich erst herausstellen. Die konservative Mehrheit konnte nur zustande kommen, da die Liberale Partei gespalten ist und zwei Kandidaten aufgestellt hatte. Alfonso Lopez Michelsen, Ex-Präsident und Mann mit politischem Gewicht war mit seinen Wahlversprechen vorsichtiger gewesen. Der 70-jährige Politiker konnte 40 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Der Vertreter des „Neuen Liberalismus”, der 40-jährige Luis Carlo Galan, erreichte rund zwölf Prozent. Für ihn wählte hauptsächlich die städtische Jugend.

Im Grunde besteht kein entscheidender Unterschied zwischen dem liberalen und konservativen Programm. Ihr Spielraum ist begrenzt. Die landläufige Charakterisierung der beiden Parteien sieht folgendermaßen aus: Der Konservative geht am Sonntag zum Hochamt^während der Liberale diskret zur Frühmesse erscheint.

Der Wahlkampf ist seit Monaten intensiv geführt worden. Die Medien meldeten wenig anderes. Eine Wahlkampfrede jagte die andere, das ganze Land wurde von den Kandidaten bereist. Sogar die Frauen der Kandidaten wurden eingesetzt um die halbe Million Stimmen der Auslandskolumbianer, hauptsächlich in den USA und Venezuela, zu beschwören.

Die bewaffneten Guerillagruppen - sie werden auf 3.000 - 5.000 Personen geschätzt—hatten großangelegte Terrorakte zur Einschüchterung der Bevölkerung angekündigt. Aber diesmal ist es zu keinen spektakulären Detonationen in Bogota wie vor den Kongreßwahlen im Monat März gekommen. Schon damals war die Rechnung der Guerilleros nicht aufgegangen: Die Wahlbeteiligung war trotz Terror relativ hoch gewesen.

Im allgemeinen werden diese Gruppen als Randerscheinung abgetan, die kaum eine blutige Situation, ähnlich wie in El Salvador, Nicaragua oder Guatemala herbeiführen könnten. Auch hat die Bevölkerung nach dem zehnjährigen Bürgerkrieg in den

50er Jahren genug von der Gewalt.

Welches sind die- Schwierigkeiten die den neuen Präsidenten erwarten? Wie regiert man mit zwei etwa gleichstarken Parteiblökken? Nach dem kolumbianischen Mittel durch die gesetzlich geregelte große Koalition. So wird es bereits sei 1958 gehandhabt. Damit wird verhindert, daß die großen Parteien sich tatsächlich gegenseitig zerfleischen, wie es in jenem Bürgerkrieg, der „Violencia” geschehen ist.

Die große Koalition ist aber auch Schuld an dem aufgeblähten, unfähigen Beamtenstand und an der Schwierigkeit, Änderungen herbeizuführen. Dazu herrscht in Kolumbien das Präsidialsystem nach dem Beispiel der USA - mit dem Unterschied, daß der Kongreß auf die tägliche Ausübung der Regierungsmacht wenig Einfluß hat.

Praktisch gibt es keine Opposition. Ob das in dieser Regierungsperiode geändert werden kann, ist kaum anzunehmen. Denn die Änderung des Gesetzes könnte nur mit einer Zweidrittelmehrheit erfolgen.

Mit 1,2 Millionen Quadratkilometern ist Kolumbien so groß wie Frankreich, Spanien und Portugal zusammen, hat aber nur 28 Millionen Einwohner. Das Land ist reich an Bodenschätzen. Bald wird es genug Erdöl für den Eigenbedarf fördern. In einigen Jahren plant die Regierung Gas, Nickel und hauptsächlich Kohle zu exportieren.

Kolumbien könnte eines der reichsten hydraulischen Energieerzeuger der Welt sein. Es hat als einziges Land des Kontinents Zugang sowohl zum Atlantischen als auch zum Pazifischen Ozean und besitzt eine intelligente, arbeitsame Bevölkerung, die in zehn Industriezentren Arbeit suchen kann. Das sind große Möglichkeiten für die Zukunft.

Heute aber besteht eine starke Abwanderung der geschulten Kräfte in die USA und nach Venezuela. Und die Landarbeiter strömen in die Städte und sind für keine andere Arbeit geschult. Viele finden ihren einzigen Unterhalt im Diebstahl. In Bogota muß sich jeder Uhren- und Fotoapparatbesitzer bewußt sein, daß diese Utensilien für einen Unbeschäftigten mindestens einen Wochenlohn darstellen.

Dazu ein überhöhtes Budget und eine 30-prozentige Inflation ergeben genug Probleme, für deren Lösungen das Land aber genug Möglichkeiten hat.

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