Marquez - Petro mit seiner Vizepräsidentin Francia Marquez, einer alleinerziehenden Mutter aus der afro-kolumbianischen Kulturgemeinschaft, die auch das Ministerium für Gleichheit leiten wird. - © Foto: APA / AFP / Juan Barret

Umbruch in Kolumbien: Eine Absage an die Mafia

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Umbruch in Kolumbien. Ab Sonntag hält der Linke Gustavo Petro das Zepter in der Hand. Der ersehnte Lichtblick für das von Drogengewalt und Korruption geplagte Land?

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Umbruch in Kolumbien. Ab Sonntag hält der Linke Gustavo Petro das Zepter in der Hand. Der ersehnte Lichtblick für das von Drogengewalt und Korruption geplagte Land?

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In Kolumbien macht sich Aufbruchsstimmung breit. Noch bevor Gustavo Petro am kommenden Sonntag als neuer Präsident angelobt wird, herrscht in breiten Schichten der Bevölkerung Optimismus und Zuversicht, dass die Zukunft des von Kriegen, Drogengewalt und Korruption geplagten Landes besser wird als die Gegenwart. Der Linkspolitiker Petro, der Mitte Juni die Stichwahl gegen den rechtspopulistischen Immobilienmillionär Rodolfo Hernández knapp für sich entscheiden konnte, kann sich in jüngsten Umfragen einer Zustimmung von 64 Prozent erfreuen. Das hat vor allem mit den Leuten zu tun, die er für sein Kabinett nominiert hat, und mit seinen Reformplänen.

Anders als bei der abtretenden Rechtsregierung zählen nicht politische Seilschaften und Bekanntschaften von einer bestimmten Eliteuniversität, sondern Erfahrung und Kompetenz. Der orthodoxe Ökonom José Antonio Ocampo soll die Märkte und Börsen beruhigen. Álvaro Leyva, Minister für Äußeres und Frieden, der schon unter dem Konservativen Belisario Betancur in den 1980er Jahren Bergbauminister war, genießt über alle Parteigrenzen hinweg einen ausgezeichneten Ruf.

Menschenrechtler führt Streitkräfte an

Besonderen Applaus hat Petro für die Besetzung eines der heikelsten Posten bekommen, nämlich des Verteidigungsministers. Die teilweise stark politisierte Armee ist mit schweren Vorwürfen der Menschenrechtsmissachtung konfrontiert. Während sie auf der Linken oft nicht zwischen Guerillakämpfern und Zivilbevölkerung unterschieden hat, war Zusammenarbeit und Aufgabenteilung mit den rechten Paramilitärs gang und gäbe. Die nach dem Friedensabkommen mit der FARC-Guerilla von 2016 eingesetzte Wahrheitskommission hat zahlreiche Fälle dokumentiert, die zeigen, wie die rechtsextremen Todesschwadrone unter dem Schutz eines Armeebataillons Massaker unter Kleinbauern anrichten konnten. Mehr als 6000 Zivilisten wurden ermordet, in Uniformen gesteckt und als getötete Guerilleros präsentiert. Der Mann, der jetzt eine neue Kultur in den Streitkräften heimisch machen soll, hat zwar keine militärische Erfahrung, ist aber ein ausgewiesener Fachmann für Menschenrechte.

Der 67-jährige Jurist Iván Velásquez hat als Richter die engen Verbindungen zwischen Paramilitärs und rechten Politikern aufgearbeitet. Später stand er in Guatemala der von den Vereinten Nationen eingesetzten Internationalen Kommission gegen die Straflosigkeit (CICIG) vor, die dort die Staatsanwaltschaft beim Kampf gegen Korruption und Menschenrechtsverbrechen unterstützen sollte. Dabei war sie so erfolgreich, dass 2015 Präsident Otto Pérez Molina und seine Vizepräsidentin wegen Verwicklung in ein Korruptionsnetzwerk zurücktreten mussten und sogar zu Haftstrafen verurteilt wurden. Nachfolger Jimmy Morales, dessen Verbindungen zur Drogenmafia die CICIG auf der Spur war, warf Velásquez und seine Leute aus dem Land. Die Berufung von Kabinettsmitgliedern mit unbestrittener Kompetenz aus verschiedenen politischen Lagern wird sogar von rechten Journalisten mit Respekt kommentiert.

Die künftige Regierung, in der viele starke Frauen vertreten sind, spiegelt auch die ethnische Pluralität des Landes viel besser als jede andere zuvor. Neben Vizepräsidentin Francia Márquez, die ein neu geschaffenes Ministerium für Gleichheit leiten wird, ist die etwa zehn Prozent der Bevölkerung starke afro-kolumbianische Gemeinschaft mit Luis Gilberto Murillo als Botschafter in Washington prominent vertreten. Die etwa zwei Millionen Indigenen sehen sich durch die UNO-Botschafterin Leonor Zalabata sowie durch die Vorsitzenden der Kommissionen für Opfer und für Landrestitution ausreichend repräsentiert. Gerade der groß angelegte Landraub durch systematische Vertreibungen ist eine der Ursachen für die sechs Millionen Binnenflüchtlinge, für die Landflucht und die Ausbreitung umweltschädlicher Exportmonokulturen. So gehört denn auch eine Agrarreform zu den drei großen Vorhaben, die sich der neue Kongress für das kommende Halbjahr auf die Agenda geheftet hat.

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