Der Friede von Havanna

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Der kolumbianische Präsident will um jeden Preis den Bürgerkrieg beenden. Doch die Forderungen der Guerilleros von der FARC stoßen auf Ablehnung.

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Der kolumbianische Präsident will um jeden Preis den Bürgerkrieg beenden. Doch die Forderungen der Guerilleros von der FARC stoßen auf Ablehnung.

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Von einem historischen Moment sprachen die Medien, als Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos und der oberste Guerillachef Rodrigo Londoño Echeverri, alias Comandante Timochenko, einander im Beisein des kubanischen Staatschefs Raúl Castro die Hand schüttelten. Man schrieb den 23. September. Seit mehr als drei Jahren verhandelt die Regierung mit der mächtigen marxistischen Guerrillabewegung FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) über ein Ende des bewaffneten Konflikts, der seit mehr als 50 Jahren vor allem auf dem Land tobt und mehr als 200.000 Tote gefordert hat.

Die FARC ist die älteste und größte der kolumbianischen Rebellenorganisationen. Mit anderen Guerillagruppen konnten schon in den 1980er- und 1990er-Jahren erfolgreiche Friedensabkommen geschlossen werden. Besonders nachhaltig wirkte der Verhandlungsprozess mit der Bewegung M19, der zu einer neuen Verfassung führte, die weithin als eine der besten und modernsten auf dem Subkontinent betrachtet wurde. Ehemalige Kommandanten wurden angesehene Abgeordnete, Senatoren, Gouverneure oder Bürgermeister großer Städte, sogar in der Hauptstadt Bogotá.

Ursachen des Konfliktes

Auch die FARC hatten schon vor 30 Jahren ein Abkommen mit der damaligen Regierung ausgehandelt. Das Ergebnis war aber für die Guerilla, die mit der Unión Patriótica eine legale politische Vertretung gründete, fatal. Zwar erhielt die Partei vor allem auf dem Land großen Zuspruch, doch wurden innerhalb weniger Jahre über 4000 Mitglieder ermordet: darunter zwei Präsidentschaftskandidaten, Senatoren, Abgeordnete, Stadträte, Bürgermeister.

Zentrale Ursachen des Konflikts sind die extrem ungerechte Verteilung des fruchtbaren Landes und das Machtmonopol der traditionellen Parteien. Auf der Agenda stehen fünf Kapitel: Die Landfrage, die politische Partizipation, die Frage der Opfer und ihrer Entschädigung, der Drogenhandel und die konkrete Beendigung des Konflikts.

Bei den Verhandlungen in Havanna wurden mehrere Teilabkommen bereits unterzeichnet. Dabei geht es um den Schutz der kleinbäuerlichen Produktion, um den Rückzug der Guerilla aus dem profitablen Drogengeschäft, und um Sicherheitsgarantien. Von der Opposition besonders angefochten wird die Einigung über eine Teilamnestie. Vor Gericht gestellt werden sollen nur jene Guerillakämpfer und Militärs, die für Massaker, Folter, Verschwindenlassen und andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich gemacht werden. Für diese Verbrechen soll ein Sondertribunal geschaffen werden.

Das kapitalistische Wirtschaftsmodell und die politische Verfassung, so beschwichtigte Präsident Santos Unternehmerschaft und Kritiker der politischen Rechten, stünden nicht zur Disposition.

Die Verhandlungsparteien stehen jedenfalls unter Erfolgsdruck. Juan Manuel Santos will als Friedenspräsident in die Geschichte eingehen und dem Land neue wirtschaftliche Impulse verschaffen. Die FARC sind militärisch geschwächt. Sie könnten zwar nach allgemeiner Einschätzung noch Jahrzehnte lang weiterkämpfen und sich mit Drogenhandel und Schutzgelderpressung finanzieren. Doch den Plan, die Macht zu erobern und ein sozialistisches Regime in Kolumbien zu errichten, haben sie aufgegeben. Dafür fehlt ihnen sowohl die militärische Kraft, als auch der Rückhalt in der Bevölkerung.

Der Präsident macht Druck

Präsident Santos macht jetzt Druck. Er will die Verhandlungen bis 23. März abschließen und wirbt bereits für internationale Unterstützung für die Umsetzung des Abkommens, die viel Geld kosten wird. Allein die Reintegration tausender Guerilleros, denen durch Ausbildung oder Ackerland eine neue Lebensgrundlage geschaffen werden muss, wird teuer. Im Entwicklungsplan 2014-2018 setzt die Regierung auf den Ausbau der Mineralienförderung. Damit soll der Friede finanziert werden. Juan Manuel Santos spricht vom Bergbau als einer "Lokomotive der Entwicklung".

Kleinbauern, indigene Gemeinden, Umweltaktivisten und Menschenrechtsanwälte fürchten, dass nach dem Friedensabkommen ein Wettlauf um die Rohstoffe und die besten Ländereien beginnen wird, wenn Regionen, die wegen des Krieges Jahrzehnte lang unzugänglich oder unsicher waren, erschlossen werden können. Erdöl- und Bergbaulizenzen wurden im großen Stil vergeben und sollen aktiviert werden, sobald die FARC abziehen. Die bisherigen Erfahrungen mit Bergbau und Ölförderung zeigen, dass auf Umwelt und betroffene Bevölkerung wenig Rücksicht genommen wird. Selbst die der Entwicklung verschriebene Lateinamerikanische Wirtschaftskommission CEPAL, eine Unterorganisation der UNO, übt in einem Bericht Kritik an der kolumbianischen Regierung. Es wird daran erinnert, dass die Verfassung von 1991 den Staat verpflichte, auf Umwelt, Gesundheit, kulturelle Vielfalt und Gleichheit besondere Rücksicht zu nehmen. Diese seien bei Projekten in der Amazonasregion besonders gefährdet.

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