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Kolumbiens Neubeginn
Besondere Sicherheitsvorkehrungen wurden getroffen, um die Sicherheit des Papstes zu gewährleisten. Allerdings haben die kolumbianischen Guerillabewegungen für die Dauer des Papst-Besuches eine einwöchige Feuerpause angekündigt. Man wollte sich sogar an einem geheimen Ort mit dem Papst treffen, der Vatikan winkte jedoch ab. Heute braucht Kolumbien innere Ruhe mehr denn je. Nach einem überwältigenden Wahlsieg über-
nimmt der Liberale Virgilio Bar-co im August Kolumbiens Staats-schiff. Alle kolumbianischen Leitartikler spielen mit der Wortanalogie: Barco heißt Schiff; daß Kolumbiens Staatsschiff von einem Steuermann namens Barco geführt werden wird, gilt allgemein als günstiges Omen. Tatsächlich stehen die Zeichen gut: hohe Kaffeepreise sorgen für steigende Devisenreserven, neue ölfunde machten Kolumbien wieder zum ölexporteur, internationale Kredithähne werden wieder aufgedreht.
Unter dem Konservativen Beli-sario Betancur (1982-86) hatte Kolumbien einfach kein Glück. Seine kühne Friedenspolitik, im Inneren als Amnestieangebot an die verschiedenen Guerilla-Armeen, im Äußeren als treibende Kraft in der Contadora-Gruppe,
baute Mißverständnisse auf und verunsicherte die Vereinigten Staaten ebenso wie die internationalen Geldgeber.
Zudem ging in der Amnestiepolitik nach ersten spektakulären Erfolgen so ziemlich alles schief. Dramatisches Bild dafür war im Vorjahr der ausgebrannte Justizpalast — von Guerillas besetzt und vom Militär genommen—vor dem heute noch immer Asche speienden Schneevulkan Ruiz. Derzeit wird zwischen der M-19-Guerilla (die weniger an Karl Marx als an Simon Bolivar glaubt und vom kolumbianischen Nationalkatholizismus herkommt) und der Armee mit einer an Vietnam erinnernden Heftigkeit gekämpft.
Selbst einige der FARC-Mit-glieder (die „Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia“, ein Verband von 27 Rebellengruppen, hatten sich als größter Guerillaverband fast durchwegs an die ausgehandelten Waffenstillstandsregeln gehalten) gerieten knapp vor den Präsidentschaftswahlen im Mai in Scharmützel mit Militärpatrouillen. Drei Dutzend Tote waren die Folge. Der Generalstaatsanwalt von Kolumbien wies darauf hin, daß einige der Kämpfe von den Patrouillen provoziert worden seien, ja er
verglich ihr Vorgehen mit dem „schmutzigen Krieg“ im Argentinien der siebziger Jahre. Auch die rechtsradikalen „Todesschwa-drone“ sind wieder unterwegs. Allein in der Millionenstadt Cali verantworten sie seit Beginn des Jahres 300 Menschenleben.
Kein Wunder, daß Kreditgeber und Geschäftsleute Kolumbien auf Distanz hielten. So schrumpften zum Beispiel die privaten Direktinvestitionen 1985 auf die Hälfte des Vorjahrsstandes.
Der 65jährige Barco, der mit 58 Prozent der Stimmen gewählt wurde, ist ein in den USA ausgebildeter Ingenieur, der über lange Verwaltungs- und Regierungserfahrung verfügt. Betancurs Versuch, Kolumbien aus der traditionellen Umklammerung mit den USA zugunsten einer selbständigeren Außenpolitik zu lösen, hat Kolumbien wirtschaftlich geschadet. Barcos deklarierte Rückkehr zur Umarmung mit dem mächtigen Verbündeten wird Kolumbien wieder die vertrockneten Geldquellen öffnen. Ebenso seine Ankündigung, daß er härter als Betancur gegen die Guerüla-Ar-meen vorgehen wird. Dazu kommt seine erklärte Absicht, beim Rauschgiftkampf enger mit
den USA zusammenzuarbeiten.
Im übrigen hat sich tatsächlich die Wirtschaftslage zugunsten der kommenden Administration geändert. Ausgezeichnete Kaffee-Preise bringen nach enttäuschenden Jahren mehr Devisen, sodaß das Wachstum heuer auf vier bis fünf Prozent steigen könnte. Neue Erdölfunde machen Kolumbien erstmals wieder zum Rohölexporteur (Erdölderivate standen schon bisher nach Kaffee an zweiter Stelle der Ausfuhren). An der Atlantikküste fördert die gigantische „El Cerre-jon“-Mine Kohle für den internationalen Energiemarkt. Darüber hinaus stehen dem neuen Präsidenten enorme Summen für den weiteren Ausbau der Infrastruktur zur Verfügung: Die Weltbank offeriert im Augenblick 237,8 Millionen Dollar; eine ganze Milliarde kann zusätzlich von den Kommerzbanken abgerufen werden.
Kolumbien muß also eigentlich nur noch den letzten Amtsmonat des glücklosen Belisario Betancur hinter sich bringen, um die mageren Jahre zu überwinden. Bessere Jahre hat die kolumbianische Demokratie zwischen Guerilla, Drogenhandel und Militärkorsett bitter notwendig.
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