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Mehr als Manöver

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In der Mittelamerikapolitik Washingtons gewinnt die ' militärische Komponente an Bedeutung. Mit Flugzeugträgern und Schlachtschiffen demonstrieren die USA vor den Küsten Nikaraguas ihre Macht. Die Kritik an dieser „Kanonenboot-Diplomatie" ist breitgestreut.

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In der Mittelamerikapolitik Washingtons gewinnt die ' militärische Komponente an Bedeutung. Mit Flugzeugträgern und Schlachtschiffen demonstrieren die USA vor den Küsten Nikaraguas ihre Macht. Die Kritik an dieser „Kanonenboot-Diplomatie" ist breitgestreut.

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Fidel Castro stand 1981 nahezu allein, als er die damaligen US-Marinemanöver als ernste Bedrohung für den Frieden im großkaribischen Raum darstellte. Drei Jahre später kritisieren US-Kongreßmitglieder, einige europäische Länder, lateinamerikanische Staaten, ja auch Honduras (das selber an den Manövern teilnimmt) die Auffahrt der US-Marine als Bedrohung für den Frieden in Mittelamerika.

Anders als 1981 sprechen heute auch Panama (das die US-Stützpunkte für die Manöver sperrt) und Venezuela davon, daß der Aufmarsch von über 16.000 Mann an der Atlantik- und Pazifikküste von Nikaragua Anlaß zur „Besorgnis und zur Spannung" gibt.

Dem Weißen Haus gelingt es nicht einmal in den eigenen Reihen, bei der Diktion von „Routinemanövern" zu bleiben. Präsident Reagan vermeidet zwar das Wort von der „Blockade", aber das Wort von der „Quarantäne", die er sechs Monate lang als Machtdemonstration über Nikaragua verhängen will, spricht für sich.

Das Umschwenken Reagans von der bisherigen Position (nur die Waffenlieferungen an die Guerilla in El Salvador sollen i verhindert werden) zur neuen härteren (mit einer Regierung aus Sandinistas werde kaum ein regionaler Friede zu erreichen sein) wird auch von den US-freundlichen Ländern in Mittelamerika mit Unbehagen aufgenommen.

Dieser Schwenk der Reagan-Administration entwertet auch das junge Verhandlungsangebot der Sandinistas, das zum ersten Male ausdrücklich regionalen Gesprächen unter Einschluß aller Nachbarn, der USA und der „Con-tadora-Gruppe" zustimmt.

Auf den Staaten dieser Gruppe - Mexiko, Venezuela, Kolumbien und Panama -, deren Außenminister vergangene Woche wieder tagten, ruht die letzte Hoffnung Mittelamerikas. Ihr Name rührt von der panamaischen Insel Con-tadora her, wo sich die Außenminister der vier Staaten im Jänner das erste Mal trafen. Ziel der Gruppe ist es, alle lateinamerikanischen Staaten, die an einer Verhandlungslösung für Mittelamerika interessiert sind, an einen Tisch zu bekommen.

Die Regeln der Contadora-Staaten für die Friedens-Aktion sind klar: friedliche Streitschlichtung, Respektierung der nationalen Souveränität, Ablehnung jeder Art von Intervention, Abzug aller Militärberater (auch der kubanischen aus Nikaragua).

Erster Erfolg der Contadoras war das Ersuchen von Costa Rica — das keine Armee unterhält —, Beobachter an der Grenze zu Nikaragua zu postieren. Andere Erfolge liegen, trotz intensiver Versuche noch nicht vor. Denn jede Initiative verlangt Zeit und Geduld. Beides ist jedoch angesichts des bevorstehenden Präsidentschaftswahlkampfes in den USA für die mittelamerikanischen Probleme kaum mehr vorhanden.

So ist denn auch der spektakuläre Schritt des Weißen Hauses, Henry Kissinger mit dem Vorsitz der neuen überparteilichen Kommission zur Ausarbeitung einer langfristigen Strategie für Mittelamerika zu betrauen, wohl in erster Linie ein wahltaktischer Zug: Die Bildung der Kommission holt das heiße Eisen „Mittelamerikapolitik" aus der Wahlschlacht.

Die Ergebnisse der Kommission sind erst Anfang 1984 zu erwarten. Diese Wartezeit schafft Reagan Luft für rasche Aktionen, ohne daß diese mit vollem Gewicht im Wahlkampf ausgespielt werden können.

Was an raschen Aktionen geschehen soll, stellt in geheimen Empfehlungen der Reagan-Fachleute, die am 8. Juli dem Sicherheitsrat vorgelegt worden sind (und über die „New York Times" an die Öffentlichkeit gelangten). Die rasche Erfüllung einiger der Punkte zeigt die Dringlichkeit und läßt auf eine baldige Erfüllung der restlichen Punkte schließen:

• Einsetzung einer Strategiekommission (bereits erfüllt);

• 40 bis 60 Prozent Erhöhung der Militärhilfe für US-freundliche Mittelamerikaländer (vom Weißen Haus genehmigt, Zustimmung des Kongresses steht noch aus);

• Stationierung von US-Kriegsmaterial und Ausbau der militärischen Infrastruktur vor allem in Honduras (ist im Rahmen der Großmanöver bereits fixiert);

• Ausbau der Geheimdienstaktionen gegen die Regierung in Managua (kann im Kongreß noch abgeblockt werden);

• Diplomatische Isolierung der Sandinistas (wird laufend versucht);

• ZuguterLetztwirdempfohlen, regionale Friedensinitiativen zu unterstützen.

Im letzten Punkt ist ein Pferdefuß versteckt, denn das kommende Kriegsspiel der Marine, der Luft- und Bodentruppen engt den Manövrierraum der Contadora-Gruppe kräftig ein (ebenso wie den der überparteilichen Kommission, was Kissinger allerdings bestreitet).

Eine wirkungsvolle, auch gegenüber den USA durchsetzbare Außenpolitik ist zudem für die Contadora-Staaten Mexiko und Venezuela angesichts ihrer schwachen wirtschaftlichen Lage und ihrer Abhängigkeit von den USA schwierig, wenn nicht unmöglich. So braucht die Gruppe, soll sie sich als Friedenspuffer bewähren, nicht nur die Unterstützung der mittelamerikanischen Betroffenen und einiger anderer lateinamerikanischer Staaten (Brasilien und Peru sind interessiert), sondern auch viel Glück.

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