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Domestizierte Sandinisten

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Im Februar 1990 wird in Nikaragua gewählt. Bis dahin haben die Sandinisten Zeit für den politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes. Ein neuer Anlauf des Arias-Friedensplans.

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Im Februar 1990 wird in Nikaragua gewählt. Bis dahin haben die Sandinisten Zeit für den politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes. Ein neuer Anlauf des Arias-Friedensplans.

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Esquipulas, der guatemaltekische Wallfahrtsort mit der prächtigen, von nordamerikanischen Benediktinern betreuten Basilika, hat bei den mittelamerikanischen Friedensbemühungen wieder ein politisches Wunder ermöglicht: noch vor Weihnachten sollen die Contra-Krieger in Honduras entwaffnet sein, damit die Februar-Wahlen in Nikaragua ohne Behinderung abgewickelt werden können.

Die Bush-Administrationhätte es ■gerne umgekehrt gesehen - erst Wahlen, dann Demobilisierung der Contra -, kann aber derzeit nicht für die Contra eintreten, weil der Kongreß die Ende November auslaufende humanitäre Hilfe kaum verlängern wird.

Vor zehn Jahren, im Juli 1979, zogen die Sandinisten siegreich in Managua ein. Damit setzte in der innersten Sicherheitszone der USA eine nationalrevolutionäre Veränderung ein, wie sie für die Dritte Welt typisch ist. Die Carter-Administration versuchte die Koexistenz, die folgende Präsidentschaft Ronald Reagans jedoch stufte die Sandinisten als „totalitäre Marxisten“ ein und begann sie mit einem Stellvertreterkrieg (durch eben jene Contra,die jetzt von den USA wieder im Stich gelassen werden) zu zermürben. Der offene Krieg in der Region wurde nur durch die Vermittlungsversuche der Contadora-Gruppe (vier lateinamerikanische Staaten) vermieden.

Dennoch spitzte sich die Lage so zu, daß Kostarikas Präsident Oskar Arias, unterstützt von seinem christdemokratischen Regierungskollegen Vinicio Cerezo in Guatemala, 1986/87 einen neuen Friedensplan ins Leben rief, der Nikaragua zu Demokratie und Pluralismus überreden und nach und nach die Gärung in der gesamten Region stoppen sollte. Daraus entwickelten sich am Wallfahrtsort Esquipulas Kontaktgespräche zwischen den fünf mittelamerikanischen Präsidenten, weswegen der neue Friedensplan, in Europa unter Anas-Plan bekannt, in Mittelamerika „Esquipulas II“ heißt.

Die Treffen der Präsidenten zwangen vor allem Managua zu Konzessionen in Richtung Demokratisierung. Für das fünfte Gespräch Anfang August im honduranischen B a-nanenhafen Tela mußte Präsident Daniel Ortega mit den 21 Oppositionsparteien in Nikaragua einen historischen Kompromiß schließen: Er mußte alle noch ausstehenden Bedingungen für den Pluralismus akzeptieren, darunter die Suspendierung des umstrittenen Militärdienstes, sodaß auch die 16jährigen Jungmänner in Zivil wählen können.

Mit solchen Atouts im Uniformärmel flog Ortega nach Tela, um die fintenreiche Offensive des neuen Salvador! anischen Präsidenten Alfredo Cristiani zu unterlaufen. Denn El Salvador versuchte die Entwaffnung der (rechten) Contra mit der der eigenen (linken) FMLN-Guerilla zu koppeln.

Diese Symmetrie war das eigentliche Problem der Verhandlungen in Tela. Doch das Wunder von Esquipulas hielt an: Genau zwei Jahre nach dem Beginn des alternativen Friedensprozesses konnten die Präsidenten einen definitiven Plan verlesen und unterzeichnen.

Die Dokumente bestehen aus einer allgemeinen Erklärung und zwei .Annexen. Der erste bringt die Lösung.

Innerhalb von dreißig Tagen sollen die Generalsekretäre der Organisation Amerikanischer Staaten und der Vereinten Nationen eine internationale Abrüstungsgruppe, die „CIAV-Kommissi on“, bilden. Diese soll in weiteren 90 Tagen die Contra (rund 12.000 Köpfe) und deren Familienmitglieder in Honduras (etwa 14.000 Menschen in drei Flüchtlingslagern) zur „Demobilisierung, Repatriierung oder Ansied-lung an dritten Orten auf freiwilliger Basis“ überreden.

Im Klartext: Noch vor Weihnachten soll die Contra abgerüstet sein.

Das Dilemma der Symmetrie lösten die fünf Präsidenten, indem sie die Demobilisierung für alle Aufständischen in Mittelamerika verlangten, aber dies ohne Zeitplan.

Damit gewann das sandinistische Nikaragua den Tag, denn El Salva-dors rechte Arena-Regierung hat nur ein Versprechen, und die USA stehen mit leeren Händen da. Aber bricht damit der Friede in Mittelamerika tatsächlich aus?

Bis zu den Februar-Wahlen gibt es jedenfalls eine Atempause. Die Sandinisten müssen diese kurze Zeit nützen, um zu zeigen, daß sie bereit sind, das im Bürgerkrieg ruinierte Land wiederaufzubauen und oppositionelle Kräfte einzubinden.

Erst nach den Wahlen wird sich jedoch zeigen, ob die Bush-Administration bereit ist, mit einem solcherart domestizierten Sandinismus zu leben.

Jedenfalls bleibt der Bürgerkrieg in El Salvador, den die USA auf keinen Fall verlieren möchte. Und es bleibt die Peinlichkeit Panama, wo die USA nicht wissen, wie sie ihren ehemaligen Verbündeten General Noriega loswerden können.

Was jetzt wie ein Schritt zum Frieden aussieht, könnte sich also später nur als Atempause zum neuerlichen Mischen der Karten in der Sicherheitszone der USA erweisen.

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