Revolution in Trümmern
FOKUSVom großen Aufbruch zum harten Aufprall
Zwei Jahre hat der blutige Krieg gegen Anastasio Somoza gedauert, ehe er von den Sandinisten gestürzt werden konnte. Ein Rückblick.
Zwei Jahre hat der blutige Krieg gegen Anastasio Somoza gedauert, ehe er von den Sandinisten gestürzt werden konnte. Ein Rückblick.
Am 17. Juli 1979, als sich Anastasio Somoza Debayle mit der Staatskasse im Gepäck nach Miami absetzte, wusste jeder: Das Ende einer Diktatorendynastie, die über vier Jahrzehnte die Geschicke des größten Staates in Zentralamerika mit eiserner Hand bestimmt hatte, stand unmittelbar bevor.
Im zwei Jahre andauernden Revolutionskrieg zwischen 1978 und 1979 schreckten Somoza und seine gefürchtete Nationalgarde vor nichts zurück. Aus Hubschraubern wurden Dissidenten über dem Krater des aktiven Vulkans Masaya oder dem offenen Meer abgeworfen, nachdem man sie zuvor im gefürchteten Gefängnis „El Chipote“ gefoltert hatte.
Trotz zahlreicher Menschenrechtsvergehen genoss Somoza die Unterstützung der Vereinigten Staaten. Die USA taten inmitten des Kalten Krieges alles, um nach der kubanischen Revolution von 1959 eine weitere sowjetisch unterstützte Regierung auf dem Subkontinent zu verhindern. Zu bedeutend waren die ökonomischen und politischen Interessen Washingtons in der Region, zu groß war die Angst vor einem zweiten Fidel Castro, der unweit der US-Verwaltungszone rund um den Panamakanal die Macht ergreifen könnte. Doch die Bemühungen blieben, ähnlich wie zwei Jahrzehnte zuvor auf Kuba, vorerst erfolglos.
Als am 19. Juli – nur zwei Tage nach Somozas Flucht – die Hauptstadt Managua fiel, versammelten sich Abertausende Menschen vor der alten Kathedrale, um den siegreichen Revolutionskämpfern der Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront (FSLN) zuzujubeln. Die „Frente“, wie sie in Nicaragua genannt wird, hatte sich an die Spitze einer breiten revolutionären Bewegung gesetzt. Es herrschte Aufbruchsstimmung und die „neue Linke“ in aller Welt blickte frohlockend nach Nicaragua.
Nach ihrem Triumph bestimmte die FSLN ein fünfköpfiges Führungsgremium, das die Geschicke des Landes lenken sollte. Diesem gehörte auch Daniel Ortega Saavedra an. Der 1945 in eine mittelständische Familie in Chontales geborene und als weitgehend unideologisch geltende Ortega wurde 1984, als er erstmals Präsident wurde, zu einer Art Kompromisslösung zwischen starken, egozentrischen Persönlichkeiten, die allesamt um die Führung in der „Frente“ rangen.
Der Umbruch der 80er
Anfang der 1980er-Jahre folgte ein gesamtgesellschaftlicher Umbruch. Drei zentrale Punkte des ambitionierten Regierungsprogrammes der FSLN waren eine groß angelegte Alphabetisierungskampagne, Investitionen in die desaströse medizinische Infrastruktur und eine Landreform. Rasch nach der Machtübernahme durch die „Frente“ initiierten die USA kontrarevolutionäre Streitkräfte – die so genannten „Contras“ – die sie finanziell, militärisch und geheimdienstlich unterstützten.
Unter US-Präsident Ronald Reagan wurden die „Contras“, verdeckt durch illegale Waffengeschäfte mit dem Iran, finanziert. Einen Kongressbeschluss umging man so dreist. Nach ihrem Bekanntwerden wurde die „Iran-Contra Affair“ in den USA zu einem Politskandal, der dem republikanischen Präsidenten fast ein Amtsenthebungsverfahren eingebracht hätte. Zwischen 1981 und 1990 kostete der Contra-Krieg zwischen 35.000 und 40.000 Menschen in Nicaragua das Leben.
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