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Für ein lateinamerikanisches Gleichgewicht

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Vor allem könnte Brasilien, der Gegenspieler um die lateinamerikanische Vorherrschaft, dieser „Aufrüstung“ kaum zusehen. Es liegt nahe, den soeben angekündigten Besuch des brasilianischen Präsidenten Joao G o u 1 a r t in Chile und Uruguay mit dem Bemühen um das lateinamerikanische Gleichgewicht in Verbindung zu bringen.

Aber General Ongania ist — gerade wegen des brasilianischen Linksrucks — in Washington mit betonter Freundlichkeit aufgenommen worden. Man hat ihm klargemacht, welchen gro-

ßen Wert Kennedy auf die demokratische Entwicklung Argentiniens legt, die durch die Absetzung Dr. Frondizis unterbrochen worden war. In diesem Sinne gab Washington auch 320 Millionen Dollar Darlehen, zum größten Teile freilich nur in Erneuerung aller Anleihen.

Antiperonisten gegeneinander

Das Scheitern der Revolution bildete keine Überraschung. Präsident Doktor Guido, der nach Anweisung der Generale 50 Minister und Staatssekretäre in kurzer Zeit verbraucht hat und

In seiner Machtlosigkeit nur von seiner Lauterkeit übertroffen wird, sagte in einer Rundfunkrede: „Wir stehen vor einer Katastrophe wie vor dem Erdbeben in San Juan.., Nationaler Notstand...“ Er kämpft um seinen „Politischen Plan“. Nach ihm will man die Peronisten, etwa ein Drittel der Wählerschaft, zwar stimmen, aber nicht an die Macht kommen lassen. Die Revolutionäre hielten den Plan für „Verrat“ (Rojas) oder „Selbstmord“, weil nach ihrer Ansicht bei wirklich demokratischen Methoden ein Wahlsieg der Peronisten ebenso unvermeid-

lich ist wie die Rückkehr Peröns. Nun sind die „blauen Generäle“, die ihre Revolution niederschlugen, zum großen Teil in den Gefängnissen Peröns nach fehlgeschlagenen Putschen gesessen. Auch Heereskommandant Ongania erklärt, wie der Luftwaffenchef, daß die Rückkehr Peröns unter keinen Umständen geduldet wird. Die Revolution ging nicht von Feinden Peröns gegen dessen Anhänger, sondern unter Antiperonisten vor sich. Es ging weniger um das Ziel als die Methode.

Nun sagt Ongania zwar in seiner Siegesbotschaft: „Der Weg zur Stabilisierung wird immer schwerer zu unterbrechen sein... Der positive Saldo der Revolution ist, daß das freie demokratische Spiel wieder beginnt...“

Aber niemand weiß, wie er diese Ansicht verwirklichen kann. Man zweifelt, daß die Wahlen am 23. Juni stattfinden können.

Der „fernwirkende“ Perön

Die Regierung hat im Rahmen ihres Befriedungsplans die neoperonistische „Union Populär“ für die Wahlen zugelassen und will sie durch die Eingliederung in “eine „Nationale und Volks-Front“ neutralisieren und kontrollieren. Nun sind sieben Parteien, unter anderen die „Radikalen“ Dr. Frondizis und die Konservativen sowie eine katholische Gruppe zur Bildung dieser Front bereit, deren wichtigster Gegenspieler die „Union Ciwica Radical del Pueblo“ — die „Volksradikalen“ —

Gegner Dr. Frondizis — ist. Aber um diesen Plan ausführen zu können, müßten sich die sieben Parteien erst einmal über eine Präsidentschaftsformel und dann über die Verteilung der Posten einigen. Vor allem müßten di Peronisten auf die Rückkehr ihres Parteigottes verzichten. Ein Flügel von ihnen (unter dem Gehirnchirurgen Dr. Matera) ist für die langsame Infiltration, ein anderer (unter dem Gewerkschaftsführer Framini, gegen den Haftbefehl wegen Aufforderung zum Hochverrat läuft), für die soziale Revolution. Beide Gruppen folgen Anweisungen Peröns aus Madrid. Nun ist der peronisrische Erzbischof von La Plata, Msgr. Antonio J. P1 a z a, in die spanische Hauptstadt gefahren, wie man munkelt, um Perön zu altruistischem Verzicht auf die Retterrolle zu veranlassen. Gleichzeitig ist der Erzbischof von Buenos Aires, Kardinal C a g g i a n o, auf Bitten Dr. Guidos in einem Hirtenbrief für die Wahlen eingetreten und hat erklärt, ihm sei nicht bekannt, daß der Vatikan die Exkommunizierung Peröns aufgehoben habe. „Meine Situation gegenüber der Kirche ist endgültig geklärt“ — antwortete der Ex-Diktator aus Madrid.

So hat die 39. Revolution nicht zur Militärdiktatur, ihre Unterdrückung aber noch nicht zur Demokratie geführt. Argentinien bleibt der Spielball politisierender Generäle, entnervter Parteien und eines fernlenkenden Ex-diktators.

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