6661120-1960_07_07.jpg
Digital In Arbeit

Gegen „Soutane und Tonsur“

Werbung
Werbung
Werbung

„Wenn die Kirche Maßnahmen gegen uns trifft, so tun wir deshalb noch lange nicht dasselbe. Vielmehr betrachten wir die Kirche und ihre Priester mit Hochachtung und Sympathie; denn wir sehen in ihr eine der großen sozialen Stützen der Nation und sind gerne bereit, in den vielen Punkten, in denen sich unsere Aufgaben decken, mit ihr zusammenzuarbeiten.“ Damit schien der neugewählte Großmeister des „Groß-Orients!“ von Brasilien, Sr. Almirante Benjamin S o d r e, in seiner öffentlichen Ansprache vom 24. Juni 195 3 das — auf beiden Seiten — scharf geschliffene Kriegsbeil endgültig vergraben zu

.rrsrnmoxflfii..■ A susn ?ßb — sniloS •6$bfcirwrrs,tändlich yavihu&esk-vWorte-,trwmlj Fenster hinaus gesprochen. Natürlich geben die Prinzipien der Freimaurerei, auch der südamerikanischen, meist noch einen Glauben an Gott als den „großen Baumeister des Weltalls“ zu; man hält sich noch an eine „allgemeine Moral“, man betont die „Herrschaft des Geistes über die Materie“ und anderes mehr, was man in der Praxis jedoch nicht mehr allzu ernst nimmt. Das beweist zum Beispiel der interessante Streit vom Jahre 1950, als die Großloge von England die Großloge von Uruguay förmlich exkommunizierte, weil sie die „Glaubensformel“ so weit

interpretiert hatte, daß Gläubige und Ungläubige sie annehmen konnten. „Sie täuschen sich über den wahren Sinn der Freimaurerei“, schrieb man damals von London noch Montevideo, und sprach damit über Uruguay das gleiche Urteil, das man 1878 über den französischen Groß-Orient und alle, die ihm folgen würden, gefällt hatte. Seither stehen sich die angelsächsische und die romanische Richtung (beide mit etwa 5 Millionen Mitgliedern) mehr oder weniger feindlich gegenüber.

Während sich die Briten und ihre Gefolgs-mannen humanere Ziele gesteckt haben, fahren die Romanen — vorab die Südamerikaner — nach wie vor auf hartem Kurs.

Natürlich versteht man auch hier das Gesicht zu wahren, und so unterscheidet man sorgfältig zwischen Ausführungen, die nur für bestimmte Kreise bestimmt sind, und Äußerungen, mit denen man sich an weitere Kreise wenden will. Obwohl sich prominente Freimaurer, gerade in letzter Zeit, immer wieder als gute Katholiken bekannt haben — ein Bekenntnis, das in Südamerika niemand allzu ernst nimmt —, gibt es doch untrügliche Anzeichen dafür, daß man sich auf dem ganzen Subkontinent zu einem neuen Kirchensturm rüstet.

So richtete am 21. April 5955 V .“. L .'. (das ist: Verdadeira Luz) oder 1955 nach Christi Geburt das Kapitel der „Erhabenen und Ehrwürdigen“ Loge „Paz e Progresso lla“ an die „Ehrwürdigen- ö'der aHwhGTade'WiiKhi AtrfrwVder an Deutftchfceit■'keinen''Wun clr* BfferiSß*.MZii “ nächst wird betont, daß kein Leser im folgenden einen Angriff oder eine Beleidigung seines Glaubens finden dürfte, um sich jedoch schon in den nächsten fünfzehn Zeilen über das zu beschweren, was „im Schatten der bischöflichen Pallien auf ausdrücklichen Befehl des absolutistischen Herrschers im Vatikan vorbereitet wird, der in aller Welt seine unheilvollen Agenten hat“. Wird vom Klerus gesprochen, so folgen meist schmückende Beiwörter wie „arme Teufel“, „Papsthyäne“, „Pfaffenbande“, die wieder mit ihren feigen, kalten und überlegten Angriffen gegen die Einrichtungen der Freiheit anfange. Man spricht von der teuflischen Maschine der Beichtstühle, von den schmutzigen und despotischen Überlieferungen des giftigen Syllabus, um dann zu enden:

„Die Agenten des Papsttums bemühen sich, den guten Glauben unserer Leute mit Verschlagenheit und Scharlatanerie zu umgarnen. Man muß sie sofort entlarven, damit wir nicht das gleiche Schicksal erleben wie Portugal und Spanien, die beide von dem Diktator aller Jahrhunderte, dem Heiligen Vater, geopfert wurden. Möge uns Gott vor dieser Heiligkeit bewahren, von deren Paternität wir gerne absehen ... Kämpfen wir also unerschrocken und gebrauchen wir die unerschöpflichen Mittel unserer moralischen Kraft zusammen mit unserer öffentlichen Macht (in Brasilien gibt es zur.Zeit 150.000 Freimaurer, in Frankreich zum Vergleich 30.000), um den Mißbrauch der klerikalen Übermacht und Intoleranz zu brechen . . . Stutzen wir dem römischen Geier die Flügel! Nehmen wir ihm vor allem seine leichte und wehrlose Beute, unsere unschuldigen Töchter (!), in deren Herzen, ohne daß wir es bemerkten, die Patres das feine Gift des Verrates gesenkt haben. Ja machen wir unsere legitimen Rechte in unseren Familien geltend (!), und die Pfaffenbande wird sich entmutigt in ihre Klosterhöhlen zurückziehen, traurige Quartiere der traurigen monastischen Lehren und unerbaulichen Disziplinen. Brasilien ist eine unerschöpfliche Scheuer, und die Hierarchie streift hungrig umher und wartet auf den Augenblick, in dem sie unvermeidlich ihr verräterisches Boot gegen unsere Souveränität flottmachen wird. Wir haben bereits die geistige Mehrheit erreicht, und gerade deshalb ist es unsere Pflicht, Soutane und Tonsur dorthin zu verbannen, wo sie hingei kfoäVi ßie <patriotische Tat steht, mm reihtfttj mäßig- zu.“

Bedauerlicherweise stellt diese Haltung nicht einmal einen extremen Einzelfall dar. Das beweist 1 die Vierte interamerikanische Freimaurerkonferenz, die 1958 in Chile tagte. Natürlich war man in der Sprache gemäßigter, aber das Thema blieb doch: „Verteidigung des Laizismus.“ Dabei kam noch ein ganz neuer Zug zum Vorschein, den vor einiger Zeit der Großmeister des französischen Groß-Orients angedeutet hatte, wenn er ausführte:

„Der Marxismus und die Freimaurerei haben ein gemeinsames Ziel, das Glück des Menschen auf Erden. Ein Freimaurer kann daher die philosophischen Konzepte des Marxismus völlig sein eigen nennen. Ein Konflikt zwischen den Grundsätzen des Marxismus und der Freimaurerei ist. nicht möglich.“ Dementsprechend beschloß die Konferenz:

„Auf dem Weg über alle beeinflußten politischen Parteien ist die laizistische Kampagne zu verstärken. Es muß versucht werden, die Warnrufe der katholischen Kirche zu besänftigen, indem wir direkte freimaurerische Aktionen vermeiden. Die Aktionen zur Spaltung der Arbeiterbewegung sind zu vermehren, um dann deren Überrumpelung voranzutreiben. Freimaurerei und Kommunismus verfolgen gegenwärtig in Lateinamerika die gleichen Ziele; deshalb ist auf gleichlaufende Aktionen zu achten, wobei das Bündnis nicht öffentlich in Erscheinung treten darf.“ Unter diesen Vorzeichen fand dann vom 26. bis 28. März 1959 — also demonstrativ von Gründonnerstag bis Karsamstag — in Montevideo ein weiterer Freimaurerkongreß statt, der „Zweite internationale Kongreß für allgemeine Brüderlichkeit“. Er stand bereits sehr stark unter kommunistischem Einfluß. Ein Echo darauf dürften die Ausführungen des KP-Sekretärs von Uruguay, Rodney Arismendi, sein, der kurz darnach die Genossen zur neuen Einheitsfront aufruft, in der das Proletariat im Bündnis mit der Bauernschaft fähig sein müsse,

„den Antagonismus zwischen der nationalen, kompromißlerischen Bourgeoisie und dem Imperialismus so auszunützen, daß die erstere ganz oder teilweise für den Kampf mobilisiert oder wenigstens ihre wohlwollende Neutralität erreicht wird.“ (Vgl. auch „Furche“ Nr. 47, 15. Jg., S. 7.)

Auf diesem Hintergrund rundet sich das Bild bereits ab ...

x G 'g“enwärti& jieigMichr-das Ringen;.- w4 )M* lichsten in Argentinien. Am 1. Mai 1957 widerrief die Regierung Aramburu-Rojas die peronistische Verfassung von 1949 und verkündete das Wiederinkrafttreten der Verfassung von 1853, die Urquiza, ein bekannter Freimaurer, geschaffen hatte. Man behielt sich allerdings vor, daß die Bestimmungen dieser wiederhergestellten Verfassung den Zielen der Revolutionsregierung nicht widersprachen (auch ein Rechts-kuriosum!). Gleichzeitig wurden die vorperoni-stischen Provinzverfassungen wieder in Kraft gesetzt. Damit hätte in einer Reihe von Provinzen der Religionsunterricht wiedereingeführt werden müssen. Die Zentralregierung jedoch, die vorher auf Bundesebene für die öffentlichen Schulen das laizistische System von 18 84 wiedereingeführt hatte, wies die Bundeskommissare in den Provinzen schleunigst an, den Religionsunterricht in den Provinzschulen nicht wiedereinzuführen, weil das mit den Zielen der Revolution nicht vereinbar sei. Umgekehrt jedoch ließ Aramburu die päpstliche Bulle über die Errichtung von zwölf neuen Bistümern in Argentinien ungehindert „passieren“ und die Heeresseelsorge neu regeln. Er fügte sich aber den Protesten der Professoren der staatlichen Universitäten (die vorher gründlich von „konservativen“ und „klerikalen“ Elementen gesäubert worden waren) gegen das neue Universitätsstatut, so daß die bereits gegründeten katholischen Hochschulen formell nicht zugelassen wurden.

Auch F r o n d i z i wird sich, wie Franz Matic („Stimmen der Zeit“, 59/60, S. 64) nachweist, in einem Land, das vierzehn freimaurerische Staatspräsidenten und sieben Vizepräsidenten erlebt hat, kaum an die ungelösten Probleme zwischen Staat und Kirche heranwagen können. Zwar hat er trotz größter Widerstände jenen Artikel des Universitätsstatuts durchgesetzt, der den katholischen Universitäten volle Entfaltung garantiert, doch hat er sich von Anfang an auf kirchenpolitischem Gebiet zu keinem Versprechen bewegen lassen.

Man fragt sich allerdings, wie all das in dem katholischsten Erdteil möglich ist. Ob hier nicht auch manche Schuld auf der anderen Seite liegt, auf der Seite der Katholiken, die ihre Sendung nicht erkannten?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung