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Der Abenteurer als Financier

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In einer Erklärung des bonaeren-ser Komitees der großen liberalen Oppositionspartei „Union Civil Ra-dical“ heißt es: „Niemals hatte irgendeine Regierung in unserer Geschichte eine solche Unterstützung, aber auch niemals hat eine Regierung in so kurzer Zeit so viele Möglichkeiten kaputt gemacht.“ Krampfhaft bemühen sich Parteien, Gewerkschaften und Streitkräfte, die „Verfassungsmäßigkeit“ zu wahren und möglichst die Präsidentin Maria Estela Martinez de Perön nicht zu stürzen. Freilich macht sie es ihren Freunden recht schwer. Während sie vor wenigen Wochen noch vor Arbeitern erklärte, sie könne nur tot aus der „Casa Rosada“ gebracht werden, sagte sie jetzt, daß sie sich nicht an die Präsidentschaft klammere, sondern gehen werde, wenn „das Volk“ dies wünsche. Nun fehlt es ihr gewiß immer noch nicht an Schmeich^ lern, die ihr den schlechtesten Dienst erweisen, wenn sie sie in grotesker Verkennung der wahren Situation zum Friedens-Nobelpreis vorschlagen.

Die Präsidentin sagte, sie werde bis zu ihrem Tode nur den Bedürftigen dienen. Freilich ist das für 15 Millionen Dollar gekaufte Präsi-dentenflugzeuig, eine Boeing 707 In-tercontinental, keineswegs — wie versprochen — dem Flugzeugpark 'der staatlichen Luftlinie eingegliedert worden. Auch geistert die Scheck-Affäre weiter durch Argentinien. Maria Estela läßt jetzt behaupten, der Scheck über 31 Millionen Neue Pesos sei auf das Nachlaßkonto nach Eva Perön überwiesen worden, weil Perön gewünscht habe, daß die Hälfte der ihm jetzt zurückgegebenen Werte den Erben Evitas zugute komme. Aber der Scheck ist auf die „Cruzada de Solidaridad“ gezogen, eine Wohltätigkeitsorganisation, die aus Staatsmitteln gespeist wird. Während die Opposition die Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission forderte, rechtfertigte der justicialistische Senator Jose Armando Caro sein „Nein“ zu diesem Antrag mit dem Satz: „Schließlich sind der Frieden der Republik und die verfassungsmäßige Ordnung viel mehr wert als 3100 Millionen alte Pesos.“

Täglich wechseln die Mitteilungen, ob die Präsidentin 30, 45 oder 60 Tage Urlaub nehmen werde oder gar keinen Urlaub, und ob sie, wenn doch, den Urlaub in Argentinien oder im Ausland verbringen v/erde. Die oft gehörte Vermutung, daß sie ihrem früheren Wohlfahrtsminister und Privatsekretär Jose Lopez Rega nach Spanien nachfahren werde, scheint rein spekulativ zu sein. Niemand spricht mehr von seinem „Botschafter-Auftrag“, den sie ihm verfassungswidrig zuteilte. Aus Regierungskreisen hört man, daß auch seine Berufung auf einen der höchsten Posten der Sicherheitsbehörden, zum Generalkommissar der Polizei, rückgängig gemacht werden soll. Damit würde er wieder der Polizei-Unteroffizier sein, als der er in die Wachmannschaft Peröns eintrat. Während so eine der umstrittensten Persönlichkeiten der politischen Bühne Argentiniens aus Buenos Aires nach Madrid — wie man sagt

— „geflohen“ ist, rüstet sich ein anderes ähnliches „Stehaufmännchen“ zu der umgekehrten Reise.

Jorge Antonio war Krankenpfleger in der urugayischen Stadt Colonia, als er Perön durch seine Schläue auffiel. Während Peröns erster Regierungszeit — 1945 bis 1955

— spielte dieser ihm Schlüsselstellungen bei der Industrialisierung des Landes zu. Vor allem die deutschen Firmen, die nach dem Krieg wieder in Argentinien aufsteigen wollten, kauften sich die Huld Peröns, indem sie Jorge Antonio zum Präsidenten ihrer Aktiengesellschaften machten. Innerhalb weniger Jahre war er einer der reichsten Männer des Landes, der einen beispiellosen Luxus trieb und mehrere Rennställe unterhielt. Als Perön 1955 gestürzt wurde, wurde auch Antonios Vermögen jahrelang unter Zwangsverwaltung gestellt. Er selbst wurde verhaftet, entkam aber aus dem Militärgefängnis in Rio Gallegos und flüchtete nach Madrid, wo er viele rechtzeitig herausgeschaffte Millionen mit Perön geteilt haben soll. Da er bis jetzt nicht nach Argentinien kommen konnte, traf er 1968 im „Columbia Palace Hotel“ der uruguayischen Hauptstadt Montevideo mit dem einflußreichen N Gewerkschaftsführer Ongaro und einigen Offizieren in Zivil zusammen, die das Vertrauen des damaligen argentinischen Präsidenten Juan Carlos Ongania genossen. Er wollte im Auftrage Peröns dessen Anhänger unter bestimmten Bedingungen für ein Plebiszit zur Verfügung stellen, das Ongania damals geplant haben soll, zu dem es aber nicht kam. Seitdem hörte man von Antonio, daß ihm der neue Privatsekretär Peröns — Lopez Rega — den Weg zu seinem Geschäftsfreund verbaue. Dessen Sturz scheint ihm nun grünes Licht für die Rückkehr zu geben. Offiziell verlautete kürzlich, daß das argentinische Außenministerium Jorge Antonio wieder einen Paß gegeben habe, da die Strafprozesse wegen Verletzung der Monopolgesetze und wegen seiner Flucht aus dem Gefängnis in Rio Gallegos eingestellt worden seien.

Aber er wäre nicht der abenteuerliche Finanzier, wenn er als normaler Bürger in sein Heimatland zurückkehrte. Er will gleich eine wichtige politische Rolle spielen. So behauptet er, ein Darlehen über 3 Milliarden Dollar, zahlbar in 20 Jahren mit 8,75 Prozent Zinsen bei einem arabischen Konsortium — der „European Finance Trust Organisation“ — mit der Garantie der argentinischen Staatsbank ausgehandelt zu haben, wobei er gleichzeitig bemerkt, daß ihn hohe Offiziere und Vertreter der „Montoneros“ — der linksperonisti-schen Terroristen — in Madrid aufgesucht und zur „Rettung des Vaterlandes“ aufgerufen hätten. Gleichzeitig verhandelt der neue Wirtschaftsminister Dr. Antonio Cafiero in den USA wegen rettender Kredite.

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