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„Mit dem Knüppel“

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Als Peron 1973 wieder die Macht in Argentinien übernahm, setzte er sich zuerst mit seinen linksrevolutionären Parteigängern und ihrem Stoßtrupp, den „Montoneros“ an einen Tisch und vertrat die Ansicht, daß es genüge, ein demokratisches Regime zu schaffen, um der Gewalt ein Ende zu setzen. Wie unrichtig diese Vorstellung war, sieht man aus dem Anwachsen des Terxors,Der argentinische Innenminister Dr. Alberto Rocamora gab bekannt, daß seit dem 25. Mai 1973 — dem Beginn der zweiten peronistischen Ära — über 5000 Terrorakte, unter ihnen fast 400 Morde, gezählt wurden. Entführungen und politische Morde werden dem argentinischen Zeitungsleser jeden Morgen zum Frühstück serviert. Trotzdem erregen die Umstände, unter denen die Brüder Jorge und Juan Born (40 beziehungsweise 41 Jahre alt) freigelassen wurden, berechtigtes Aufsehen. Sie sind die Manager der stärksten multinationalen Firmengruppe in Lateinamerika, Bunge & Born. (Das Konsortium ist in 91 Staaten tätig, der jährliche Gesamtumsatz übersteigt zwei Milliarden Dollar, der Umsatz in Argentinien 350 Millionen.) Sie waren vor neun Monaten von den „Montoneros“ entführt worden, die sie durch einen „revolutionären Gerichtshof“ zu einem Jahr Haft im „Volksgefängnis“ verurteilten“. Sie wurden „begnadigt“, nachdem die hiefür gestellten Bedingungen der „Montoneros“ erfüllt worden waren: Ein Lösegeld von 60 Millionen Dollar, und die Verteilung von Waren an arme Leute — teils durch die Firma, teils durch die „Montoneros“ — im Werte von 36 Millionen Pesos.

Nun ist man zwar an die Zahlung hoher Lösegelder gewöhnt, „Esso“ bezahlte für die Freiheit des nordamerikanischen Managers Victor Samuelsson 14,2 Millionen Dollar an den trotzkistischen „ERP“. Aber zunächst sind die Begleitumstände alarmierend. Der Führer der „Montoneros“, Peröns einstiger Gefolgsmann Mario Firmenich, berief eine „Pressekonferenz im Untergrund“ ein, an der die Repräsentanten einiger großer Zeitungen und Auslandskorrespondenten teilnahmen. Wie durchlöchert muß die — wenigstens im Kampf gegen „Links“ so viel gerühmte — Antiguerilla-Organisation“ sein, wenn sich der Führer der größten Bande mit der Presse treffen kann! Firmenich hob hervor, daß das Lösegeld einem Drittel des argentinischen Militärhaushalts entspreche. Die Zeitung „La Opiniön“ sieht in dieser Feststellung eine Provokation der Streitkräfte, um sie zu einem Eingreifen zu veranlassen, das das erwünschte Chaos steigern würde. Aber weit begründeter ist die Besorgnis, daß die „Montoneros“ den Riesenbetrag für den Kauf modernster Waffen und für Korruption verwenden.

Dieses Bild der Ohnmacht dem Terror gegenüber und der Ordnungs-losigkeit auf allen Seiten wird noch durch die anhaltende Tätigkeit der „Dreifachen A“ („Acciön Anticomu-nista Argentina“) verstärkt. Obwohl der Innenminister erklärte, daß die Regierung den Terror von rechts und links in gleicher Weise bekämpfe, werden täglich weiter die verkohlten und zerschossenen Leichen linker Aktivisten in verlassenen Autos gefunden, ohne daß bisher auch nur ein Mitglied dieser „Todesschwadron“ ermittelt werden konnte. Weiters werden dauernd Politikern,

Journalisten und Künstlern Ultimaten gestellt, nach denen sie das Land binnen 72 Stunden verlassen müssen, da sie sonst „hingerichtet“ würden.

Wie sehr sich ein Beobachter bei dem Kampf zwischen „AAA“ auf der einen, und den „Montoneros“ sowie dem trotzkistischen „ERP“ auf der andern Seite an die alarmierende Situation am Ende der Weimarer-Republik erinnert fühlen muß, zeigt das gleichzeitige Phänomen hemmungsloser Inflation, eines chaotischen Sozialkampfes und des hieraus entstehenden Radau-Antisemitismus. Die peronistische Frauenführerin Norma Kennedy hat in einer öffentlichen Sitzung gegen die freiwillige Schließung zahlreicher Lebensmittelgeschäfte Stellung genommen und den „Händlern der Libertad-Straße und des Stadtteils Once“ (des bonae-renser Judenviertels) gedroht, wenn sie die Preise erhöhten oder Artikel zurückhielten, sie „notfalls mit dem Knüppel herauszuholen“. Tatsächlich sind die Preise nach der Abwertung um 10 Prozent in manchen Fällen bis zu 180 Prozent in die Höhe geschnellt. Die Regierung hat die Preiskontrolle aufgegeben, hievon freilich 28 Produkte (so öl, Reis, Zucker, Milch, Butter, Brot, Käse) ausgenommen. Obwohl der neue Wirtschaftsminister Ing. Celestino Rodrigo einen „Austerity“-Plan proklamiert hat, nachdem die Löhne und Gehälter um nicht mehr als 45 Prozent erhöht werden durften, haben die Gewerkschaften — ohne deren Unterstützung das Perön-Re-gime in einem Vakuum der Macht regieren müßte — gesiegt. Metall- und Textilarbeiter haben Erhöhungen von 130 und 125 Prozent durchgesetzt. Obwohl starke Unterschiede bestehen, kann man von einer durchschnittlichen Lohnsteigerung von 100 Prozent sprechen. Vor dem neuen Schock hatte die jährliche Inflationsspirale in Argentinien schon 80 Prozent erreicht. Jetzt muß man mit mindestens 200 Prozent rechnen.

Der Rücktritt der Regierung dürfte die Lage also noch nicht verbessern. Jetzt liegt alle Entscheidung bei Frau Pei-on. Sie muß entscheiden, ob sie selbst bleibt.

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