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Kampagne gegen Videla-Regime: Was planen die „Montoneros“?

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Die argentinische Regierung hat in Paris ein „Centre Argentine de Diffusion en Europa“ eingerichtet, das mit zwei Beamten, zwei Berufsjournalisten und sechs Sekretärinnen besetzt ist. Der Pariser Berichterstatter der argentinischen Zeitung „La Naciön“, Luis Mario Bello, nennt dieses Pressezentrum „unnütz“ und meint, daß man der „Entgiftung der öffentlichen Meinung in Europa“ besser dienen würde, wenn man den Auslandskorrespondenten in Buenos Aires weitgehend Zutritt zu den Informationsquellen beschaffen würde. Denn die Kampagne gegen die derzeitige argentinische Regierung - ausgelö st vor allem durch die Boykottbewegung gegen die Fußballweltmeisterschaft - ist weiterhin im Steigen begriffen. Die Hauptakteure dieser Kampagne sind in erster Linie in den Reihen argentinischer Emigranten zu suchen, die sich begreiflicherweise bemühen, das verfeindete heimatliche Regime in Mißkredit zu bringen.

Am 12. April lauerten „Montoneros“ dem unbewaffneten und ungeschützten Unterstaatssekretär im Innenministerium, dem „Planungschef' Dr. Miguel Tobias Padilla, vor seiner Wohnung in San Isidro - einem luxuriösen Vorort von Buenos Aires - auf und erschossen ihn. Am selben Tag nahm die Polizei einen Mann fest, der anscheinend einen Kraftwagen stehlen wollte. Er wurde auf das Polizeikommissariat gebracht, wo er einen (echten) Ausweis vorlegte, nach dem er Heeresleutnant erster Klasse und Mitglied des militärischen Geheimdienstes war. Der Polizeikommissar zweifelte. Da ließ der „Offizier“ eine Bombe, die er am Körper getragen hatte, explodieren. Sie tötete ihn und den verhörenden Polizeibeamten. Manfiltani - so sein Name -war „Montonero“ gewesen.

Diese Vorfälle konnten nicht völlig verschwiegen werden. Der Staatssekretär wurde im Ministerium aufgebahrt und unter großer Teilnahme beerdigt. Vom Fall Manfiltani konnte man vor allem in der Auslandspresse lesen.

Die Regierung hält die Nachrichten über die Entführung durch rechtsextremistische Beamte weiterhin zurück, obwohl sie im englisch-sprachigen „Buenos Aires Herald“ zum großen Teil gemeldet werden dürfen. Daß sich aber Untergrundkämpfer schon in jene Spezialtruppen eingeschlichen haben, die zu ihrer Bekämpfung bestimmt sind, verunsichert gleichermaßen die Bevölkerung und das Ausland am Vorabend der WM 78. Die Regierung spielt auf Erfolg, aber kaum jemand glaubt ihr. Sie spricht vom wirtschaftlichen Aufstieg zu einem Zeitpunkt, an dem die Preise in einem Monat (Februar) um 9,5 Prozent gestiegen sind. Sie verspricht Sicherheit just dann, wenn die Guerilla sich neu organisiert hat.

Noch im November drohten die „Montoneros“, ihre Attentate während der Spiele zu verstärken. Aus der Bundesrepublik wurde gemeldet, daß deutsche Terroristen einen Angriff auf

die deutsche Mannschaft planen würden. Die Entführung Moros hat schließlich die Aufmerksamkeit wieder auf die internationale Zusammenarbeit der Terroristen gelenkt. Alle diese Umstände schaffen eine Unruhe, die, derzeit unbegründet oder zumindest übertrieben erscheint.

Anfang April haben Gruppen prominenter „Montoneros“ in Madrid und in Mexiko „Pressekonferenzen“ abgehalten. Ein führender Aktivist der „Montoneros“, Fernando Vaca Narvaja, spielt bei der Boykottpropaganda der argentinischen Emigranten eine beachtliche Rolle. Im November 1977 erklärte er in Rom, daß die Montoneros ihre Attentate während der Weltmeisterschaft verstärken würden. Vor kurzem hat er ähnliche Erklärungen der französischen Wochenschrift „Le Curier de Paul Dehne“ gegenüber abgegeben. Dagegen spricht freilich, daß er an einer „Pressekonferenz“ teilnahm, die der frühere Gouverneur der Provinz Buenos Aires, Oscar Bide-gain, der „Pressesekretär“ Juan Gelman und die peronistische Frauen-führerin Lidia Massaferrro in Madrid abhielten. Diese Aktivisten erklärten wiederum, daß sie Störungsakte wäh: rend der Weltmeisterschaft vermeiden würden, weil sie für das argentinische Volk seien, dessen nationale Leidenschaft dem Fußball gehöre.

Nun ist es gewiß verfehlt, einer Führungsgruppe der „Montoneros“ Befehlsgewalt über die subversiven Kräfte in Argentinien zuzusprechen. Diese (früher peronistische) Organisation ist zwar die stärkste neben der (früher trotzkistischen) „ERP“, aber sie ist weder in ihrer ideologischen Ausrichtung noch in Strategie und Taktik homogen, sondern ständig „Abweichungen“ ausgesetzt. Die Ab-

stinenz-Erklärung bietet also nicht etwa eine absolute Garantie gegen terroristische Störversuche, zumal die Argentinier keine Gewähr für die Tätigkeit subversiver Gruppen aus anderen Ländern übernehmen können.

Paradoxerweise gehen die Organisatoren der Weltmeisterschaft und die Terroristen von der gleichen, aber irrigen Perspektive aus: Der jetzige Präsident der für die Weltmeisterschaft geschaffenen Spezialbehörde „Ente Au-tarquico Mondial 78“, Brigadegeneral a. D. Antonio Luis Merlo, rechtfertigte die bis auf 700 Millionen Dollar geschätzten direkten und indirekten Aufwendungen damit, daß Zehntausende das „richtige Bild“ von Argentinien aufnehmen und in der Welt verbreiten würden. Gleichzeitig erklärten „Montoneros“, daß die Besucher das „authentische Bild von der Not des argentinischen Volkes“ bekommen würden, wobei sie abwechselnd von 5000 und 15.000 Verschwundenen sowie 10.000 und 20.000 politischen Gefangenen sprachen.

Nun wird der Besucher der Weltmeisterschaft zwar Schwierigkeiten haben, in Buenos Aires ein Quartier zu finden und aus der Provinz rechtzeitig zum Finale in die Hauptstadt zu kommen, aber es wird außer der erdrük-kenden Großstadt mit ihrem schlechten Pflaster, mangelhaft funktionierenden Telefonen und sonstigen infrastrukturellen Mängeln wahrscheinlich weder etwas von Attentaten noch von politischen Gefangenen wahrnehmen können. Die Vorstellung der Organisatoren und ihrer Feinde, das Image Argentiniens in ihrem Licht zu verbreiten, wird demnach jämmerlich Schiffbruch erleiden.

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