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Das Spiel zwischen Madrid und London

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Die Dinge aber waren nun einmal ins Rollen gebracht, und weit davon entfernt, zu warten, bis die Demokratien das Gespräch mit Spanien begönnen, meldete dieses in der Zeitung „Arriba“, . dem führenden Blatt der Falange, vierzehn Tage später seine Ansprüc he auf Gibraltar wieder an, was eine neue unangenehme Überraschung, diesmal für die Engländer, war. Franco selbst billigte die Manifestationen der studentischen Jugend, die sich in den Straßen Madrids abgespielt hatten, wenngleich seine gemäßigten Worte wohltuend die Wogen der im übrigen nicht ganz spontanen pa' iiotischen Erregung glätteten. Aber soeben wieder, am selben Tag, da aus London die Notiz kommt, daß Sir John Balfour voraussichtlich im März nach Madrid kommi, bringt „Arriba“ einen neuen Leitartikel mit dem Titel „Das Feuer der Herzen erlischt nicht“, in dem es den Engländern die Schuld an der Verwilderung der Sitten und dem Zerfall der christlichen Moral im spanischen Hinterland Gibraltars die Schuld gibt — die gern geübte Taktik der falangisti-schen Politiker, an den katholischen Eifer der Spanier zu appellieren, wenn sie argwöhnen, daß das patriotische Feuer allein nicht verzehrend genug ist...

Spanien hat übrigens den bisherigen Geschäftsträger in London, den Herzog von SanLücar, der, Angehöriger eines alten Adelsgeschlechts, in England große Sympathien besaß, abberufen und den Herzog Miguel Primo de Rivera, den Bruder des von einem republikanischen Tribunal zum Tode verurteilten und n Aiicante erschossenen Gründers der Falange, Jose Antonio Primo de Rivera, dessen Familie später den Herzogstitel von Franco verliehen erhielt, zum Repräsentanten Spaniens bei der Labourregierung ernannt. Ihr Regierungschef, Mister Attlee, hatte bekanntlich während des Bürgerkrieges Spanien besucht und, wie die spanische Presse es zu nennen pflegt, „sich mit den Roten in Madrid verbrüdert“.

England seinerseits hat in Sir Balfour einen Diplomaten für Madrid ausgesucht, der im Verkehr mit totalitären Regimen langjährige Erfahrungen gesammelt hat. Er war nämlich Gesandter Englands in Buenos Aires. Seine Amtszeit war recht bewegt. In ie fielen die Expeditionen der argentinischen Flotte nach den Isias Mal-v i n a s, wie der spanische Name für die Falklandinseln lautet, und nach den Süd-Orkney-Inseln in der Antarktis, auf denen Großbritannien von Argentinien bestritten Hoheitsrechte ausübt. In sie fielen auch die Nationalisierung der bis dahin britischen Gesellschaften gehörenden argentinischen Eisenbahnen und eine Anzahl von Komplotten gegen Perön, deren Teilnehmer angeblich .sehr rege Beziehungen zu .gewissen' ausländischen Stellen unterhalten hatten“.

Den Anlaß der Wiederherstellung nor-malep diplomatischer Beziehungen zwischen Madrid und London haben somit unglücklicherweise beide Seiten dazu benützt, einander mit beachtlicher Offenheit ihre gegenseitige Antipathie kundzutun — gerade kein gutes Omen für die weitere Entwicklung dieser Beziehungen. Großbritannien hatte sich, wie erinnerlich, bei der UN-Abstimmung am 4. November über die spanische Frage der Stimme enthalten, was die spanische Presse natürlich zu erbitterten Kommentaren veranlaßte. Das Bild Mr. Atlees erschien in den Zeitungen, wie er mit dem bekannten Parteigruß, der geballten Faust, in Madrid einen Vorbeimarsch der kommunistischen internationalen Brigaden grüßt. In England unterstrich dagegen kürzlich Mr. Ernest Davies, Unterstaatssekretär im Foreign Office, daß die Einstellung der Labourregierung zur Regierung Francos unverändert geblieben sei. Und sich auf die Tatsache beziehend, daß in zahlreichen Kanzleien schon über den baldigen Einschluß Spaniens in den Atlantikpakt gesprochen wird fügte er hinzu, der Umstand, daß Spanien zweifelsfrei ein antikommuni-slisches Land sei, sei keine ausreichende Begründung dafür, daß es zu einem Pakt zugelassen werde, der eine Allianz demokratischer Völker sei, mit dem Zwecke, die demokratische Lebensart zu verteidigen. In Anbetracht der britischen Haltung nahm daraufhin Franco dem Vertreter der Hearst-Presse, Kurt von Wie-gand, gegenüber die Pose ein, Spanien zöge ein direktes Einverständnis mit Nordamerika dem Eintritt in den Atlantikpakt vor.

Auch Mr. Stanton Griffis kommt aus Buenos Aires, während der spanische Gesandte in Nordamerika der aus Bilbao gebürtige ehemalige Außenminister Doktor Lequerica ist, der sich in den vergangenen Jahren als außerordentlich wendiger und geschickter Geschäftsträger Spaniens in Washington erwies, dessen kluge Diplomatie den Sieg der spanienfreundlichen Elemente im amerikanischen Senat und Abgeordnetenhaus und bei den Vereinten Nationen in Lake Success wesentlich erleichtert hatte. Mr. Griffis hingegen kommt zwar „mit Botschaften herzlicher Freundschaft“, wie er bei seiner Landung in Cadiz strahlend verkündete, aber Madrid ist es nicht entgangen, daß er vor einigen Monaten eine Reise in den Nahen Osten unternommen hatte und dabei in Kairo mit den Mitgliedern der Arabischen Liga konferierte. Das Resultat dieser Gespräche war der Abbruch der arabisch-spanischen Verhandlungen über die von Spanien angeregte Bildung eines Mittelmeerpaktes. Wenn man das diplomatische Kräftespiel um Spanien zwischen November und heute betrachtet, so drängt sich der Eindruck auf, daß die USA vor allem Wert darauf gelegt haben, jede eigene Initiative Spaniens in der internationalen Politik kurz abzuschneiden und es nun. ähnlich wie Jugoslawien, unter Druck zusetzen.

Die kommende Entwicklung bietet sich unter sehr interessanten Aspekten dar. Lang schon war es anzunehmen, daß der diplomatische Boykott der Vereinten Nationen zu nichts führen würde, daß ein direktes Gespräch viel eher die Möglichkeit positiver Resultate in sich schlösse. Spanien und selbst seine verpönte Regierung brauchen dieses Gespräch nicht zu fürchten, denn obwohl General Eisen-hower auf seinem All-round-trip durch Europa nicht in Madrid abgestiegen ist, brauchen die Vereinigten Staaten Spanien mehr als irgendeinen anderen Staat des europäischen Festlandes. Diesem Umstand werden sich auch die übrigens nicht mehr sehr zahlreichen Gegner des Madrider Regimes unter den amerikanischen Politikern auf lange Dauer nicht verschließen können.

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