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Scharnierland Spanien

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Als „Höflichkeitsbesuche und Gesten guter Nachbarschaft“ bezeichnen Sprecher1 de Madrider französischen Botschaft den Aufenthalt Pariser Re-giernngs'mitgliedeV und Militärs in der spanischen Hauptstadt, so auch den am 6. Februar beendeten Besuch des französischen Generalstabschefs Aille-ret und seiner Suite. Die Häufung der Reisen französischer Offizieller hierher sei zufällig, außerdem haben Finanzminister Giscard d'Estaing und Außenminister Couve de Murville ihre Fahrten auf unbestimmte Zeit verschoben, wozu kein Kommentar gegeben wird. In spanischen Kreisen meint man, diese Programmänderung sei mit Rücksicht auf den ungünstigen Eindruck der französisch-spanischen Begegnungen auf die Amerikaner erfolgt. Amerikanische Stellen hingegen sagen, den Franzosen sei angesichts der Übertreibungen der hiesigen Presse, die Madrid als den Nabel der Welt hinstellte, ein Besuch beider Minister jetzt inopportum erschienen.

Zuviel Propagandalärm

Freilich hielten auch die französischen Zeitungen nicht mit Spekulationen zurück: Da war von einer französisch-spanischen Atomstation im Sahara-Anteil Spaniens und von Madrider Uranlieferungen die Rede, was aber bald dementiert werden mußte. Mehr Konsistenz dürften die Behauptungen haben, Ailleret seien hier Sondervergünstigungen für die Zwischenlandung französischer Flugzeuge auf denjRBnarischen Inseln gewährt worden, ferner habe man sich über gemeinsame ■ Truppenübungen, Offiziersaustausch und vielleicht auch französische Waffenlieferungen für die spanische Armee geeinigt. Jedenfalls hat man hier den Eindruck, die Besprechungen seien „delikat und nicht leicht“ gewesen.

In Madrid begnügte man sich zumeist damit, die Pariser und andere ausländische Meinungen wiederzugeben, versah sie freilich mit marktschreierischen Überschriften, die den geschilderten Effekt hatten. Man vergaß auch nicht den Moskauer Kommentar, der mit Bezug auf den Besuch des spanischen Industrieministers und einer Madrider Flottenkommission in London behauptete, daß „die sogenannten Demokratien um Francos Gunst Schlange stehen“.

Doch abgesehen von diesem im Ausland überbewerteten Propagandaspiel spanischer Blätter, hielt man sich hier mit eigenen Stellungnahmen zurück. Was Madrid wirklich will, kann man nur mühsam aus einigen Andeutungen ableiten.

So schrieb kürzlich Martin Artajo, Außenminister von 1945 bis 1957, daß Spanien ein „Scharnier-Land“ sei, dessen Aufgabe darin bestehe, Europa mit Afrika, Mittelost und Nord- wie Südamerika zu verbinden. Das Gleiche dürfte folgende Äußerung eines Sprechers des Madrider Außenamtes be-

S|arkung ,der atlantischen,- . .Gemeinschaft“. Darum distanzierte sich das Außenministerium von einem angeblich von Artajo inspirierten Zeitungsartikel, der den Beitritt Spaniens zum deutsch-französischen Abkommen, wenn auch unter Sonderbedingungen, anregte. Die Freude einiger Falangi-sten über die Krise im „Europa der Bankiers“ (EWG) und die exaltierte Lobpreisung der Verständigung zwischen Paris und Bonn werden von der Madrider Diplomatie vollends verurteilt. Spanien will also „ein Haus mit vier Fronten“ sein, dessen Fenster nach allen Richtungen der nichtkommunistischen Welt geöffnet sind.

Knarrt das Scharnier?

Diese Tendenz ist tatsächlich eine Konstante der spanischen Politik.

Auf dieser außenpolitischen Linie liegt, daß spanische Militärs und ein Minister sich gerade in London aufhielten, während hier die Verhandlungen mit Ailleret stattfanden; daß ein Routinebesuch portugiesicher Offiziere in Madrid überbetont und die spanisch-marokkanische Freundschaft anläßlich des Eintreffens des neuen Madrider Botschafters in Rabat besonders herausgestrichen wurde. Fazit: Niemand in Madrid spricht noch von einer Achse mit Paris oder gar dem Dreibund unter Einfügung Bonns. Grundlage der spanischen Außenpolitik bleibt vielmehr das Abkommen mit Amerika, das freilich zugunsten Spaniens verbessert werden soll. Zu diesem Zweck erwartet man in Madrid das Eintreffen des amerikanischen Unterstaatssekretärs für Verteidigung, Gilpatric, am 14. Februar, doch herrscht erhebliche Unklarheit über diesen Besuch. Es heißt, daß Franco zu diesem Zeitpunkt von Madrid abwesend und selbst einige Minister „unabkömmlich“ sein würden. Angeblich sei man hier verstimmt, daß Amerika nur einen Unterstaatssekretär entsendet, wo doch Spanien hofft, Ke-nedy selbst zu einem Abstecher hierher zu bewegen. Angesichts der kühlen Madrider Stimmung sei Gilpatric, der bereits seine Reise antrat und sich in Tokio befand, nach Washington zurückgekehrt, um neue Instruktionen zu empfangen. Das spanische Universalscharnier scheint wieder etwas zu knarren.

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