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Die Flitterwochen sind vorbei

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Mit leeren Händen kehrte Madrids Außenminister Fernando Maria Castiella von seinen zehntägigen Verhandlungen mit seinem amerikanischen Kollegen Dean Rusk aus Washington zurück. Keine einzige der hochgesteckten spanischen Forderungen für die Benutzung der vier amerikanischen Stützpunkte auf spanischem Boden wurde vom amerikanischen Bündnispartner erfüllt. Die spanische Diplomatie, die in Washington schon so manchen Sieg ausgefochten hat, mußte zum erstenmal seit Bestehen des spanisch- amerikanischen Freundschaftsverhältnisses, das seit der Unterzeichnung des Stützpunktabkommens von 1953 datiert, eine eindeutige Niederlage einstecken.

Angesichts dieser für Spaniens Außen- und Wirtschaftspolitik betrüblichen Erfahrung entschloß sich Madrid in seinem letzten Ministerrat, die fiir weitere fünf Jahre vorgesehene automatische Verlängerung des Stützpunktabkommens auszuschalten und die vertragsmäßig festgesetzte sechsmonatige Beratungszeit zu beantragen. Dies bedeutet, daß, wenn die beiden Bündnispartner bis zum 26. März 1969 keine Einigung erreicht haben, die USA innerhalb eines Jahres ihre Stützpunkte sowie Alarm- und Überwachungsanlagen in Spanien, die aus spanischer Sicht noch immer von vitaler Bedeutung für das westliche Verteidigungs- konzept sind, abbrechen müssen.

Madrid ist gefährdet

Von den derzeit vier amerikanischen Stützpunkten in Spanien besitzt die Polaris-Basis Rota bei Cädiz zweifellos den größten strategischen Wert, da sie eine der drei amerikanischen Atom-U-Boot-Kriegshäfen ist, die die USA außerhalb ihre eigenen Territoriums besitzen, und außerdem Torhüter des Mittelmee- res ist Torrejon bei Madrid, der größte amerikanische Flugstützpunkt in Spanien, der gleichzeitig Hauptquartier der 16. amerikanischen Luftflotte ist, verfügt über Europas längste Landebahn und wird von den amerikanischen NATO-Einhei- ten als Ausgangspunkt für ihre Flüge im Mittelmeer benutzt.

Nach Madrider Lesart besitzt der Luftwaffenstützpunkt Moron bei Sevilla ebenfalls große strategische Bedeutung, da von ihm die Tankflugzeuge für die amerikanische Mittelmeerflotte aufsteigen. Saragossa schließlich ist seit Jahren stillgelegt und verfügt nur über das unerläßliche Wartungspersonal.

Für die Benutzung dieses Verteidigungskomplexes, der nach spanischer Auffassung durch die sowjetische Aggression der Tschechoslowakei und die vermehrte Gegenwart russischer Flotteneinheiten im Mittelmeer ein ungleich höheres Risiko darstellt als noch vor fünf Jahren, setzte es einen beweglichen Preis fest, der neben der Revision der Anzahl und Lage der US- Stützpunkte eine Erhöhung der Militärhilfe — vor allem „Hawk“- Raketen und „Fhantom“-Fighter — eine Revision der zur Stabilisierung des Dollars verhängten amerikanischen Austeritätsmaßnahmen gegenüber Spanien umfaßt, das, seit Inkrafttreten des Johnsonschen Sparprogramms ungerechterweise unter die industriell vollentwickelten Länder eingestuft wurde.

Wie weiland der Fuchs ln der Fabel fand Washington, daß die spanischen Trauben, well zu hoch, zu sauer sind. Denn, so rechnet man in Madrids US-MIHtärkreisen aus, die in fünf Jahren an Spanien zu leistende Militärhiilfe würde zwischen 600 und 700 Millionen Dollar schwanken. Und diesen Preis können die USA derzeit nicht zahlen, da das Auslandshilfebudget, das der Kongreß genehmigt bat und das auch noch über die Johnson-Ära hinausreicht, derart exorbitante Verteidigungsausgaben nicht vorsieht. Die in Spanien geäußerte Hoffnung, daß die kommende Equipe dies Weißen Hauses, die im Jänner einzieht, sich am spanisch-amerikanischen Verhandlungstisch großzügiger zeigen wird, entbehrt somit der Grundlage. Selbst wenn durch ein vorzeitiges Ende des Vietnamkriegs und der dadurch zu erwartenden freiwerdenden strategischen und ökonomischen Mittel Amerikas Verteidigungshaushalt entlastet würde, wären die drei Monate — von Jänner bis März —, in denen die Stützpunktverhandlungen abgeschlossen werden müssen, zu kurz bemessen, um das spanisch-amerikanische Bündnisverhältnis auf eine neue Basis zu stellen.

Selbstverständlich können diese Erwägungen der Madrider Regierung nicht entgangen sein. Offiziöse amerikanische Kreise in Madrid fragen sich daher, ob Spanien nicht absichtlich die langen Flitterwochen mit dem amerikanischen Partner abgebrochen hat, um seinen eigenen außenpolitischen Weg zu gehen oder ob es seine verteidigungstechnische Zukunft an de Gaulle und ein Vereintes Europa anlehnen will.

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