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Zweimal Grün-Weiß-Rot

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Die Flagge Irans hat die Farben Grün-Weiß- Rot, gleich der italienischen Trikolore; beide sind auf einer Briefmarke zu sehen, welche die persische Regierung anläßlich des Staatsbesuches des Präsidenten Giovanni G r o n c h i in Teheran drucken ließ und die neben dem Kopf des Schah Reza Pahlevi den des italienischen Staatsoberhauptes zeigt. Der Gemeinderat von Teheran hat die Umbenennung einer Verkehrsader in „Gronchistraße” und einer anderen in „Romstraße” dekretiert, während der römische Senat einen „Largo Teheran” angekündigt hat. Solche gegenseitige Freundlichkeiten sind bezeichnend für die Atmosphäre des Staatsbesuches und ein Ausdruck der Herzlichkeit in den Beziehungen der beiden Länder. Eine Freundschaft jüngsten Datums, doch deswegen nicht weniger aufrichtig gemeint. Bei dem Wind, der derzeit im Mittleren Orient weht — auch in dem durch den Bagdadpakt fest mit dem Westen verbundenen Iran —, ist diese Annäherung ebenso außerordentlich wie erfreulich. Präsident Eisen- hower selbst, wenn er jemals eine Reise nach dem „Reiche des silbernen Löwen” antreten sollte, könnte sich keinen festlicheren Empfang erwarten.

Es wäre vielleicht zu viel behauptet, wenn man die neue Freundschaft bereits auf das Erfolgskonto der „Gronchi-Doktrin” des dritten freien Wettbewerb Bahn zu brechen, der für das Land nur von Vorteil sein kann. Iran hat alle Ursache, Italien dankbar zu sein und die Porträts Gronchis und des Schahs auf eine Briefmarke zu bringen.

Auf der anderen Seite sind die Befürchtungen der „sieben Schwestern”, die italienische Initiative könne tiefgreifende Wirkungen in der gesamten Erdölwirtschaft auslösen, nicht unbegründet. Der Wirtschaftsminister des Irak, Na- dim Al Pachachi, der eben an der Spitze einer Delegation in Rom eingetroffen ist, erklärte vor seiner Abreise aus Bagdad, er wolle den Vertrag E. N. L—N. I. O. C. genau studieren. Er ließ durchblicken, daß er sich von den in seinem Lande arbeitenden Gesellschaften ähnliche Bedingungen und eine Revision des Abkommens vom Jahre 1952 erwarte, das noch auf der Formel des „halb und halb” basiert.

Während Gronchi in Teheran weilte, mehrten sich in Rom die Besuche orientalischer Persönlichkeiten. König Ibn Saud traf mit seinem zahlreichen Gefolge ein und hatte ein längeres Gespräch mit dem Staatssekretär im Außenministerium, Folchi, einem der nächsten Mitarbeiter Gronchis; Nadim AI Pachachi suchte die italienische Mitwirkung an dem Fünfjahrplan Iraks; der ägyptische Industrieminister sucht die Fiat für die Errichtung eines Montagewerkes ihrer Automobile zu gewinnen; tunesische und marokkanische Wirtschaftsexperten gingen in den italienischen Fachministerien aus und ein. Die Häufung dieser Besuche mag zufällig sein, aber sie zeigen an, daß man Italiens Hilfe ohne Argwohn in Anspruch nehmen will.

Seit dem Sturz der Regierung Segni und dem damit verbundenen Wechsel im Außenministerium haben die Ideen Gronchis zur Mittelmeerpolitik greifbarere Gestalt angenommen. Während Außenminister Gaetano Martino, Liberaler, den Kurs eines orthodoxen Atlan- tismus und einer strengen europäistischen Politik hielt, keine Abweichungen duldete und verschiedene Gelegenheiten zur politischen und wirtschaftlichen Expansion nicht wahrnehmen wollte, die sich Italien vermöge seiner geographischen Lage und Wirtschaftskraft geboten hätten, hat sich sein Nachfolger, Giuseppe Pella, Christlicher Demokrat, für die Auffassungen des Staatsoberhauptes viel empfänglicher gezeigt, um so mehr, als diese weitgehend vom Parteisekretär Amintore F a n f a n i geteilt werden. Gronchi ist der Ansicht, daß man der Sowjetunion nicht die große Karte der nationalen Unabhängigkeitsbestrebungen unter den arabischen und asiatischen Ländern durch ein starres Festhalten an einer bereits überlebten Feudalordnung überlassen dürfe. Im Gegenteil, man müsse diese Länder auf ihrem Wege zur nationalen, wirtschaftlichen und sozialen Unabhängigkeit unterstützen. Schon deshalb, weil die Entwicklung, seiner Meinung nach, unaufhaltsam ist. Dies könne durch eine enge Zusammenarbeit mit jenen Ländern erreicht werden. Italien, eine Mittelmeermacht, der keine kolonialen oder imperialistischen Interessen nachgesagt werden können, erscheint Gronchi in erster Linie berufen zu sein, eine „Versöhnung” anzubahnen. „Ich wage zu hoffen, daß meine nächsten Reisen nach Iran, in die Türkei, nach Libanon in dieser Hinsicht nicht ohne Erfolg sein werden”, hat Gronchi in einem Interview erklärt. Die Erwähnung Syriens, zu einem Zeitpunkt, da dort bereits die Krise ausgebrochen war, ist dann in einem Dementi ausgeklammert worden. Immerhin konnte auch der syrische Staatspräsident K u w a 11 i nach seinem sommerlichen Besuch in Rom sagen: „Wir haben jetzt einen großen Freund in Europa, den Präsidenten Gronchi.”

Der italienische Staatschef hat aber auch zu verstehen gegeben, daß Italien seine besonderen Interessen im Mittelmeer wahrnehmen will. „Wir müssen uns von einigen Komplexen befreien, vor allem von dem, daß wir anderswo Mißfallen erregen könnten.” Außenminister Pella bemerkte, „die Wege der NATO sind vielfältig”, und Staatssekretär Folchi erklärte sich für eine „elastischere Vision des Atlantikpaktes”. Solche Einflechtungen haben in der westlichen Diplomatie Unruhe hervorgerufen, da sie befürchten lassen konnten, Italien wolle seine besonderen Interessen auch auf Kosten der Solidarität der Bündnispartner vertreten. Auch in Italien ist die Gronchi- Doktrin nicht ohne Widerspruch geblieben. Der ehemalige Verteidigungsminister, der Republikaner Randolfo P a c c i a r d i, hat sie zur Zielscheibe seiner ätzenden Polemik gemacht und die Liberale Partei hat eine eingehende Diskussion der italienischen Außenpolitik vor dem Parlament verlangt, weil sie „alarmierende Anzeichen für eine Erneuerungslust” sehe, seit ihr Minister Martino das Steuerruder im Palazzo Chigi verlassen hat.

Weges. —’¿ef Vefsöhnung zwischen dem Westen und der islamitischen Welt durch eine loyale Zusammenarbeit, nicht durch Waffengewalt erzwungen oder durch Geschenke erkauft — buchen wollte; realistischer betrachtet, müßte ihr Beginn in jenem Vertrag gesehen werden, den der Präsident des italienischen staatlichen Erdöl-Holdings E. N. L, Enrico M a 11 e i, vor Monaten mit der nationalen iranischen Petroleumgesellschaft N. I. O. C. abgeschlossen hat. Ein Konzessionsvertrag, der viel Staub aufwirbelte, die „sieben Schwestern” — die mächtigen Teilhabergesellschaften des internationalen Erdölkartells — verstimmte und in Schrecken versetzte und sogar die westlichen Regierungen zumindest zeitweise beunruhigte. Erdöl ist ein besonderer Saft geworden, der nicht notwendigerweise zu Zwiespalt führen muß, sondern zwei Nationen auch näherbringen kann. Der Verbindung zwischen E. N. I. und N. I. O. C. ist eine gemischt italienisch-persische Gesellschaft, die S. L R. I. P., entsprungen, und sie darf als Kind der Gronchi-Doktrin angesehen werden.

Das Besondere an dem Vertrag ist die Tatsache, daß es zum erstenmal zu einer direkten Zusammenarbeit zwischen einem ölproduzierenden Mittelostland und einer westlichen Petroleumgesellschaft gekommen ist, daß die Gewinnteilung die bisher übliche Formel des „fifty- fifty” aufgibt und die Ausbildung einheimischen technischen Personals als Klausel aufgenommen wurde — alles Dinge, die die großen Kompanien bisher abgelehnt haben. Die Opportunität, eine politische Reise mit Erdölinteressen zu verquicken, ist in Italien selbst verschiedentlich kritisiert worden, doch hat sich der Zusammenhang von selbst ergeben, ist es doch nicht leicht, ja unmöglich, politische und wirtschaftliche Dinge streng auseinanderzuhalten. „Die Vertragsklauseln sind ein Dokument, dessen Bedeutung in den kommenden Jahren immer stärker als Ausgangspunkt einer immer engeren Zusammenarbeit auf ( den verschiedensten Gebieten zutage treten wird”, hat Gronchi in Teheran erklärt. Das Bestreben Italiens, sich im Nahen Osten und im Mittleren Orient wirtschaftliche Positionen zu erringen, ist durchaus legitim, besonders was die Erdölversorgung anlangt, da es mit seinem Jahresverbrauch von 13 Millionen Tonnen fast zur Gänze vom Ausland abhängt. Und ebenso legitim ist das Bestreben Irans, sich des italienischen Keiles zu bedienen, um in die granitene Mauer des Kartells eine Bresche zu schlagen und damit einem

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