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Ein Außenseiter ließ sich bekehren

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„Eine gute Nachricht. Eine weitere europäische Nation fügt sich in das Verteidigungssystem des Kontinents ein.“ Mit diesen Worten charakterisierte der spanische Gesandte in Washington, Don Jose Felix de Lequerica, das am 26. September in Madrid unterzeichnete dreifache Vertragswerk des „Verteidigungsund gegenseitigen Beistandsabkommens“ zwischen der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika und dem Königreich Spanien. Das Vertragswerk enthält drei Abkommen: das wirtschaftliche Hilfsabkommen,' das Vefteidigungsabkommen und das gegenseitige Beistandsäbkommen.

Wer in diesen Jahren seit Ende des Weltkrieges die spanische Politik in ihren Erfolgen und Fehlschlägen, in ihrem Zaudern, mit ihren Widersprüchen und Halbheiten aus der Nähe verfolgt hat, für den stellt der Inhalt dieses Abkommens eine der größten Üeber-raschungen dar. Bedeutet es doch, daß Spanien in einen Grad politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit gerät, die mit dem sprichwörtlichen Nationalstolz seiner Bewohner schwer vereinbar scheint. Aber Spanien hat längst begriffen, daß die Zeit gekommen ist, die ersten Verzichte zugunsten einer hoffentlich immer realere Gestalt annehmenden übernationalen Staateneinheit zu leisten. Die „Stunde, in der es notwendig sein wird, tatkräftig zu handeln, schöpferisch zu wirken und zurückzukehren in eine stürmische Welt, in deren Mitte kein Volk sich den Luxus erlauben kann, allein zu bleiben“, die Serrano Sufier zum Jahresbeginn 1949 seinen in „Ab-gespanntheit, kollektiver Verständnislosigkeit und träger Langeweile“ mäßig interessiert aufhorchenden Landsleuten als unausweich-bar vorausgesagt hat, ist also angebrochen.

Ein erster Blick auf die Vertragstexte läßt Spanien zunächst, gleich den anderen Empfängernationen amerikanischer Hilfen, als begünstigten Nutznießer einer Reihe von massiven Hilfsmaßnahmen erscheinen, die dazu angetan sind, das innere und äußere Gesicht des Landes von Grund auf zu verändern. Die essentielle Gegenleistung Spaniens bleibt dagegen einer noch ungewissen Zukunft vorbehalten ...

Spanien kommt zunächst in den Genuß der 226 Millionen Dollar, die ihm im amerikanischen Mutual Security Act in den Jahren 1951, 1952 und 1953 zuerkannt wurden. Von dieser Summe sind 141 Millionen Dollar für militärische Ausgaben bestimmt, 85 Millionen Dollar bilden den Beitrag zur wirtschaftlichen Untermauerung der militärischen Zusammenarbeit. Darüber hinaus verpflichten sich die Vereinigten Staaten, Spanien mehrere Jahre hindurch Material zu liefern, vor allem zum Aufbau seiner Luftwaffe, zur Reorganisation der Kriegsmarine und Küstenverteidigungen und zur Modernisierung der Ausrüstung der Landstreitkräfte; zur Zusammenarbeit mit der spanischen Industrie, damit diese ihrerseits in die Lage versetzt werde, wirksam an dem militärischen Reorganisationsplan mitzuarbeiten. Die Vereinigten Staaten übernehmen es, die ihnen über-lassenen Stützpunkte und Installationen auszurüsten, auszubauen und instand zu halten. Notwendige Folge der Uebernahme der Stützpunkte ist — wie United Press richtig unterstreicht — die Modernisierung des spanischen Verkehrsnetzes und Nachrichtenwesens, in erster Linie der Verbindungen zwischen den einzelnen amerikanischen Stützpunkten innerhalb Spaniens und dann der Verbindungen nach Mitteleuropa und Nordafrika. Dieses nicht ausdrücklich im Abkommen genannte Erfordernis dürfte sich mit der Zeit als wahrer „traga-monedas“, als Geldschlucker für die amerikanischen Investitionen herausstellen, da sowohl die Eisenbahnen und ihre Materialparks, als auch die spanischen Straßen, trotz aller Verbesserungsmaßnahmen in den letzten Jahren, immer noch in einem Zustand sind, der sie aufs nachteiligste vom mitteleuropäischen Durchschnitt unterscheidet.

Wenngleich die amerikanischen Hilfsmaßnahmen zugunsten Spaniens ausdrücklich den Konzessionen unterworfen bleiben, die der Kongreß in Zukunft beschließen mag, ist es jedoch klar ersichtlich, daß er in den nächsten Jahren ungemein hohe Beträge für Spanien wird abzweigen müssen, um die Akkon-ditionierung der Stützpunkte, der spanischen Hilfsindustrien und des Verkehrswesens in der gebotenen Kontinuität und Wirksamkeit zu sichern.

Von besonderem Interesse für die spanische Wirtschaft, für die ausländischen Handelspartner und für das spanische Volk sind die Paragraphen, welche die spanische Regierung verpflichten, „die Währung des Landes zu stabilisieren, eine interne Stabilität zu schaffen und aufrechtzuerhalten und, ganz allgemein, das Vertrauen in die Währung wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten“.

Das bedeutet die endliche Liberalisierung des spanischen Wirtschaftssystems und des Handels, und für das Volk die Hoffnung, daß die seit Jahren progressiv fortschleichende Inflation zum Stillstand kommt. Das würde der sehr weit gediehenen Demoralisierung der spanischen Werktätigen ein Ende setzen können. Es wäre zu wünschen, daß diese Bestrebungen schnellstens Wirklichkeit werden.

Die Regierung der Vereinigten Staaten hat auch einen gewichtigen Beitrag zugunsten der Pressefreiheit geleistet, indem sie in einem besonderen Artikel fordert, daß das spanische Volk ständig über den Zweck und die Fortschritte des amerikanischen Hilfsprogramms auf dem laufenden gehalten werde. Die spanische Regierung habe eine „vollständige Informationsfreiheit“ auf diesen Gebieten Zu gewährleisten, und wenn diese Forderung auch hauptsächlich auf eine großangelegte Propaganda durch die Vereinigten Staaten hinzielt, so ist das doch ein sehr großer Fortschritt, denn die spanische Informationspraxis lief lange Jahre hindurch darauf hinaus, im Volke einen gewissen Grad von Desinformation aufrechtzuerhalten.

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