6535645-1946_14_06.jpg
Digital In Arbeit

Brief aus Spanien

19451960198020002020

Von einem gegen wärtig in Barcelona lebenden Österreicher geht der „Furche“ folgender Brief zu:

19451960198020002020

Von einem gegen wärtig in Barcelona lebenden Österreicher geht der „Furche“ folgender Brief zu:

Werbung
Werbung
Werbung

Auf alle größeren Städte Spaniens verteilt, trifft man auf der Iberischen Halbinsel neben als Flüchtlinge lebenden Österreichern, die auf ihre Heimreise warten, auch seit längerer Zeit t ansässige. Da zwischen Spanien und Österreich noch keine diplomatischen Beziehungen aufgenommen werden konnten, werden sie hier amtlich immer noch als Reichsdeutsche geführt, wozu noch der Umstand beiträgt, daß sie keine andern Legitimationen besitzen als deutsche Pässe. Würde das spanische Volk nicht immer wieder im großen und kleinen seine Zuneigung für Österreich beweisen, so würden durch diese Lage noch mehr Erschwernisse entstehen, als dieser Zustand mit sich bringen muß. Viele der hitir lebenden Österreicher sind von dem Wunsche beseelt, der Heimat Hilfe zu leisten. Viele befinden sich in guten finanziellen Stellungen und besitzen gute spanische Freunde, die auch bereit wären, an einem Hilfswerke für Österreich teilzunehmen. Welche freundliche Gesinnungen für Österreich hier bestehen, zeigte augenfällig das Reinerträgnis einer einzigen Vorstellung, die eine seit mehreren Jahren in Spanien tätige österreichische Revuetruppe zugunsten österreichischer Kinder gab: neben Materialspenden, die aus Schuhen, Kleidern und Medikamenten bestanden, ergab sich ein Reinertrag von mehr als 24.000 Peseten (12.000 österr. Vorkriegsschilling).

Alle Versuche, Österreich von Spanien aus wirksam zu Hilfe kommen zu können, scheitern jedoch an der Tatsache, daß den

in Spanien lebenden Österreichern nicht erlaubt wurde, sich organisatorisch zusammenzuschließen. Einige Österreicher gebär-deten sich in den vergangenen Jahren als begeisterte Nationalsozialisten; die spanischen Behörden fühlen sich deshalb gegenüber der Bildung eines österreichischen Hilfsvereines zu einer vorsichtigen Haltung veranlaßt, denn man wünscht hier keine nationalsozialistischen Experimente irgendwelcher Art. Es wird gelingen, diese Bedenken, die in unserem Falle unberechtigt sind, zu überwinden. Es könnte von Spanien aus sehr viel für Österreich getan werden, insbesondere für die Beschaffung von Lebensmitteln, die hier nur teilweise rationiert sind, denn Spanien ist für gewisse Erzeugnisse ein reiches Produktionsland. Doch bedarf es hiezu einer offiziellen Zusammenarbeit mit den österreichischen Behörden, die noch fehlt aus Gründen, welche von hier aus nicht beseitigt werden können.

Als „deutsch“ noch immer offiziell geführt, fällt der österreichische Besitz in Spanien noch unter das Blockierungsgesetz, das heißt, das ganze österreichische Eigentum, sowohl Privat- als Geschäftsbesitz unterliegt ebenso gewissen Sperren wie das der Deutschen. Die in Spanien vertretenen alliierten Stellen stehen uns Österreichern und unseren Bestrebungen, unsere Verbindung mit der Heimat herzustellen, zwar freundlich gegenüber, aber auch für sie macht sich der Mangel zwischenstaatlicher Abkommen hemmend geltend. Es wäre deshalb sehr wünschenswert, daß Österreich selbst amtlich die alliierten Behörden auf unsere Lage aufmerksam machen würde, mit dem Ersuchen, uns ihren Schutz angedeihen zu lassen. Es wäre

von größter Bedeutung, daß wir endlich ein österreichisches Ausweispapier erhalten und dadurch wieder in den Vollbesitz unserer wirtschaftlichen Rechte gelangen.

Was die spanische Presse anbelangt, so führt zumal die katholische Presse entschieden für die Belange Österreichs das Wort. Nur fehlt es den Redaktionen an genügendem Informationsmaterial, insbesondere aus amtlichen Quellen. Alle Nachrichten, die über Österreich uns erreichen, sind nur privater Natur und haben fast immer nur die Schilderung der großen Not, welche in unserer Heimat herrscht, zum Gegenstand. So sehr dies verständlich ist und so gern wir, wie schon gesagt, diese Not lindern würden, so sehr wäre es auch erwünscht, wenn wir Nachrichten über das politische Leben Österreichs erlangen könnten. Über den Beitrag zum Beispiel, den Österreich zu seiner Befreiung geleistet hat, ist hier so gut wie gar nichts bekannt. Über das Leben der führenden Persönlichkeiten wissen wir ebenfalls nichts, nicht einmal ein Bild des österreichischen Kanzlers Figl wurde bisher noch hierzulande bekannt. Eine gut geleitete Propaganda für Österreich fiele auf guten Boden, würde auch automatisch unsere Lage erleichtern und uns die Möglichkeit geben, offiziell, sei es über das Rote Kreuz in Genf oder über den Vatikan, an den Hilfswerken für die Heimat teilzunehmen.

Spanien hat seit jeher Vorliebe für die Erzeugnisse der Wiener Mode- und Luxusindustrie gehabt und ist auch heute dafür wieder aufnahmebereit. Übersetzungen sowohl wissenschaftlicher als auch belletristischer Literatur aus Österreich sind hier sehr gefragt und ein großes Absatzgebiet des österreichischen Buchhandels steht hier unserer Heimat offen. Insbesondere ist es aber auch der Wiener Film, der sich in Spanien größter Beliebtheit erfreut, ein Umstand, der das Dritte Reich veranlaßt, lauter alte österreichische. Filme unter dem Titel „Deutsche Produktion“ laufen zu lassen und daraus für ihre Propaganda Kapital zu schlagen. Der neu erstehenden Filmindustrie Österreichs ersteht hier ein idealer Absatzplatz. Alle diese Möglichkeiten müßte eine Propaganda ins Auge fassen, die es sch zum Ziel setzen will, Spanien zu zeigen, daß Österreich neu erstanden und bereit ist, seinen Platz unter den Völkern der Erde wieder einzunehmen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung