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„Die Geschichte kennt keine Geschenke“

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FURCHE: Was ist das Hauptziel der spanischen Außenpolitik unter Ihrer neuen Leitung? BRAVO: Das'Hauptziel der spanischen Außenpolitik ist die völlige Eingliederung Spaniens in Europa. Spanien' strebt seit Ende des 19. Jahrhunderts seine Europäisierung an, doch ist bis zur Machtübernahme durch Franco nicht der geeignete Moment gekommen. Erst die kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung Spaniens, die jetzt europäisches Niveau erreicht hat, macht diesen Schritt möglich. Diese Europäisierung soll in zwei Stufen abgewickelt werden: Zuerst durch die Annäherung an den Nachbarstaat Portugal und anschließend durch die Aufnahme der Beziehungen zu den „Sechs“. Die Geschichte kennt keine Geschenke und wir sind uns darüber im klaren, daß die Eingliederung Spaniens in den Gemeinsamen Markt große Opfer erfordern wird.

FURCHE: Und wie ist das mit Gibraltar?

BRAVO: Für die Wiedererlangung der territorialen Integrität Spaniens ist die Rückgabe Gibraltars durch Großbritannien unerläßlich. Seit dem Verlust der Felsenhalbinsel im Jahre 1704 wurde diese von allen spanischen Regierungen reklamiert und Spanien würde unter keinen Umständen Verzicht leisten. Staatschef Franco sagt aber: „Der Felsen ist keinen Krieg wert!“

FURCHE: Nähert sich Spanien dem Ostblock?

BRAVO: Spanien pflegt konsulare und kommerzielle Beziehungen zu Rumänien und Polen. Dieser Tage wurde ; ein Abkommen mit Ungarn geschlossen. Man kann heute nicht mehr halb Europa ignorieren, und Spanien ist daher bestrebt, auch mit anderen osteuropäischen Ländern diplomatische, kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen anzuknüpfen. Für Spanien bieten sich interessante Möglichkeiten in den Ländern des COMECON. Mit der UdSSR wurden kürzlich die kommerziell-maritimen Verhandlungen wiederaufgenommen, und vor allem vom ständig wachsenden kulturellen Austausch mit der UdSSR erhofft man sich in Spanien einen wirksamen Beitrag zum gegenseitigen Verständnis. FURCHE: Und wie stehen Sie zur Europäischen Sicherheitskonferenz?

BRAVO: Spanien hat die Einladung zur beabsichtigten Europäischen Sicherheitskonferenz, welche die Länder des Warschauer Paktes für Mitte nächsten Jahres in Helsinki angesetzt haben, akzeptiert. Trotz der stark unterschiedlichen politischen Struktur der verschiedenen europäischen Länder könnte diese Konferenz den Grundstein für eine effektive Annäherung Ost- und Westeuropas bilden. Spanien hält die Anwesenheit der USA und Kanadas an dieser Konferenz für unbedingt erforderlich. FURCHE: Wann wird Spanien eine neue Haltung im Nahostkonflikt einnehmen?

BRAVO: Die Tatsache der Nichtanerkennung Israels durch die spanische Regierung spricht klar genug. Eine Anerkennung Israels käme für Spanien nur dann in Frage, wenn dies zuvor die arabischen Staaten tun würden. Anderseits besteht in Spanien keinerlei Antisemitismus. Im übri-

gen hat Spanien während des Krieges zahlreichen Juden das Leben gerettet. Die Fortsetzung der traditionellen freundschaftlichen Beziehungen zu den arabischen Ländern ist ein weiterer Punkt in der zukünftigen spanischen Außenpolitik.

FURCHE: Wann kommt es zu einer Neuregelung des Konkordats?

BRAVO: Es ist noch nicht abzusehen, ob das Konkordat in Spanien beibehalten, abgeändert oder durch ein anderes ersetzt wird. Jegliche Initiative des Hl. Stuhls wird von Spanien offen und vollständig aufgenommen werden, aber bis dahin wird das in Kraft befindliche Konkordat angewandt.

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