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Harter Felsen

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Der Besuch Sir Alec Douglas Homes in Madrid bedeutet mehr als einen routinemäßigen Höflichkeits-akt zwischen Regierunigen. Es ist ein ernster Versuch, dem seit Jahren geführten „kalten Krieg“ um Gibraltar durch Besprechungen auf Ministerebene ein Ende zu setzen, oder ihn wenigstens so zu entschärfen, daß auf anderen Gebieten eine reibungslose Zusammenarbeit möglich wird.

Es sei hiebei in Erinnerung gebracht, daß der Ausbruch des Gibraltarkonfliktes nicht auf spanische Initiativen zurückzuführen ist. Es war der Kolonialausschuß der Vereinigten Nationen, welcher im Rahmen seiner Entkolonialisierungsaktion die Emanzipation Gibraltars auf die Tagesordnung setzte. Daß eine nationalistische Regierung wie die General Francos die Gelegenheit nicht vorbeigehen ließ, um Ansprüche auf die Wiederherstellung der territorialen Integrität Spaniens geltend zu machen, ist nicht zu verwundern, wobei für die Masse des Volks das verpönte Wort Nationalismus mit dem Begriff des Patriotismus zusammenfiel.

Die Ablösung Castiellas durch den auf europäische Integration eingestellten Außenminister Lopez Bravo, der Sturz der Regierung Wilson und die Bestellung des ebenfalls europäisch gesinnten Edward Heath zum englischen Premier, haben langsam einer Entspannung die Wege geöffnet, die nun zum Besuch des englischen Außenministers in Madrid geführt hat. Aber von einer Aussicht auf positive Lösungen ist man noch weit entfernt. Zu sehr haben sich die Gegensätze zugespitzt, zu weit sind die gegenseitigen Ansprüche voneinander entfernt, als daß man mit einem baldigen Ausgleich rechnen könnte. Immerhin sind zwei Momente hinzugekommen, die eine gegenseitige Aussprache aktuell machen.

Ersatz für Malta

Eines davon ist die Präsenz der sowjetischen Flotte im Mittelmeer, durch die sich die strategische Bedeutung Gibraltars bedeutend erhöht hat. In seiner gegenwärtigen, durch die spanischen Absperrmaßnahmen schwierigen Lage, ist der Flottenstützpunkt für England, wie auch für die NATO von geringem praktischen Nutzen.

Weiter hat auch der Eintritt Eng-

-1-;-1lands in den Gemeinsamen Markt neue Probleme aufgeworfen, welche eine Abänderung des bestehenden Präferenzabkommens zwischen Spanien und der EWG nötig machen. Auch in dieser Beziehung ist gegenseitige Fühlungnahme geboten.

Dazu kommt, daß angesichts der veränderten Machtverhältnisse im Mittelmeer Amerika ein besonderes Interesse am Eintritt Spaniens in den Atlantischen Pakt hat, was Madrid wiederum von einem Entgegenkommen in der Gibraltarfrage abhängig macht. Die Zuspitzung der Maltakrise und der Zusammenschluß der westlichen Mittelmeermächte sind weitere Momente, die bei einer Neuregelung der englischspanischen Beziehungen eine Rolle spielen werden.

Sir Alec Douglas Homes Madrider Verhandlungen waren gewiß nicht leicht. Daß nach dem Verlust Maltas England nicht so bald auch auf Gibraltar verzichten kann, wird auch in Madrid mehr oder weniger in Rechnung gestellt. Aber ohne irgendwelche Zusagen für die Zukunft war eine Einigung schwer vorstellbar. Immerhin ist es ein erfreuliches* . Zeichen, daß die spanische Presse ihre intransigente Sprache merklich gemäßigt hat, und daß auch englischerseits Anzeichen für ein Einlenken fühlbar sind.

Jedenfalls wäre eine Bereinigung der Lage in Gibraltar, dem Schlüsselpunkt der westlichen Abwehrfront im Mittelmeer, nicht nur für die unmittelbar beteiligten Mächte, sondern auch vom Gesichtspunkt der allgemeinen Sicherheit von unzweifelhafter Bedeutung.

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