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Gibraltar: Rühr mich nicht an!

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Der „V ierundzwanzigerausschuß “

der UNO für „nicht selbständig Gebiete“ hielt es für nötig, sich mit Gibraltar, der britischen Kronkolonie an der Südspitze Spaniens, zu befassen. Weder Madrid noch London haben diese Frage aufgeworfen, die von der Kommission ex officio zur Diskussion gestellt wurde. Am allerwenigsten war die Bevölkerung Gibraltars daran interessiert, wie uns der „Präsident des Gesetzgebenden Rats“

(Ministerpräsident) und Bürgermeister von Gibraltar, Joshua Hassan, telephonisch versicherte. Spanien möchte seit langem das Problem in direkten Verhandlungen mit Großbritannien regeln. London wie Gibraltar ziehen es vor, an die Angelegenheit nicht zu rühren, da sich aber die UNO nun einmal damit beschäftigte, mußten die Beteiligten allerdings Stellung beziehen.

Die Königin — unerwünscht!

Die Forderung nach der Rückgabe Gibraltars, das 1704 während des spanischen Erbfolgekriegs von britischen Truppen — meist hessischen Söldnern — für den österreichischhabsburgischen Thronkandidaten erobert und seiner strategischen Bedeutung wegen von England behalten wurde, hat nicht erst das Francoregime erhoben. Alle spanischen Regierungen, königliche wie republikanische, haben mehr oder weniger lautstark ihren Anspruch auf die fünf Quadratkilometer kleine Kolonie geltend gemacht. Seit Francos Machtantritt war die Propaganda um die Felsenfestung allerdings besonders stürmisch und erreichte ihren Höhepunkt, als Königin Elisabeth 1954 der Kronkolonie einen Besuch abstattete, was’ Madrid als Herausforderung ansah. Seit damals dürfen Spanier nicht mehr nach Gibraltar ausreisen, ausgenommen die rund 10.000 Arbeiter, die täglich aus der LImgebung in die Festungsstadt kommen, wo die Löhne natürlich höher als in Spanien sind. Dieses Zugeständnis an die Bevölkerung des umliegenden spanischen „Feldes von Gibraltar“ mußte Madrid machen, um sie nicht wirtschaftlich zu schädigen. Zugleich erschwerte man auch den Bürgern von Gibraltar die Einreise nach Spanien, doch wurde diese Maßnahme im Lauf der Zeit gemildert, wie überhaupt die Kampagne um Gibraltar im Zeichen der wachsenden spanischen Zusammenarbeit mit dem Westen allmählich ganz einschlief, bis jetzt die UNO das vergessene Problem aufs Tapet brachte.

Touristen retten Gibraltar

Das Ziel der spanischen Blockade ab 1954 war klar: Gibraltar sollte wirtschaftlich in die Knie gezwungen werden, und fast wäre das auch gelungen. Denn zu einem beachtlichen Teil lebte damals die Kolonie von spanischen Besuchern, die im Freihafen Gibraltar britische Waren billig einkauften. Die andere, größere Einnahmsquelle war und ist der Schmuggel, an dem sich natürlich die spanischen Nachbarn freudig beteiligen. In manchen Jahren erreichte er — nach spanischen Angaben — die Summe von eineinhalb Milliarden Pesetas (zirka 700 Millionen Schilling), ist allerdings erheblich zurückgegangen. Jedenfalls waren die Folgen der Madrider Äb- schnürungspolitik empfindlich spürbar, und ganz Gibraltar klagte laut.

Da stellte sich der Deus ex machina ein: der Touristenstrom, der ich über Spanien ergoß. Den ausländischen Gästen aber wollte oder konnte Madrid den Besuch Gibraltars nicht verbieten, und diese machen ausgebefreudig von der Gelegenheit Gebrauch. Der Versuch, die Festung „auszuhungern“, war gescheitert, so daß Madrid sich entschloß, London Kompromißvorschläge zu unterbreiten.

Mister Hassan sagt: „Neini“

Seit mehreren Jahren und jetzt wieder in der UNO schlägt Spanien vor, den britischen Flottenstützpunkt Gibraltar in eine gemeinsame britischspanische Basis umzuwandeln, wie ja d r Form nach auch die amerikanischen Flugplätze und Häfen in Spanien unter amerikanisch-spanischer

Verwaltung stehen. Auch den „wirklichen Interessen der Bewohner Gibraltars“ will Madrid Rechnung tragen; anders gesagt: am Status quo soll sich nichts Wesentliches ändern, außer daß auch Spaniens Rotgoldrot über der Felsenfestung flattern würde.

Londons Vertreter in der UNO aber sowie Gibraltars Premier lehnen die gemäßigten und in konzilianter Form vorgebrachten spanischen Vorschläge rundweg ab. Am Telephon erklärte uns Präsident Hassan: „Wir wollen unsere engen Beziehungen mit Großbritannien fortsetzen, und niemand wünscht irgendeine politische Verbindung mit Spanien, zu dem wir jedoch weiterhin freundschaftliche Beziehungen pflegen wollen.“

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