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Spanien blickt nach Osten

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Spanien, dessen Handel und Politik jahrzehntelang einseitig nach dem Westen ausgerichtet waren, rückt durch seine schrittweise Öffnung nach dem Osten in eine MitteBage zwischen den beiden Blöcken. Dieser Prozeß, der sich vor drei Jahren erstmals sichtbar machte, führte jetzt zur Aufnahme konsularischer Beziehungen zwischen Madrid und Warschau. In Paris, Spaniens fast schon traditionell zu nennendem Kontaktort mit dem Osten, unterzeichneten Spaniens und Warschau Botschafter ein entsprechendes Abkommen, durch das die bisher auf den beiderseitigen Handel beschränkten Beziehungen bestätigt und erweitert werden.

In Madrid hat diese Nachricht kaum überrascht. Seit 1957 führt Spanien nämlich Handel mit dem Osten, der sich spanischerseitis auf die Agrumenausfuhr konzentriert. 1966 wurde ein Handelsabkommen mit Polen geschlossen und im Jänner 1967 unterzeichnete Spanien — ebenfalls in Paris — ein Konsularabkommen mit Rumänien. Im März des gleichen Jahres kam es au spanisch-sowjetischen Gesprächen über die Normalisierung der Handelsschifffahrt zwischen den beiden Ländern und im Juni 1967 unterzeichnete Madrid mit Moskau einen Vertrag über die Lieferung von 500.000 Tonnen russischen Roherdöls. Spaniens Handelastatistik mit den

COMECON-Ländern weist 1968 spanische Importe für 4838 Millionen Peseten — also 1,9 Prozent der spanischen Gesamteinfuhren — und

Exporte für 5076,9 Millionen, 4,6 Prozent der spanischen Gesamtausfuhren — auf.

„La Pasionaria“ greift ein

Daß es nicht schon früher zu diplomatischen Beziehungen mit Polen kam, Ist das Werk von Dolores Iba-ruri, „La Pasionaria“, der aus dem spanischen Bürgerkrieg bekannten Kommunistenfübrerin und heutigen Präsidentin der spanischen KP. Bei einem kommunistischen Parteikongreß richtete sie 1967 an die Delegierten der COMECON-Mätglieder den Aufruf, sich diplomatischer Verbindungen mit Pranco-Spanien zu enthalten.

Die damals kurz vor dem Abschluß stehenden Verhandlungen zwischen Madrid und Budapest sowie Warschau wurden dadurch unterbrochen, und Spanien mußte seine Bemühungen von neuem aufnehmen. Nachdem diese nunmehr im Falle Polens von Erfolg gekrönt worden sind, ist anzunehmen, daß es demnächst zu ähnlichen Beziehungen zu Ungarn und eventuell Bulgarien und der Tschechoslowakei kommt, die ohnehin in Madrid Handelsdelegationen unterhalten. Madrids Optimisten sagen sogar voraus, daß in der nächsten Zukunft volle diplomatische Beziehungen zu einigen Ostblockländern aufgenommen werden.

TASS in Madrid?

Ganz von der Hand zu weisen ist diese Voraussage nicht. Denn die 1967 zuerst auf rein wirtschaftlichem Gebiet geknüpften Verbindungen

mit der UdSSR haben seither eine Verstärkung, hauptsächlich auf dem kulturellen Sektor, erfahren. Spanische Künstler besuchten verschiedentlich die Sowjetunion, russische Wissenschaftler nahmen an Kongressen in Madrid teil und auf Spaniens diesjährigem, vom Infor-mations- und Tourismusministerium organisierten Festspielprogramm steht ein staatliches Kosakenballett. Don Carlos Robles Piquer, Generaldirektor im spanischen Infor-mationsministerium, begab sich als Leiter der spanischen Delegation zu den VI. Moskauer Filmfestspielen und führte bei dieser Gelegenheit Gespräche mit russischen Regierungsbeamten, die in einer Abmachung über gegenseitige Buch-ausstelluriigen in Madrid und Moskau und die Eröffnung eines Kontos für den Buch- und Spielfilmauistausch gipfelten.

Auch auf dem Gebiet der gegenseitigen Information laufen seit einiger Zeit Unterhandlungen: Die UdSSR beabsichtigt in Madrid ein Büro der TASS aufzumachen, und Spanien soll konkrete Vorschläge über die Errichtung einer Vertretung der staatlichen Nachrichtenagentur EFE in Moskau unterbreitet haben. Addiert man zu diesen Ubereinkünften und Fühlungnahmen die sich seit Jahr und Tag in Madrid haltenden Gerüchte über Moskaus Interesse an einem geeigneten Grundstück für einen Botschaftsbau, dann dürfte die Aufnahme der mit dem Bürgerkrieg abgebrochenen spanisch-russischen diplomatischen Beziehungen demnächst vollzogen werden.

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