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ETA-Terror und rücksichtslose Polizei erschüttern Demokratie

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Spaniens junge Demokratie kommt nicht zur Ruhe. Eine neue Welle von Terror und Gewalt überschwemmte das Baskenland, Seperatisten und nichtbaskische Polizei lieferten sich erbitterte Straßenschlachten. Auf der Straße liegen blieben wieder Tote, Hunderte Verletzte und womöglich der Entwurf der neuen Verfassung, in der den unruhigen nördlichen Provinzen des Landes Autonomie zugesichert wird. Eine Autonomie allerdings, die nach Ansicht der anarcho-marxistischen ETA („Euzkadi ta azkatasuna“: „Baskisches Vaterland und Freiheit“) und neuerdings auch der konservativen baskischen Nationalpartei im Verfassungsentwurf zu wenig umfassend angelegt ist.

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Spaniens junge Demokratie kommt nicht zur Ruhe. Eine neue Welle von Terror und Gewalt überschwemmte das Baskenland, Seperatisten und nichtbaskische Polizei lieferten sich erbitterte Straßenschlachten. Auf der Straße liegen blieben wieder Tote, Hunderte Verletzte und womöglich der Entwurf der neuen Verfassung, in der den unruhigen nördlichen Provinzen des Landes Autonomie zugesichert wird. Eine Autonomie allerdings, die nach Ansicht der anarcho-marxistischen ETA („Euzkadi ta azkatasuna“: „Baskisches Vaterland und Freiheit“) und neuerdings auch der konservativen baskischen Nationalpartei im Verfassungsentwurf zu wenig umfassend angelegt ist.

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Denn in diesem Verfassungsentwurf ist weder Steuer-, noch Finanz-, noch Polizeigewalt für die einzelnen Regionen vorgesehen. Die gewährte provisorische Autonomie ist der ETA deshalb auch zu wenig. Sie vernichtet nach wie vor Menschenleben und damit das friedliche Zusammenleben der Bevölkerung, das vpn der überwältigenden Mehrheit im Lande herbeigesehnt wird. Gewalt provoziert durch ihr rücksichtsloses Vorgehen aber auch immer wieder die nichtbaskische Polizei in den nördlichen Provinzen. Die Rufe nach einer eigenen baskischen Polizei werden deswegen auch immer lauter. Konsequenzen aus den Unruhen der vergangenen Woche hat indessen die Regierung in Madrid gezogen: die Polizeichefs von Pamplona, San Sebastian und Renteria wurden ihrer Ämter enthoben.

Die Madrider Regierung sieht sich in dieser bedrohlicher werdenden Situation zu verstärkten antiterroristischen Maßnahmen veranlaßt Wie aus politischen Kreisen zu erfahren war* war beim jüngsten Besuch des französischen Staatschefs Giscard d'Estaing auch eines der Themen die engere Zu-

sammenarbeit der beiden Länder bei der Bekämpfung grenzüberschreitender Terrorkommandos, die sich bisher jeglicher Kontrolle entziehen konnten, sobald Sie französisches Territorium betreten hatten. Vorläufig bleibt es auch noch bei der folgenschweren Kapitalsflucht aus den baskischen Provinzen, die früher das höchste ProKopf-Einkommen Spaniens aufzuweisen hatten, inzwischen aber auf den achten Rang herabgesunken sind.

Was die Außenpolitik im allgemeinen betrifft, läßt sich eine Verstärkung der Kontakte und der Besuchsdiplomatie feststellen. Den Auftakt hiezu gaben die Staatsbesuche des Königs Juan Carlos im Iran, im Irak und in Rotchina. Die beiden erstgenannten Länder halten den Schlüssel zur Energieversorgung Spaniens in den Händen und die Gespräche des Königs galten dort nicht nur einer Untermauerung der freundschaftlichen, sondern vor allem auch der wirtschaftlichen Beziehungen.

In der Weltöffentlichkeit erregte der Staatsbesuch in Rotchina (mit seinem sehr speziellen Protokoll) allerdings bedeutend mehr Aufsehen, und dies

am meisten, begreiflicherweise, in der Sowjetunion. In Moskau beobachtete man die Verbesserung der Beziehungen Spaniens zum großen und volkreichen Nachbarn der UdSSR mit scheelen Augen. In Madrid hofft man indessen, daß sich in absehbarer Zukunft die kulturellen und wirtschaftlichen Kontakte mit China nur noch verstärken werden.

Nicht weniger großes Aufsehen verursachte in der westlichen Welt der bereits erwähnte Besuch des französischen Staatschefs Val6ry Giscard d'Estaing, der gleich mit fünf Ministern seines Kabinetts in Madrid eintraf. Es handelte sich da also offensichtlich nicht nur um einen Höflichkeitsbesuch, sondern um eine politische Fühlungnahme von, nebenbei, außerordentlicher wirtschaftlicher und kultureller Bedeutung. Spanien darf nunmehr bei seinen Bemühungen um Aufnahme in die EG mit massiver französischer Unterstützung rechnen, ebenso wie mit freundschaftlicher Hilfe von seiten Großbritanniens und der Bundesrepublik.

Sozusagen als Begleitmusik für den Besuch Giscard d'Estaings bestellte

die spanische Regierung in Frankreich 48 „Mirage“-Jagdflieger für die Luftwaffe und je drei „Airbus“ für die Fluggesellschaft „Iberia“. Die Zahlungsbilanz, die sich bisher leicht der spanischen Seite zuneigte, kippt damit - wenn auch unbeträchtlich - zugunsten Frankreichs um. Dies geschieht allerdings in einem günstigen Augenblick, in dem die spanischen Devisenreserven eine bisher noch nie gekannte und bereits beunruhigende Rekordhöhe von 5800 Millionen Dollar erreicht haben.

Von der kulturellen und militärischen Zusammenarbeit und vom Austausch technischen know-hows abgesehen, steht nun auch zu hoffen, daß Frankreich die spanische Afrika-Politik unterstützt, soweit sich diese mit terroristischen Untergrundbewegungen zu beschäftigen hat, die vom afrikanischen Kontinent her separatistische Gruppen auf den Kanarischen Inseln lenken und finanzieren. In einem solchen Zusammenhang ist auch der Blitzbesuch des Ministerpräsidenten Suärez in Rabat zu sehen, bei dem es vor allem um das Gleichgewicht zwischen Frankreich, Marokko und Spanien im westlichen Mittelmeer ging.

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