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Peinliches Geschenk

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Der Begründer des modernen Frankreich, General de Gaulle, hatte es verstanden, sich eine Reihe von Domänen zu reservieren, in denen ausschließlich der Staatspräsident die Entscheidungen traf. Weder Parlament noch Regierung vermochten in der Außen- oder Verteidigungspolitik eine nennenswerte Rolle zu spielen.

Die Tradition, die Afrika- und Außenpolitik der Nation direkt zu lenken, wurde auch von den Nachfolgern DeGaulles fortgesetzt. Besonders der gegenwärtig amtierende Staatspräsident Giscard d’Estaing folgte seinem Vorbild und inspirierte in verstärktem Ausmaß das.außenpo- litische Konzept des Staates.

Mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgte Paris die Entwicklung im französischsprechenden Teil Afrikas. Frankreich hat mehrfach sogar militärisch eingegriffen, um jene Regime zu schützen, die als gemäßigt gelten. Selbstverständlich sind die Beziehungen, die Giscard d’Estaing mit den einzelnen Staatsmännern Afrikas unterhält, nuanciert und reichen von besonders herzlich bis kühl distanziert.

Zahlreiche internationale Kritiker werfen Frankreich vor, daß diese Afrikapolitik nur dazu diene, sich in Zukunft den Zugang zu den Bodenschätzen dieser Länder zu sichern. Die französischen Staatsmänner wiederum weisen auf den Umstand hin, daß sie auch den ärmsten Regionen dieses umkämpften Kontinentes Hilfe angedeihen lassen, obwohl dort für Frankreich sehr wenig zu holen sei.

Typisch für diesen etwas unklaren Zustand sind die Beziehungen Frankreichs zu Zentralafrika. Es handelt sich dabei um eines der ärmsten Gebiete des Planeten, das von einem früheren Hauptmann der französischen Armee, Jean Bedel Bokas- sa, geführt wurde. In Paris sah man in diesem Staatschef eine etwas seltsame Figur, die jedoch zu den gemäßigten Politikern, wie Senghor von Senegal und Houpthouet-Boigny von der Elfenbeinküste, gezählt wurde.

Allerdings stellte sich im Verlauf der Entwicklung heraus, daß es sich um einen größenwahnsinnigen Potentaten handelte, der sich aus eigener Vollmacht zum Kaiser seines Imperiums krönen ließ und die Hilfsgelder aus Paris dazu benutzte.

Ins Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit trat jedoch der neue Kaiser, als er Anordnung gab, etwa 100 Kinder zu ermorden, die sich geweigert hatten, eine teure Uniform zu kaufen. Es kann auch als sicher angenommen werden, daß der Imperator an der Metzelei persönlich teilgenommen hat. .

Jedenfalls sah sich Paris veranlaßt, einen Staatsstreich in Zentralafrika vorzubereiten und mit militärischer Genauigkeit durchzuführen, um diese Majestät von der Macht zu entfernen. Dies ist auch gelungen. Die organisierte Revolution kostete keinen Tropfen Blut.

Die im Parlament vertretenen Oppositionsfraktionen der Sozialisten und Kommunisten klagten Giscard d’Estaing an, er habe sich in ein Abenteuer gestürzt, das sehr gefährlich für die Sicherheit und das Prestige Frankreichs sei. Um jedoch die Angelegenheit zu dramatisieren, wurde eine Affäre aufgerollt, die - wie immer man auch denken mag - für den französischen Staatschef nicht gerade angenehm ist.

Die Wochenzeitschrift „Le canard enchäine“ veröffentlichte Dokumente, aus denen hervorging, daß Giscard d’Estaing, als er noch Finanzminister war, ein fürstliches Geschenk, nämlich eine Serie hochkarätiger

Diamanten, von seinem „Bruder“ Bokassa erhalten habe.

Die Tatsache des Geschenkes wurde bisher vom Elysee-Palast nicht bestritten, aber darauf hingewiesen, daß es bei Staatsbesuchen üblich sei, Geschenke auszutauschen. Im allgemeinen herrscht die Meinung vor, daß der Staatspräsident derartige Geschenke in seinem Amtssitz im Elysee-Palast zurückläßt, womit sie in das Eigentum, des Staates übergehen.

Auf alle Fälle handelt es sich um ein Manöver der Opposition, um 18 Monate vor den neuen Präsidentschaftswahlen Giscard d’Estaing zu verdächtigen, er habe eine Unkorrektheit begangen. Eine kleinere Begebenheit am Rande dieser Affäre wirkt ebenfalls peinlich: Sofort nach der Landung einer französischen Fallschirmjägereinheit wurden mysteriöse Kisten von den Soldaten aus dem leeren Kaiserpalast in die französische Botschaft transportiert.

Der französische Außenminister hat jedoch mit Nachdruck die Verdächtigungen zurückgewiesen, daß die Fallschirmjäger das Privatarchiv Bokassas in Sicherheit gebracht hätten. Wie immer man auch diese AT färe betrachten mag, es bleibt doch ein ungutes Gefühl zurück.

Eines ist jedoch sicher: Frankreich hat sich dank seines Eingreifens in Zentralafrika erneut als Gendarm Schwarzafrikas präsentiert. Im internationalen Raum flackert der Verdacht auf, Paris würde sich dazu hergeben, die „Kubaner des Westens“ in der Mitte des schwarzen Kontinentes zu spielen, wo sich politische und wirtschaftliche Interessen verschiedenster Natur kreuzen. Die europäischen Partner der Fünften Republik anerkennen wohl die Motive dieser Politik, sind aber nicht gerade glücklich, daß Paris allein vorgeht, ohne sich die volle Unterstützung der EG-Partner zu sichern.

Es ist klar, daß weder Großbritannien noch die Bundesrepublik Deutschland daran denken, Truppen in dieses Spannungsfeld zu entsenden. Paris muß auch mit der Gegnerschaft der Sowjetunion rechnen, die mit Hilfe der Kubaner kommunistische Regime in Schwarzafrika einsetzen will.

Es ist daher nur zu verständlich, daß die Fünfte Republik um die moralische Unterstützung der neuen Weltmacht China kämpft. Peking hat bisher nicht gezögert, die Afrika-Politik Frankreichs gutzuheißen. Die „Bokassa-Geschichte“ war noch nicht abgeklungen, bot sich für Paris die Gelegenheit, mit der höchsten Persönlichkeit der chinesischen Volksrepublik, Hua Guofeng, dieses Problem zu erörtern. Der chinesische Partei- und Regierungschef befindet sich derzeit auf einer Visite in den vier wichtigsten Staaten Westeuropas.

Die Franzosen und Chinesen erörterten eingehend die internationale Situation und kamen ungefähr zu den gleichen Schlußfolgerungen. Auch die bilateralen Beziehungen, besonders im Sektor der Wirtschaft, wurden eingehend geprüft und der Wille bekundet, den Handel auszuweiten. Aber noch weiß man nicht, wie man den Wunsch Chinas nach Lieferung von Superwaffen erfüllen kann, ohne Moskau zu verstimmen.

Unter diesen Gesichtspunkten tauchen weltpolitische Perspektiven auf, die den Sturz Bokassas und das Diamantengeschenk zu einer winzigen Affäre werden lassen. Aber die Eigenart der pluralistischen Demokratie besteht darin, daß Politiker oft nicht über große Dinge, sondern über kleine Geschichten stolpern …

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