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Peseten, Francs und Dollars in Marokko

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Madrid, Ende Februar Die maurische Garde Francos ist oft beschrieben und viel öfter photographiert worden: braunhäutige Reiter, rote und blaue Umhänge, schneeweiße Turbane unter silbernen Pickelhauben, Karabiner auf dem Rücken, blitzende Säbel, Lanzen auf den Bügeln und flatternde Wimpel; Rappen und Schimmel, versilberte und vergoldete Hufe, rote und blaue Schabracken, gold- und silberbestickt, quastengeschmücktes Zaumzeug. — Ein prächtiges, unzeitig märchenhaftes Bild. Doch keinesfalls nur Schauspiel, sondern zweifelte!? auch Symbol. Wiexvieiender’in Madrid alekresdifieften Diplomaten, die von der maurischen Garde eskortiert, in vierspännigen rot-goldenen Kaleschen zum „Palacio de Oriente” fuhren, um dem Staatschef des spanischen Königreiches, Francisco Franco, ihr Beglaubigungsschreiben zu überreichen, das erkannten, mag dahingestellt bleiben. Sicher ist jedenfalls, daß die Symbolik eindeutig war, als im Frühling vergangenen Jahres die maurische Garde Francos Mohammed V., Sultan von Marokko, einholte. Lind tief eindringlich war sie nunmehr, da die islamisch-arabischen Reiter Francos Ehreneskorte für die Oberhäupter des größten der westlichen und des größten der östlichen Reiche des Islams bildeten, als diese zum gemeinsamen Besuch in der Hauptstadt Spaniens eintrafen.

Es wäre eine folgenschwere Unterlassungssünde, wenn der Okzident die Bedeutung dieses Besuches unterschätzen, und ein ebenso folgenschwerer Fehler, wenn er ihn mißdeuten wollte. Die Gefahr der Mißdeutung ist aber noch größer als die der Unterschätzung: sie ist eminent und imminent!

Eines steht jedenfalls fest, das Treffen der islamischen Monarchen in Madrid bildet weder den Ausdruck einer aus der Not geborenen Tugend noch eine Resultante von Zufälligkeiten. Es ist das Resultat einer planmäßigen, seit Jahren betriebenen politisch-weltanschaulichen Aktion der Madrider Regierung. Gewiß dient diese Aktion zur Festigung der internationalen Position Spaniens und zur Sicherung der persönlichen Stellung Francos. Doch ebenso gewiß dient sie den Interessen aller Völker, Nationen, Staaten und Individuen, die entschlossen sind, den Weltadvent des Sowjetimperialismus nicht als unabwendbares Schicksal anzunehmen.

Daß die islamischen Völker gläubig und deswegen antikommunistisch sind, ist bekannt. Es geht aber nicht darum, die Bolschewisierung des Islams, sondern ein machtpolitisches islamischrussisches Intermezzo zu verhindern, dessen bester Nährboden der europäisch-islamische Konflikt ist. Franco-Spanien stößt geographisch, politisch und weltanschaulich an und auf Frankreich. Die Pariser Politiker’,1 die mit’Weitgehend j ijatiorialer Ruckendęękung die R tę įdės französischen Empires verteidigen, sind die gleichen, für die Franco der Rebel) war und der Diktator geblieben ist. Daß Amerika seine Stellungnahme geändert hat, obwohl es der gleichen Auffassung war und sicherlich auch noch ist, machte die Dinge nicht besser. Ganz im Gegenteil, Frankreich sieht sich um sein europäisches Erstgeburtsrecht betrogen, sowohl in sentimentaler wie in materieller Hinsicht. Die moralische und finanzielle Hilfeleistung Amerikas ist zum Teil über die Pyrenäen abgewandert.

Daß der Besuch des absoluten Monarchen Saud beim Erzautokraten Franco unmittelbar nach dem Besuch beim Erzdemokraten Eisenhower erfolgte und daß sich anschließend daran eine gemeinsame Zusammenkunft Franco-Mo- hammed-Saud ergab, machte die Dinge für Paris noch viel schmerzlicher. Es kann nichts anderes als einen neuen Beweis amerikanischer Intrige darin sehen, einen neuen Schachzug, um den „entleerten” mittelöstlichen Raum auszufüllen. Der positive Sinn und Zweck der Zusammenkunft von Madrid verblaßt neben dieser ebenso gefühlsmäßigen wie unsachlichen Auffassung. Dies um so mehr, als es nicht nur um die Stellung Frankreichs im allgemeinen geht, sondern um die Aufteilung der nach dem Absterben des französischen und spanischen Protektorates verbleibenden marokkanischen Erbmasse. Francs und Peseten stehen in diesem Erbstreit einander gegenüber. Es geht um den wirtschaftlich-politischen Anschluß des neuen, unabhängigen Marokkos und demgemäß um Sein oder Nichtsein der bisher bestehenden Vorherrschaft des Franc in Nordwestafrika. Es ist kein Zufall, daß unmittelbar vor dem Besuch der islamischen Könige in Madrid die Sprache der Zeitungsredaktionen und diplomatischen Kanzleien zu beiden Seiten der Pyrenäen besonders scharf geworden war. Wenn die Regierung von Rabbat einen Vertrag mit der Regierung von Madrid schließt, geht es nicht mehr um das frühere spanische Protektorat allein, sondern um ganz Marokko, dessen kleinster und ärmster Teil unter spanischer Schutzherrschaft stand, v/ährend der weitaus größere und wertvollere Frankreich zugesprochen war. Bei einer generellen Aufteilung des wirtschaftlichen Erbes Marokkos hat der reichere Erbanwärter zu verlieren. Die Tatsache, daß sich König Saud von Saudi- Arabien, frisch mit der Dollarweihe versehen, zu den spanisch-marokkanischen Verhandlungspartnern gesellt, kann Frankreich nur noch weiter beunruhigen, denn den Kampf zwischen Peseten und Francs wird letzten Endes doch der Dollar entscheiden.

Die Frage ist, wieweit alle Beteiligten einzusehen imstande sind, daß Peseten, Francs und Dollars Gefahr laufen könnten, getrennt geschlagen zu werden, wenn sie nicht rechtzeitig gemeinsam aufzumarschieren vermögen.

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