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Diplomatenruckkehr nach Madrid
Noch immer hängen die grauen Wolken eines ausnehmend scharfen Winters über der kastilischen Meseta, während die Zacken der Picos de Europa und der Zentralketten * in strahlender Weiße aus dem brauenden Wolkenmeer in das klare Blau des sonnenübergossenen Winterhimmels ragen. Auch Spaniens Gebirge haben ihre Lawinengefahren, ihre wochen-, manchmal monatelang gesperrten Paßstraßen, im Schnee steckengebliebene Expreßzüge, ihre von Schneelasten fast erdrückten Dörfer, und selbst in Andalusien haben sich in diesen Tagen Rettungskolonnen in tagelanger Arbeit in die Mittelgebirgsdörfer Jaens durchgeschaufelt. Wölfe umstreichen die Dörfer der Täler und der Ebene, in denen die Bewohner, hilflos vor solchen gelegentlichen Einbrüchen des nordischen Winters, tatenlos und betend auf die Schneeschmelze warten, deren Wässer heuer wohl die zahlreichen, in den letzten Jahren neuerbauten Talsperren und Kraftwerke zum erstenmal bis nahezu an die Grenze ihrer Kapazität beanspruchen dürften, andererseits hängt aber auch über vielen Gegenden die sinistre Drohung von Hochwasserkatastrophen.
In diesen Tagen, da der spanische Bauer, wie sein Vorfahr vor Jahrhunderten, ohne sich um das Auf und Ab der Politik zu kümmern, mit einer gewissen Nervosität auf den Tag wartet, da er mit seinen Feldgeräten wieder hinaus auf den Acker fahren kann, öffnen sich die hohen Flügeltüren der Säle des Palacio de Oriente fast täglich vor einem neuen Gesandten, der dem Regenten des Königreiches Spanien, Generalissimus Franco, seinen Antrittsbesuch abstattet. Nur wenige fehlten eigentlich noch. Prinz de Ligne, Belgien, und Graf Constantin van Rechteren-Limburg, Holland, überreichten Mitte Februar ihre Beglaubigungsschreiben. Italien ernannte Marchese Francesco M. Taliani di Marchio, Frankreich seinen bisherigen Madrider bevollmächtigten Vertreter, M. Hardion, zu Gesandten in Spanien, und Mr. Stanton Griffis, der Ge-
Zentralkette ist eine Sammelbezeichnung der Sierren der Gredos, Guadarrama, Monegro umrl snrlprer Gehirtrsmassive InnensDaniens.
Von Juan O. Cucla, La Coruna andte der Vereinigten Staaten, betrat am 19. Februar in Cädiz spanischen Boden. Audi der britische Gesandte, Sir John Balfour, wurde für Anfang März angesagt.
Es ist interessant, zu verfolgen, w i e die spanische Regierung auf die neue Lage antwortet. War sie die letzten Jahre hindurch bemüht gewesen, die Regierungen der westlichen Demokratien davon zu überzeugen, daß sie, abgesehen von der verschiedenen Auffassung über die Spanien gemäße Staatsund Regierungsform, nichts von den Zielen und Bestrebungen jener trenne, so ist inzwischen deutlich zum Ausdruck gekommen, daß Spanien nicht gewillt ist, in der Rolle des gnädig wiederaufgenommenen verlorenen Sohnes in die Gemeinschaft der Nationen einzutreten. Drei Tage nach dem Beschluß der UN vom 4. November schaffte der spanische Außenminister Don Martin Artajo Klarheit darüber: „Unser Vaterland hat die Rolle des Angeklagten mit der des
Anklägers vertauscht!“ Deutlich nannte er den Urheber der Spanien von der Welt zugefügten Ungerechtigkeit: Rußland, das die spanische Streitfrage in Potsdam aufgerollt habe. „Der gute Wille der Mächte, die ihre Haltung zu Spanien nunmehr geändert haben, wird sich erst erweisen müssen in der Behandlung, die sie unserem Vaterland in jeder Hinsicht angedeihen lassen. Denn die Gerechtigkeit verlangt eine Wiedergutmachung der uns erwachsenen Nachteile und Schäden.“
Diese Sprache rief damals zunächst eine unangenehme Überraschung in den Kanzleien der ausländischen Regierungen hervor, die gerade mit großer Wärme für Spanien eingetreten waren, und das betretene Schweigen, mit dem vor allem die Vereinigten Staaten die Erklärungen Artajos aufnahmen, mochte manchen Spanier besorgt denken lassen, daß sich der Minister in der 'Schärfe seiner Worte übernommen habe.
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