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Solidaritätssuche unter der Dusche

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Fünfzehn Offiziere — ein Major und 14 Hautpleute — wurden als Gefangene in die Festung Figueras gebracht. Mehr als fünfzig weitere Offiziere und höhere Unteroiüziersgrade. stehen in ihren Kasernen unter Hausarrest. Sie werden von Spezialisten des militärischen Sicherheitsdienstes „Segunda Bis“ — Abteilung Doppelt Zwei — intensiv verhört. Nur ein Name der Verhafteten und Verdächtigen wurde bekannt: Der des Fallschirmjägerhauptmanns Besituto Valera, dem enge Beziehungen zur revolutionären portugiesischen „Bewegung der Streitkräfte“ nachgesagt werden. Unter dem Namen „Militärische Demokratische Union“ soll sich in Francos Armee ein Geheimbund gebildet haben, dessen Mitgliederzahl die „Abteilung Doppelt Zwei“ auf mehr als tausend Offiziere und Unteroffiziere vom Feldwebel aufwärts schätzt. Deutliches Ziel der konspirativen Aktivisten in den spanischen Kasernen war es, die Basis für eine „Bewegung der Streitkräfte“ nach portugiesischem Beispiel aufzubauen.

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Fünfzehn Offiziere — ein Major und 14 Hautpleute — wurden als Gefangene in die Festung Figueras gebracht. Mehr als fünfzig weitere Offiziere und höhere Unteroiüziersgrade. stehen in ihren Kasernen unter Hausarrest. Sie werden von Spezialisten des militärischen Sicherheitsdienstes „Segunda Bis“ — Abteilung Doppelt Zwei — intensiv verhört. Nur ein Name der Verhafteten und Verdächtigen wurde bekannt: Der des Fallschirmjägerhauptmanns Besituto Valera, dem enge Beziehungen zur revolutionären portugiesischen „Bewegung der Streitkräfte“ nachgesagt werden. Unter dem Namen „Militärische Demokratische Union“ soll sich in Francos Armee ein Geheimbund gebildet haben, dessen Mitgliederzahl die „Abteilung Doppelt Zwei“ auf mehr als tausend Offiziere und Unteroffiziere vom Feldwebel aufwärts schätzt. Deutliches Ziel der konspirativen Aktivisten in den spanischen Kasernen war es, die Basis für eine „Bewegung der Streitkräfte“ nach portugiesischem Beispiel aufzubauen.

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Geheimgesellschaften sind in der spanischen Armee nicht ohne Tradition. Vor dem Bürgerkrieg spalteten sie sich in eine Unzahl politischer Offiziersklubs und Zellen für eine künftige Junta auf. Ende der zwanziger Jahre gehörte der damalige Oberst der spanischen Fremdenlegion, Franco, zu den eifrigsten Geheimbündlern. Als er zum siegreichen Caudillo aufrückte, machte er seine Armee zu einer Stütze des neuen Regimes. Die bewaffnete Macht erhielt Privilegien. Sie galt als zuverlässige Garde.

Francos König aus der Retorte mußte jahrelang als Thronänwärter alle Abstufungen soldatischer Existenz durchlaufen. Ehe Juan Carlos zum neuen Märchenprinzen für das Volk aufgebaut wurde, hatte er die Kasernentristesse zu kosten. Dem Prätendenten gab das Sicherheit. Er glaubte sich der Sympathien im jüngeren Offizierskorps sicher zu sein. Zur Erhärtung führte Juan Carlos an, daß Kameraden, die jahrelang mit ihm als Kadetten nackt unter der Dusche standen, keine Königsmörder sind. Auf den Gleichklang der Interessen und der Vorstellungen für eine neue Zukunft Spaniens hofft der designierte König bei jenen Offizieren, die in den nächsten Jahren zu den Schlüsselstellungen aufrücken werden. Franco, der Militär mit dem Wissen um die Unent-behrlichkeit eines ergebenen Offi-zirskorps, betrieb mit Rafinesse das Hineinwachsen von Juan Carlos in die neue Offiziersgeneration.

Unter den Verhafteten befinden sich Offiziere, die zur Geheimbündelei der „Militärisch-Demokratischen Union“ nur stießen, um eine baldmögliche Ablösung Francos durch Juan Carlos zu betreiben, von dem die notwendigen, doch gemäßigten Reformen erwartet werden. Aber die „Monarchisten“ waren im kasernierten Untergrund von vorherein in der Minderzahl. Den Ton gaben die engagierten Revolutionäre an. Sie splittern sich aber in christliche Sozialreformer, Sozialdemokraten mitteleuropäischer Prägung und fanati-sierte Anhänger der seit 1939 verbotenen Kommunistischen Partei auf. Die ideologischen Widersprüche sind in der „Militärischen Demokratischen Union“ nicht so kraß wie in der portugiesischen „Bewegung der | Streitkräfte“. Doch die ersten Brüche sind schon in der Anonymität der Konspiration zu erkennen. Engagiert haben sich Offiziere, die sich gegen die Erstarrung des Franco-Regimes wenden. Es sind aber auch die einigeschleusten uniformierten Kader der Kommunisten erkennbar, denen es nicht um Wechsel, sondern Umsturz geht.

Bis zur Verhaftungswelle dieser Tage galt Francos Armee als loyaler Block. Wenn Vergleiche zu den Offizier-Revoluzzern in Lissabon gezogen wurden, kamen geharnischte Proteste. Francos Informationsverwalter argumentierten, daß Spaniens Armee 35 Friedensjahre hinter sich hat. Ausnahmen sind die „Blaue Division“, ein Kontingent von Fred-willigen, das an der Ostfront im Rahmen der deutschen Wehrmacht kämpfte, und einige koloniale Regimenter, die sich fast nur aus Spaniern mit EUtesehnsüchten zusammensetzen. Die ■ Kolonialtruppe ist vor. allem, in. der spanischen Sahara in Scharmützel mit unzufriedenen Einheimischen und dem begehrlichen Nachbarn im Norden, Marokko, verwickelt. Anders als die portugiesische wurde sie nicht in einem fünfzehnjährigen Kolonialkrieg zermürbt und demoralisiert.

Spaniens Armee kannte diese politischen Anfechtungen nicht. Sie kamen, als die Armee immer häufiger Polizeiaufgaben gegen Streikende oder Separatisten im Baskenland oder in Katalanien übernehmen mußte. Bereits im Frühjahr tauchte ein Flugblatt auf, das auch in den Kasernen kursierte. Darin wurde die Armee gewarnt, sich als verlängerter Arm der verhaßten Polizei Francos mißbrauchen zu lassen. Unbehagen erregte es auch, daß immer öfter Militärgerichte zur Abturteilung von Zivilisten herangezogen wurden. Auf die „Militärische Demokratische Union“ geht ein Flugblatt zurück, in dem die Korruption hoher Offiziere gegeißelt wird. Noch immer ziehen Regimentskommandeure die Wehrpflichtigen zum Ernteeinsatz auf eigenen Latifundien heran. Als besonders krasses Beispiel werden die zwielichtigen Geschäfte des Generals Eugenio Peydro zitiert, der als Kommandeur einer Militärregion gleichzeitig die Geschäfte der Immobiliengesellschaft „Sofico“ führte. Nachdem sie ihren Initiatoren Millionengewinne brachte, ging sie in Konkurs und schädigte Tausende von Anlegern, darunter viele Deutsche.

Bewundertes Vorbild des gemäßigten Flügels der unzufriedenen Offiziere in der spanischen Armee ist der ehemalige Chef des Großen Generalstabs, Generalleutnant a. D. Manuel Diez Alegria. Bei einem Besuch in Tunesien wurde er von Franco im vorigen Jahr überraschend pensioniert. Dem Generalissimus wurde der Generalstabschef mit den progressiven Ideen verdächtig. Kurz zuvor hatte General Spinola, mit dem General Alegria in engein Kontakt stand, das Caetano-Regime gestürzt. Aber der entmachtete spanische Generalstabschef blieb selbst nach seiner Zwangspensionierung einflußreich. Auch die Abteilung „Doppelt Zwei“ konnte die engen Kontakte zum aktiven Offizierskorps nicht unterbinden. Bekannt ist außerdem, daß Exgeneral Alegria gute Beziehungen zu den noch im Untergrund arbeitenden Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen unterhält. Besprechungen sollen auch mit dem Kommunistenchef Santiago Carillo stattgefunden haben. Doch wie General Spinola ist General Manuel Diez Alegria ein konservativer Reformer.

Zwar hielten die Militärakademien am Prinzip der „Geschlossenen Gesellschaft“ fest, doch die soziologische Struktur änderte sich. Die Jungen aus den bisher eher unterprivilegierten Schichten sind politische Offiziere. Ihre sozialreformerische Gedankenwelt verrät Anleihen bei den Ideen Kemal Atatürks, der ägyptischen Offiziere von 1952 und der nationalen sozialistischen Thesen der Junta in Algier. Aber aus den Waisenhäusern der Militärfürsorge kamen auch Offiziere, die am langen Zügel der Kommunisten hängen. In die neue spanische Offiziersgesellschaft infiltrierten die Agenten Moskaus rechtzeitig ihre Marionetten. Francos Stütze erweist sich als morsch. Den Offizieren war in der neuen Monarchie die Stellung einer braven Leibgarde zugewiesen worden. Noch vor dem Tod des Generalissimus lassen sie Prätorianer-gelüste erkennen. Auf der Iberischen Halbinsel kündigt sich die zweite Armeerevolution an.

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