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Don Juan ante portas?

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Seit vor wenigen Monaten in Spanien die Pressefreiheit gewährt wurde, wetteifern die hiesigen Zeitungen in der Behandlung eines für die Zukunft des Landes ausschlaggebenden Themas, nämlich der Nachfolgefrage. Tagtäglich ergehen sie sich in tiefgründigen Überlegungen über die Zweckmäßigkeit und Wahrscheinlichkeit einer Monarchie oder Republik nach dem Ausscheiden des Staatschefe Generalissimus Francisco Franco. Dabei kommen sie jedoch kaum zu Aussagen, die dem Mann auf der Straße das Gefühl geben könnten, daß er dem Spanien von morgen beruhigt entgegensehen kann. Er, der 27 Jahre lang an Einheitsbewegung, Einheitssyndifcat und Einheitsdenken gewöhnt war, erfährt plötzlich, daß es ein reges Interessen- und Gruppenspiel gibt, daß sich politische Kräfte um die Herrschaft im jetzigen und vor allem im kommenden Spanien streiten.

Königliche Werbeaktion

Einige dieser Kräfte nun bemühen sich unverhohlen um seine Gunst,

versuchen sein Vertrauen zu erlangen. Allen voran in diesem Werben um das Volk geht die Familie Don Juans, Graf von Barcelona und Sproß des letzten spanischen Königs. Sein Sohn, Don Juan Carlos, von Franco in Spanien erzogen, ist dem Volk seit geraumer Zeit ein bei offiziellen Anlässen vertrauter Anblick, und es nimmt ihn als Vertreter der Monarchie im königlosen Königreich Spanien hin. Juan Garlos’ Gattin, die Griechenprinzessin Sophie, sammelt fleißig mit ihrem sympathischen Auftreten Pluspunkte für die Sache der Monarchie. Letzhin hat sich dieser königlichen Werbeaktion auch Don Juans Gattin, Dona Maria, angeschlossen. Bei ihren bisherigen Spanienbesuchen — sie lebt bekanntlich mit Don Juan im portugiesischen Estoril im Exil — wurde wenig Aufhebens um sie gemacht. Vor wenigen Tagen jedoch wurde der Madrider Flughafen bei ihrem Abflug Schauplatz eines Monarchistentreffens, bei dem die Anwesenheit hoher Militärs nicht zu übersehen war.

Don Juan schließlich, der alljähr lich mit seiner Jacht „Giralda“ Spaniens Küsten umsegelt, machte einen kurzen Zwischenaufenthalt auf den Balearen. Vor den Toren „seines“ Königreiches ernannte er ein „Sekretariat für die Sache der Monarchie“, ein avis vorläufig sechs Mitgliedern bestehendes Exekutivkomitee, das zu einem späteren Zeitpunkt auf zehn Mitglieder erweitert werden soll. In ihm sind derzeit fünf verschiedene politische Tendenzen vertreten. Jose Maria Areilza, Graf von Montrico und langjähriger Botschafter, dem das Sekretariat für äußere Beziehungen anvertraut wurde, ist ebenso wie der junge Schriftsteller und „Informationssekretär“ Luis Maria Anson Konservativ-Liberaler. Juan Jesus Gonzales, der die Beziehungen zur Kirche pflegen soll, ist Christdemokrat, Luis Sanchez-Agesta, Sekretär für Rechtsfragen, gehört der mit dem Regime kollaborierenden christ- demokratischem Linie des ehemaligen Franco-Außenministers Matin Atajo an, der Conde de los Andes, Sekretär für Inneres, ist konservativer Traditionalist, und Flo- rentino Perez-Embid, der in dem Ruf eines Opus-Dei-Ideologen steht, soll sich um die Beziehungen zum Regime kümmern. Falangisten und Sozialisten fehlen bisher in dem Komitee. Zumindest letztere sollen wahrscheinlich demnächst mit einbezogen werden. Die eifrigen Kontakte der Monarchisten Don Juans zu der Gruppe des Sozialistenführers Professor Enrique Tierno Galvan, lassen jedenfalls darauf schließen.

Ein König als Figur

Die vorläufige Aufgabe dieses Gremiums besteht in der Personifizierung der Monarchie in der Person Don Juans und in der Vorbereitung einer spanischen Monarchie nach europäischem Muster, will heißen, in Anlehnung an Belgien, Großbritannien oder Schweden. Der künftige König soll nur herrschen, nicht regieren. Das will er der jeweils demokratisch gewählten Regierungspartei überlassen. Bis zur Konstitution einer Regierung, nach des spanischen Volkes freiem Willen, sollen die Geschicke des Landes offensichtlich von Don Juans Exekutivkomitee geleitet werden. Denn trotz entschiedener Verneinung der „Sekretäre“ sind sie, ihren Funktionen nach zu schließen, Mitglieder eines Schattenkabinetts.

In den kommenden Monaten sollen die „Sekretäre“ als Verbindungsmänner nicht nur zu Regime und Kirche in Aktion treten, sondern vor allem die Kontakte zu den verschiedenen politischen Gruppen des Lan-

In den kommenden Monaten sollen die „Sekretäre“ als Verbindungsmänner nicht nur zu Regime und Kirche in Aktion treten, sondern vor allem die Kontakte zu den verschiedenen politischen Gruppen des Landes erweitern und konsolidieren. Über sie soll der politisch interessierte Mann auf der Straße seinem künftigen König nähergebracht werden. Denn er soll es ja schließlich sein, der in einem Referendum über die — zweifellos konservativ-monarchistische — Verfassung entscheiden zu haben wird,, die während der provisorischen Regierungszeit des derzeitigen Schattenkabinetts ausgearbeitet werden soll.

Die Monarchic hat Eile

Die Komitee-Erneuerung und die Wegbereitung fur Don Juan sind, so wird behauptet, mit Wissen des spanischen Staatschefs erfolgt. In letzter Zeit gibt es angeblich sichere Hinweise darauf, daB der Generalissimus nicht wie bislang in Juan Carlos, sondern nunmehr in Don

Juan den Konig von morgen sieht. Juan Carlos, so heiBt es weiter, sei es selbst gewesen, der Franco davon iiberzeugt habe, daB die Krone Spaniens seinem Vater gebuhre.

Wenn dies auch den Tatsachen entsprechen sollte, so sind die Monarchisten doch realistisch genug, um zu wissen, daB Franco ein Mann der einsamen Entschliisse ist und folglich zu dem ihm geeignet er- scheinenden Zeitpunkt denjenigen zum Konig bestimmen wird, der seiner Ansicht nach die Voraussetzungen fiir dieses Amt erfiillt. Vor Uberraschungen sind selbst die opti- mistischesten Juanisten nicht sicher.

Um diesen Uberraschungsfaktor auszuschalten, haben sie siich selbst eine zeitliche Grenze fiir den Einzug ihres Kiinigs gesetzt. Binnen einem Jahr hoffen sie, ihn auf dem Thron zu sehen. Wie sie dies erreichen wollen, kann man erahnen, wenn man die Prognosen eines bekannten Monarchisten als verbindlich fiir ihre Taktik ansieht. „Spanien“, so prophezeite er, „wird eine auf die Generale gestiitzte Monarchic er- halten oder eine Generaldiktatur ohne Monarchen."

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