6829792-1974_32_07.jpg
Digital In Arbeit

System Franco ohne Francop

Werbung
Werbung
Werbung

Spaniens Zukunft hängt nicht allein von der Persönlichkeit des Franco-Nachfolgers Don Juan Carlos ab. Auch nicht nur von den Vorstellungen seiner Ratgeber und seiner Regierung. Die entscheidende Frage lautet: Wird die Staatsführung des 36 Jahre alten Thronerben das „System Franco“ ohne Franco überwinden?

Diese Frage kann nicht ohne die Opposition beantwortet werden, die heute noch in der Illegalität operiert, deren Führung aber seit Monaten mehr oder weniger offen, jedenfalls mit Wissen der Regierung, diese Ansichten erläutert. Das betrifft die Parteien selbst bis zur sozialistischen Linken und bis zu einem Teil der Anarchisten, nicht aber die Kommunistische Partei, deren Führung kürzlich in Genf 15.000 Spanier aus der Schweiz, aus Deutschland und Frankreich auf die Beine brachte; Gastarbeiter, die immerhin der Organisation der KP nach Genf folgten. Welche Rolle hierbei die von der spanischen Syndikaien Organisation früher begrüßte „Erziehung“ spanischer Arbeiter durch den Deutschen Gewerkschaftsbund spielte, wäre gesondert zu betrachten.

General Franco lag bereits zwölf Tage im Krankenhaus, als er nach einer ernsten Verschlechterung seines Zustandes seinen designierten Nachfolger, Prinz Juan Carlos, mit der Führung der Staatsgeschäfte beauftragte. Zunächst nur vorübergehend, wie es im Paragraphen 11 des organischen Staatsgesetzes für den Fall der „territorialen Abwesenheit oder der Krankheit“ des Caudillo vorgesehen war. Die Übergabe der Staatsgeschäfte erfolgt nach diesem Paragraphen an den Thronerben.

Erst im Juli 1971 erkannte die damalige Regierung die Notwendigkeit, Juan Carlos' Nachfolge jedem Zweifel zu entheben und damit die bis dahin mögliche Alternativlösung, nämlich die Staatsführung durch einen Regentschaftsrat, auszuschließen. Nach dem Gesetz Nummer 26 vom 15. Juli 1971 wurde der Prinz von Spanien auch als Thronerbe eingetragen.

Die Regelung der Nachfolge ist also klar. Franco hat sein Haus bestellt; er begann damit bereits vor fünf Jahren, als er den Prinzen zu seinem Nachfolger in der Staatsführung ernannte. Vor einem Jahr tat er den zweiten Schritt: die Gewal-ten'trennung. Mit der Ernennung von Admiral Carrero Blanco zum ersten Ministerpräsidenten gab er die Führung der Regierungsgeschäfte ab.

Nach seiner Vereidigung als König wird Don Juan Carlos de Borbön y Borbön weniger Macht haben als General Franco. Das EinmannSystem hat schon jetzt sein Ende gefunden. Spaniens neue Monarchie ist aber auch nicht mit der anderer Staaten Westeuropas so ohne weiteres zu vergleichen. Immerhin erhielt Juan Carlos, der in den Disziplinen der drei Armeeteile Heer, Marine und Luftwaffe ausgebildet wurde und der die Insignien eines Brigadegenerals trägt, auch den Oberbefehl über die Armee sowie die Präsidentschaft der „Bewegung“.

Seit seinem zehnten Lebensjahr auf seine Aufgabe als künftiger Monarch vorbereitet, wird er als Staatschef die oberste politische und administrative Gewalt ausüben, Gesetze bestätigen und verkünden. Recht wird in seinem Namen gesprochen werden. Anders als in konstitutionellen Monarchien klassischer Art gehört es zu seinem Obliegenheiten, den Vorsitz des Ministerrats zu führen. Grundsätzliche Ansprachen vor den Cortes, wie sie etwa zur Eröffnung einer Legislaturperiode üblich sind, hat er jedoch mit der Regierung abzusprechen.

Seinen Kabinettschef wird Juan Carlos nach Vorschlag des Reichsrats ernennen. Auch ohne diesen Rat kann er den Regierungspräsidenten absetzen und einen neuen bestimmen. Wenn er es für opportun hält, steht es ihm offen, den Vorsitz über den ihn beratenden Reichsrat und den Nationalrat zu übernehmen. Das ist allerdings nicht möglich, wenn diese Gremien über ihn persönlich oder über seine Nachfolge beraten. Auch zur Abstimmung darf er nicht anwesend sein. Selbstverständlich gehören Kriegserklärungen, Friedensabschlüsse und internationale Abmachungen, die die Souveränität oder Integrität des Landes betreffen, zu jenen Ausftahmefallen, bei denen Juan “Carlos eines* besonderen Gesetzes Oder einer ausdrücklichen Autorisation durch die Cortes bedürfen wird.

Wie alle diese seine Machtbefugnisse betreffenden Gesetze auch aussehen — er selbst muß ihnen Leben geben. Die Tatsache, daß für Franco dieselben Bedingungen und Einschränkungen galten, mag als Beispiel dafür dienen, wie unterschiedlich die Systeme dennoch sein können.

Die Praxis der Dekrete und der Staatsführung ist in Spanien weit mehr noch als anderswo immer eine Frage der Persönlichkeit. Don Juan Carlos hat zwar auf die Prinzipien der „Bewegung“ geschworen, aber diese Prinzipien sind so, wie sie in der spanischen Verfassung stehen, weitläufig und äußerst dehnbar. Viele Spanier erwarten deshalb, daß er nach gebotener Zeit eine neue Regierung einsetzt, die ihrerseits die politische Entwicklung beschleunigen wird.

Schon seit langem werden hiefür Namen genannt: der ehemalige In-fownationsminister und derzeitige Botschafter in London, Fraga Iri-barne, zählt dazu, ebenso wie der frühere Außenminister Lopez Bravo, der Juan Carlos bei seinen ersten offiziellen Besuchen ins Ausland begleitet hat. Viele rechnen auch mit dem christlich-demokratischen Rechtskatholiken Silva Munoz, der im Hinblick auf das Geschehen in Portugal die spanische Staatsführung aufforderte, der Nation ein neues politisches Zielbild zu geben.

Juan Carlos selbst ließ seine persönliche Einstellung durchblicken, als er anläßlich seines ersten offiziellen Deutschlandbesuchs vor zwei Jahren Journalisten gegenüber versicherte: „Ich bin für den Anschluß Spaniens an die Europäische Gemeinschaft, eben weil dieser Anschluß mit politischen Konsequenzen verbunden ist.“

Juan Carlos' bereits erfolgte erste Amtshandlung als Staatschef war die Unterzeichnung jenes spanischamerikanischen Dokuments, das der amerikanische Außenminister Kissinger bei der Paraphierung vor drei Wochen die NATO-Parallel-Erklä-rung nannte. Gleichzeiftg mit Juan Carlos in Madrid unterschrieb Präsident Nixon in Washington. Dieses bilaterale Abkommen bindet Spanien über die Vereinigten Staaten an die Atlantische Verteidigungsgemeinschaft.

Gewiß ein Zufall, daß dies die erste Unterschrift Juan Carlos' als Staatschef war. Ein Zufall jedoch, der von vielen Spaniern und Europäern als ein gutes Omen für die Zukunft betrachtet wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung