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Mit dem König begann die Zukunft

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Die Diktatur in Spanien währte, wie allgemein bekannt, 40 Jahre, erstreckte sich also über den Zeitraum von zwei Generationen. Nichtsdestoweniger überlebten die von Generalis-simo Franco geschaffenen Institutionen ihren Schöpfer kaum um ein Jahr. Genauer gesagt: 363 Tage nach dem Tod des Caudillo begann die politische Struktur des Regimes sich aufzulösen und abzubauen wie auf dem Theater die Dekoration nach dem Ende der Vorstellung.

Das Erstaunliche an diesem Vorgang ist die Tatsache, daß dieser Abbau der Struktur mit Hilfe der von Franco selbst geschaffenen Gesetze vor sich gehen konnte. Die Cortes, bestehend aus 531 ernannten Parlamentariern, beschlossen, wie von den Massenmedien inzwischen, gemeldet, mit 425 gegen 59 Stimmen und 13 Stimmenthaltungen die Selbstauflösung und approbierten zugleich die von der Regierung Suärez vorgelegte Reform.

Dieses von der zweiten Regierung ausgearbeitete Reformgesetz bedeutet nicht mehr und nicht weniger als die totale Liquidation des Bürgerkrieges der Jahre 1936 bis 1939 und vollzieht ohne revolutionären Bruch den Übergang aus der Diktatur in eine Demokratie europäischen Stils.

Mit Sicherheit ist anzunehmen, daß das spanische Volk mit massiver Mehrheit die Reformen in dem Referendum bejahen wird, das für den Dezember dieses Jahres anberaumt wurde. Vorgesehen ist ein Parlament als oberster Gesetzgeber, dessen proportional gewähltes Unterhaus aus 350 und dessen nach dem Mehrheitswahlrecht gewählter Senat aus 207 Mitgliedern bestehen soll. Das Wahlrecht ist selbstverständlich allgemein, direkt und geheim und steht allen volljährigen Spaniern und Spanierinnen zu. Ein Element der Balance ist in die Reform insofern eingebaut, als dem König das Recht zustehen soll, grundlegende Fragen von nationaler Bedeutung über das Parlament hinweg dem Volk zur Entscheidung vorzulegen.

All dies entspricht einer evolutionären Weiterentwicklung, im Gegensatz zum revolutionären Bruch, wie er von der Opposition angestrebt wurde.

Entgegen den Erwartungen der Opposition, war die Reaktion der öffentlichen Meinung in Spanien auf den Regierungsstil des Königs und seiner bisherigen Regierungen zum überwiegenden Maße positiv. Sieht man von den extremistischen Minderheiten zur Rechten und zur Linken ab, so kann man von einem bisher sehr gemäßigten Verhalten der linken Opposition sprechen, während die faschistische Rechte, die am Todestag Francos immerhin mehr als 100.000 Personen auf der Madrider Plaza de Oriente versammeln konnte, sich in dem Vorwurf erschöpft, die Regierung betreibe Verrat am Andenken Francos.

Wesentlich ist, daß das sehr breite politische Zentrum dem Reformgesetz zugestimmt hat und es sich zugute rechnet, den König unterstützt zu haben, der sich als wahrer Motor des Fortschritts auch in den schwierigsten Momenten des vergangenen Jahres erwiesen hat.

Wie sich die eigentliche Linke, der politische Bereich also zwischen gemäßigt marxistischem Sozialismus und den verschiedenen kommunistischen Gruppen bei dem bevorstehenden Referendum verhalten wird, ist schwer vorauszusagen. Wahrscheinlich wird dieser Teil der Wählerschaft sich der Stimme enthalten, was jedoch schätzungsweise nicht ausreichen wird, um den Prozeß der Reform auch nur zu bremsen.

Da es sich bei der neuen spanischen Monarchie nicht um eine restaurierte, sondern um eine instaurierte Staatsform originaler Prägung handelt, wird der von ihr erzielte Fo rtschritt in Richtung auf Demokratie und auf Anglei-chung an den europäischen Standard leichter verständlich, handelt es sich doch weniger um ein geschichtliches „Wunder“ als um einen Vorgang von politischer Logik.

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