6877134-1978_47_06.jpg
Digital In Arbeit

Übergang von der Diktatur zur Demokratie geglückt

19451960198020002020

Mit überwältigender Mehrheit haben sowohl das Abgeordnetenhaus, wie der Senat der spanischen Cortes, den Entwurf der neuen Verfassung in seiner nunmehrigen Gestalt gebilligt Für das Inkrafttreten bedarf es nur noch des Volkentscheids, der für den kommenden 6. Dezember anberaumt ist. Zu erwarten stehen eine massive Beteiligung der Wählerschaft und ein starkes Überwiegen der Ja-Stimmen. Ein Nein zur Verfassung kann man vor allem aus den Reihen der Anhänger des verstorbenen Diktators Franco erwarten: An die 200.000 Anhänger forderten am vergangenen Sonntag auf einer Massenveranstaltung anläßlich des dritten Jahrestags seines Todes die Abschaffung der Demokratie.

19451960198020002020

Mit überwältigender Mehrheit haben sowohl das Abgeordnetenhaus, wie der Senat der spanischen Cortes, den Entwurf der neuen Verfassung in seiner nunmehrigen Gestalt gebilligt Für das Inkrafttreten bedarf es nur noch des Volkentscheids, der für den kommenden 6. Dezember anberaumt ist. Zu erwarten stehen eine massive Beteiligung der Wählerschaft und ein starkes Überwiegen der Ja-Stimmen. Ein Nein zur Verfassung kann man vor allem aus den Reihen der Anhänger des verstorbenen Diktators Franco erwarten: An die 200.000 Anhänger forderten am vergangenen Sonntag auf einer Massenveranstaltung anläßlich des dritten Jahrestags seines Todes die Abschaffung der Demokratie.

Werbung
Werbung
Werbung

Mit der Annahme der Verfassung würde der Übergang vom diktatorischen Regime zur Demokratie, ein Prozeß, der vor drei Jahren mit dem Tode des Generalisimo Franco begonnen hat, seinen Abschluß finden. Ausgangspunkt für die allerjüngste Entwicklung war allerdings erst das Referendum des Jahres 1976, das den Grund für die inzwischen erfolgten Reformen und für die Beteiligung aller Parteien am politischen Leben Spaniens gelegt hat.

Die Vorarbeiten für die neue Verfassung begannen Ende August des Jahres 1977. Sie oblagen einem Ausschuß, der sich aus drei Repräsentanten der regierenden UCD und je einem Repräsentanten der übrigen parlamentarischen Gruppen zusammensetzte: der Alianza Populär (AP), der Sozialisten (PSOE), der Kommunisten (PCE), der baskischen und der katalanischen Minderheiten. Es bedurfte dreier redaktioneller Entwürfe, ehe eine gültige Unterlage den Ausschüssen beider Kammern, einer gemischten Kommission, und schließlich dem Plenum in Abgeordnetenhaus und Senat zugeleitet werden konnte. Etliche tausend Änderungsvorschläge aus beiden Häusern der Cortes mußten dabei berücksichtigt werden.

Im Hinblick auf die Erfahrungen, die man mit sämtlichen bisherigen Verfassungen gemacht hatte, einigte sich die gesetzgebende Kommission auf eine Reihe wesentlicher Grundsätze. Vor allem ging es darum, ein für alle Spanier annehmbares Grundgesetz zu schaffen, das imstande war, die Linke und die Rechte miteinander zu versöhnen und einen Wechsel zwischen Regierung und Opposition zu ermöglichen. Voraussetzung hiefür war eine Vereinbarung, die zwar allen Parteien Konzessionen abverlangte, aber eben auch die sozialen, wirtschaftlichen und ideologischen Gegensätze zu überbrücken vermochte.

Das Spektrum der spanischen Parteien reicht ja immerhin von einer

konservativen und kapitalistischen Rechten (AP) bis zu den Eurokommunisten (PCE), Extreme, zwischen denen die beiden durchaus noch nicht innerlich konsolidierten Großparteien ihren Platz haben. Allein schon das regierende Demokratische Zentrum, die UCD, umfaßt liberale Gruppierungen sowohl, wie sozialdemokratische, vor allem aber christdemokratische. In der sozialistischen Oppositionspartei, dem PSOE, finden sich radikale Marxisten Seite an Seite mit sozialen Demokraten. Es bedurfte komplizierter Vereinbarungen, bis beide Großpar-

teien sich den Wählern als je ein geschlossener Block vorstellen konnten.

Das Resultat all dieser Pakte und Kompromisse ist nun eine ziemlich umfangreiche Verfassung, die aus einer Präambel, elf Titeln und 169 Artikeln besteht, und deren Geist als liberal, demokratisch und fortschrittlich bezeichnet wird. Spanien definiert sich darin als „sozialer und demokratischer Staat“, der als oberste Zielsetzungen „Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit und politischen Pluralismus“ anerkennt. Ausdruck dieser Grundsätze ist die konstitutionelle

und parlamentarische Monarchie. Die Macht der Krone ist, nach dem Vorbild der westeuropäischen Monarchien, darauf beschränkt, dem Parlament einen Ministerpräsidenten zur Bestätigung vorzuschlagen. Selbstverständlich hält der König vorher Rücksprache mit den politischen Parteien.

Zu den meistdiskutierten Artikeln zählen begreiflicherweise jene, die sich mit der Gleichstellung konfessioneller Privatschulen befassen, eine Gleichstellung, die von der katholischen Hierarchie mit Hilfe der UCD durchgesetzt wurde. Daneben steht auch das Problem der staatlichen Integrität, trotz weitgehender Autonomie für die Regionen, im Vordergrund. Ein Problem, das die konservative Rechte (AP) auf den Plan rief und um ein Haar zu deren Spaltung geführt hätte, das aber auch die baskische Volksgruppe, die ihre Sonderrechte und ihre Unabhängigkeit bedroht glaubte, beunruhigte. Der Partido Nacionalista Vasco lehnt daher die neue Verfassung ab. Nicht so die Katalanen.

Die katholische Kirche hat, wie zu erwarten, sich angesichts der kommenden Volksabstimmung für neutral erklärt und den Gläubigen aufgetragen, sich je nach der persönlichen Gewissensentscheidung für ein Ja, ein Nein, oder für die Stimmenthaltung auszusprechen ... Dies widerspricht zwar evidentermassen der bischöflichen Intervention in der Schulfrage, bezieht sich aber hauptsächlich auf die in der Verfassung verankerte Zivilehe, desgleichen auf die zivile Ehescheidung und ihre Gründe, deren Definition einem künftigen Gesetz vorbehalten sind.

Auf jeden Fall stellt die neue spanische Verfassung die Krönung eines politischen Prozesses dar, der seit dem Ende der Diktatur einen fast reibungslosen Verlauf genommen hat.

(Übertragung ins Deutsche von Erich Thanner)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung