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Carlismus jetzt in Rosa

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„Ein Mittelding zwischen Priester und Soldat, engstirniger Fanatiker, dem religiösen Dialog verschlossen, Sozialismus und Religionsfreiheit ablehnend, das ist der Prototyp des Carlisten, wie er im Ausland gesehen wird! Dieses falsch gezeichnete Bild haben wir einer fanatischen Gruppe in unseren Reihen zu verdanken, deren Stimme im Ausland Gehör und Glauben fand.“ Diese bittere Klage trugen uns zwei in engem Kontakt mit Prinz Hugo Carlos stehende Persönlichkeiten in einem Madrider Luxushotel vor, in das sie uns bestellt hatten, um uns von der Weltoffenheit des Carlismus und seiner Anpassung an den Zeitgeist zu überzeugen.

Die für das angerichtete Unheil verantwortliche Gruppe sei, so versicherten uns unsere Gesprächspartner, jetzt aus den Reihen der für Gott, Vaterland und die Thronfolgerechte des carlistischen Bour-bonenzweigs kämpfenden Anhänger des Prinzen Hugo Carlos ausgeschlossen worden. Nicht ohne erbitterte innere Kämpfe natürlich. Dieser gewollte Anhängerverlust ist aber mehr als ausgeglichen worden. Neuerdings können die Carlisten, deren Zahl in die Hunderttausende gehen dürfte, einen Stimmenzuwachs verzeichnen, der sich aus den verschiedensten sozialen Schichten und politischen Richtungen rekrutiert. So haben sich zum Beispiel zahlreiche Bergleute aus Asturien der carlistischen Bewegung angeschlossen, die, wie uns hinter vorgehaltener Hand bestätigt wurde, bekanntlich linke Sympathisanten waren oder gar aus den Kadern der illegalen spanischen Kommunistischen Partei stammen.

Oppositionell, aber für Franco

Die neue Anhängerschaft soll zweifellos zur Erhärtung der carlistischen These, daß der Carlismus sich heute auf Seiten der Opposition befindet, beitragen. Tatsächlich haben einige Vorkommnisse der letzten Zeit dem Carlismus oppositionellen Charakter verliehen. Bei den Studentenunruhen zu Jahresanfang wurden einige junge Carlisten, die sich an den Unruhen beteiligten, festgenommen, genauso wie ein carlistischer Arbeiterführer, der für Lohnerhöhungen eingetreten war. Bei der alljährlichen Carlistenwall-fahrt auf den Berg Monte jurra in Navarra, an der in diesem Jahr mehr als 60.000 Pilger teilnahmen, waren

Protesttransparente gegen den spanischen Informationsminister und den damaligen Justizminister zu sehen. Gegen ersteren, weil das Informationsministerium die Pressezensur über die Carlistendynastie und insbesondere über Prinz Hugo Carlos und Prinzessin Irene verhingt hat,' gegen letzteren, weil er

Hugo Carlos' Gesuch um Gewährung der spanischen Staatsbürgerschaft abgelehnt hat. Diese Ablehnung hat die Carlisten besonders verbittert, muß doch nach dem spanischen Nachfolgegesetz ein Thronprätendent die spanische Staatsbürgerschaft besitzen. Und Hugo Carlos von Bourbon ist bekanntlich der Staatsbürgerschaft nach Franzose.

Kein Anspruch auf den Thron?

Neuerdings sollen — so behaupteten unsere Gesprächspartner — vom Innenminister Rundschreiben an die Zivilgouverneure der einzelnen Provinzen ergangen sein, in denen nur solche Carlistenveranstal-tungen erlaubt sind, die sich auf das rein Patriotische beschränken und nicht dynastischen Charakter tragen. Die Befolgung dieser Verordnung dürfte den Carlisten schwerfallen. Denn ihre Bewegung, die unter dem Motto „Gott, Vaterland und König“ steht, ist ohne die Dynastie der Bourbon-Parma und deren AnSpruchserhebung auf Spaniens Thron gegenstandslos. Für die Car-listen spielt es in ihrer monarchistischen Begeisterung dabei kaum eine Rolle, daß sie den Chef der Dynastie, Javier, den Vater Hugo Carlos', der in Frankreich lebt, nur vom Hörensagen kennen. Bei allen ihren Mißfallenskundgebungen gegen das derzeitige Regime sind die Carlisten aber eifrig darauf bedacht, die Figur General Francos aus dem Spiel zu lassen. Das will nicht bedeuten, daß sie des Generalissimus Politik restlos gutheißen — man denke nur an das Nachfolgeproblem, das Spaniens

Staatschef zweifellos zugunsten des von den Carlisten so gehaßten Prinzen Juan Carlos zu lösen gedenkt —, aber aus der spanischen Bürgerkriegszeit, als die „Requetes“, die carlistischen Freiwilligen, an der Seite Francos kämpften, besteht ein festes Treueverhältnis zu ihm.

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