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Juan Carlos ante portas?

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gleichwohl veranlaßt haben, eine formale Änderung vorzunehmen: „Das größere Wohl der Seelen, das in nicht geringem Maße von einer organischen Administration abhängt auch ohne Änderung der bestehenden Diözesangrenzen oder Errichtung neuer kirchlicher Einheiten; die Möglichkeit des Heiligen Stuhle, ich kürzlich ein Bild von der religiösen Lage in diesen Gebieten zu machen (Anspielung auf die drei Polenreisen Monsignore Casarolis!); wiederholte Bitten des Herrn Kardinals Wyszynski und des polnischen Episkopats; und andere pastorale Gründe, die — besonders nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil — es notwendig machen, die Seelsorge immer mehr anzupassen...“

Alles — mit Ausnahme des Titels

In dieser Motivierung, die in abgewandelter Form nahezu allen ostpolitischen Schritten des Vatikans zugrundeliegt, wird das pragmatische Vorgehen der Kurie besonders deutlich. Allerdings: nicht der tatsächliche Stand der Seelsorge wird durch die Ernennung von Administratoren verändert, sondern die Funktion dieser — schon vorher durchaus gesicherten — Seelsorge in der politischen Umwelt. Mit Rücksicht auf das deutsche Reichskonkordat, dessen Art. 11 die Änderung von Diözesangrenzen an deutsche Zustimmung bindet und im Art. 14 von den Priestern deutsche Staatsangehörigkeit und im Art. 16 einen Treueid der Bischöfe zum Deutschen Reich fordert, also Voraussetzungen, die in den Oder-Neisse-Gebleten zum Teil gar nicht mehr zu erfüllen sind — mit Rücksicht auf jenes Konkordat werden die Bistumsgrenzen nicht angetastet, auch wenn den polnischen Administratoren außer dem Titel von Residenzialbischöfen nichts vorenthalten wird. Anderseits aber zieht der Vatikan die kirchenpolitische Konsequenz aus der Tatsache, daß in diesen Gebieten nicht mehr 1,7 Millionen deutsche, sondern fast 7 Millionen polnische Katholiken leben.

Warten auf das „Päpstliche Jahrbuch 1968“

Erst im „Päpstlichen Jahrbuch 1968“ wird man sehen, in welcher Form sich der Status der Administratoren verdeutlicht oder ob er — was wahrscheinlicher ist — in absichtsvoller Unklarheit gelassen wird. Das gilt auch für die politischen Konsequenzen, die im Vatikan weit weniger systematisch betrachtet werden als man glaubt: Im geographischen Index des „Päpstlichen Jahrbuches“ wird seit Jahren darauf hingewiesen, daß man „von der Zugehörigkeit der einzelnen Kirchengebiete zum Territorium verschiedener Staaten“ absehe, „wenn Änderungen der Lage noch nicht durch gültige internationale Verträge geregelt“ seien; die Angaben seien deshalb „rein geographisch oder praktisch für den Postverkehr“. Wie wenig auch das ganz zutrifft, zeigt sich, wenn man (1967) zwar „Rußland, Sibirien, Litauen, Lettland“, nicht aber die „Sowjetunion“ unter den Ländern findet, „Palästina“, aber nicht „Israel“, dagegen „China“ und „Taiwan“, ein „Vietnam“ und zwei „Kongo“-Staaten; wenn unter „Polen“ Lwöw (Lemberg), Wilna und Pinsk, unter „Deutschland“ Breslau und Ermland aufgeführt werden, als Adressen der „Freien Prälatur Schneidemühl“ jedoch „Münster, Deutschland“ und „Gor-zöw, Polska“. (Im „Päpstlichen Jahrbuch“ von 1930 stand hinter Breslau „Preussen“.)

Apostolische Administratoren können als kurzfristige Notlösungen gelten (wie etwa im zweiten Weltkrieg die umstrittene und von Polen als Konkordatsbruch betrachtete Ernennung des Danziger deutschen Bischofs Splett zum Administrator der polnischen Diözese Chelmno (Culm), sie können fast zu Dauereinrichtungen werden wie in den jugoslawischen Teilen der Bäcska und des Banat oder im slowakischen, früher zur ungarischen Diözese Esztergom gehörende Trnovo (seit 1922), es können Ausweichlösungen werden wie im heute teils polnischen, teils sowjetlitauischen Gebiet der Diözese Wilna oder wie in den teils jugoslawischen, teils italienischen Gebieten der Diözesen Triest und Rijeka (Fiume), wo offenkundig beide Seiten den Zustand nicht monieren.

Mehr als 40 Jahre ließ sich der Vatikan Zeit, bis er den Apostolischen Administrator von Innsbruck

1964 mm Residenzdalbischaf erhob und so endlich der politischen Grenzziehung zwischen Nord- und Südtirol, die Innsbruck von der Diözese Brixen (Bressanone) abtrennte, die Bildung eines neuen Bistums folgen ließ; ebenso lang dauerte es, bis aus der Administrator Burgenland, die nach dem ersten Weltkrieg von der unga-

rischen Diözese Györ abgetrennt wurde, 1960 die österreichische Diözese Eisenstadt wurde.

Unauffällig und schmerzlos

Nicht schnelle Anpassung, sondern möglichst unauffällige und schmerzlose liegt dieser Methode vatikanischer Politik zugrunde; dazu gehört auch das scheinbare Offen-

halten des In Wirklichkeit längst Erledigten und die bewußte Improvisation, die Rechtsgebilde als Hilfskonstruktionen benützt, wo Seelsorge und Politik in Konflikt geraten. Ein so verstandenes „aggior-namento“ bestimmt auch den Stil der päpstlichen Ostpolitik — nicht erst, wie man oft meint, seit Johannes XXIII.

Alle Jahre wieder, wenn sich in Spanien die Gerüchte um eine Regierungsumbildung verdichten, tauchen Vermutungen auf, daß der künftige spanische König breits vor den Toren Madrids stehe. Dieses Jahr nun haben diese Vermutungen durch das Inkrafttreten der neuen spanischen Verfassung und die dadurch bedingte Neufassung der politischen Institutionen des Regimes mehr Nahrung denn je gefunden.

Stärkung der Stellung

In der baW beginnenden neunten I^gislaturperiode des spanischen Parlaments, der Cortes, soll Don Juan Carlos, Sohn des Thronanwärters Don Juan de Borbön-Batten-berg und Enikel des letzten spanischen Königs, Alfons XIII., zum Prinz von Asturlen proklamiert werden. Im Jänner, so heißt es weiter, soll er schwören, die Prinzipien der Stiaatebewegumg in seiner Eigenschaft als Kronprinz verteidigen zu wollen. Bei näherem Hinsehen zeigt es sich, daß dieses Gerücht Grundilagen besitzt und eine große Wahrscheinlichkeit wahr zu werden. In Artikel 9 des Nachfoilgegesetzes, das einen Bestandteil der Verfassung bildet, ist festgelegt, daß der Regent oder König Spaniens männliches Geschlecht, die spanische Staatsangehörigkeit, das vollendete Alter von dreißig Jahren, katholische Religion und die zur Wahrnehmung dieser hohen Aufgabe notwendigen Elgen-schaften besitzen und außerdem den Schwur auf die Grundgesetze und die tragenden Prinzipien der Nationalbewegung leisten muß. Diese Bedingungen dürfte Juan Carlos, der kurz vor der Vollendung seines 30. Lebensjahres steht, mit der Abteilung des Treueschwurs restlos erfüllen.

Mit dem Volk auf du und du

Daneben gibt es noch eine Reihe weiterer Anzeichen für die bevorstehende Ausrufung des Prinzen von Asturien. In der spanischen Presse wird mehr denn je von Don Juan und seiner Familie gesprochen. Seine Reisen durch Spanien, die der in

Portugal im Exil lebende Thronanwärter erstmalig dieses Jahr unternahm, werden in den Zeitungen verzeichnet, seines Sohnes Bild ist wieder häufiger auf den Tieldiruckseiten zu finden. Die Madrider gewerkschaftseigene Abendzeitung „Pueblo“ die für ihre Vorliebe für Don Alfonso de Borbon, Sohn des zugunsten von Don Juan zurückgetretenen Don Jahne, der als Erstgeborener des letzten Königs Thronamiwärter war, betoaihnit ist umid in ihm dien kommenden König sah, veröffentlicht plötzlich schmeichelhafte Reportagen über Juan Carlos. Sie steMt Ihn als Sportter dar, der arbeitsam ist und mit dem Volk auf du und du steht.

Der Fortschrittliche

Da von Juan Carlos bekannt ist, daß er ein gehorsamer Sohn seines Vaters ist, kann man von ihm die

Fortsetzung der väterlichen politischen Linie erwarten, die erst jüngst in einem Interview mit dem spanischen Schriftsteller Jose Maria Giro-nella formuliert wurde. Darin sprach sich Don Juan für die Integration Spaniens in Europa, die volle Anwendung der „Populorum progres-sio“, die Nationalisierung von gewissen Einkommens- und Produktions-quellen, für kostenlose Schulbildung und Konzessionen an die regionalen Verschiedenheiten des Landes innerhalb der nationalen Einheit aus. Ein Programm also, das in einigen Punk-

ten die bisherigen Ziele des Regimes überflügelt

Diese Erklärungen lassen aber außerdem deutlich werden, daß Don Juan nicht gewillt ist, sich von der Politik zurückzuziehen, will heißen, zugunsten seines Sohnes auf den spanischen Thron zu verzichten. Dieses aber scheint — will man den Gerüchten über die bevorstehende Vereidigung Juan Carlos' glauben — General Franco von Don Juan zu erwarten, obzwar er dessen zur Königswahl gar nicht bedarf. Anderseits scheint Don Juan nichts gegen die

Aufwertung Juan Carlos' einzuwenden zu haben.

Arrangement mit den Carlisten

Hartnäckigen Gerüchten zufolge soll für Juan Carlos selbst die letete Schwierigkeit beseitigt worden sein: die Thronansprüche des Kandidaten der Carlisten, des Prinzen Hugo von Parma, den eine herzliche Feindschaft mit den Juanisten verbindet, Hugo „Carlos“ soll nämilich auf Anraten seines Schwiegervaters, des Prinzen Bernhard der Niederlande, bei dem er wenig' Verständnis für seine politischen Aspirationen fand, ein Arrangement mit Juan Carfos getroffen haben.

Den angeblichen Absichten des Regimes, dem Königreich Spanien einen König zu schenken, dürfte also kein Hindernis mehr entgegenstehen.

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