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Die Stunde des Infanten

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Der 22. Juli 1969 war für Spanien ein historischer Tag. Einen Tag, nachdem die ersten Menschen den Mond betraten, erfolgte die vom spanischen Staatschef durchgeführte Nominierung seines Nachfolgers vor den Cortes (spanisches Parlament), die anschließend mehrheitlich angenommen wurde, die dynastische Instauration der Bourbonen. Nach fünf Jahren Republik, dreijährigem Bürgerkrieg und 30 Jahren autoritärem Regime soll nun die Überleitung zur monarchistischen Staatsspitze beginnen. Es ist dies keine Restauration im Sinne einer Wiederherstellung der liberalen Monarchie von Alfons XIII., sondern der Versuch, der Monarchie eine neue Basis zu geben, die aus den Erfahrungen und Erkenntnissen der letzten Jahre gewonnen wurde. Das vor drei Jahren in einem Referendum mit großer Mehrheit angenommene Grundgesetz Spaniens ist diese Basis.

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Der 22. Juli 1969 war für Spanien ein historischer Tag. Einen Tag, nachdem die ersten Menschen den Mond betraten, erfolgte die vom spanischen Staatschef durchgeführte Nominierung seines Nachfolgers vor den Cortes (spanisches Parlament), die anschließend mehrheitlich angenommen wurde, die dynastische Instauration der Bourbonen. Nach fünf Jahren Republik, dreijährigem Bürgerkrieg und 30 Jahren autoritärem Regime soll nun die Überleitung zur monarchistischen Staatsspitze beginnen. Es ist dies keine Restauration im Sinne einer Wiederherstellung der liberalen Monarchie von Alfons XIII., sondern der Versuch, der Monarchie eine neue Basis zu geben, die aus den Erfahrungen und Erkenntnissen der letzten Jahre gewonnen wurde. Das vor drei Jahren in einem Referendum mit großer Mehrheit angenommene Grundgesetz Spaniens ist diese Basis.

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Staatschef Franco, der im Herzen immer ein Anhänger der spanischen Dynastie war, hat durch die Nomi-nierung von Prinz Juan Carlos zum Nachfolger diese seine Loyalität zum Ausdruck gebracht. Allerdings hat Franco bei der Nominierung von Juan Carlos in die Nachfolgefrage des Hauses Bourbon selbst eingegriffen. Don Juan, Graf von Barcelona, der in Portugal im Exil lebende Vater des nominierten Nachfolgers, wurde von Franco übergangen. Don Juan, der sich besonders in der letzten Zeit von Repräsentanten der intellektuellen Linken beraten ließ, brachte auch deutlich zum Ausdruck, daß er mit dem neuen Grundgesetz Spaniens nichts zu tun hätte und seine Vorstellungen nach wie vor auf der Wiederherstellung der liberalen Monarchie der dreißiger Jahre basieren. Die Stellungnahme Don Juans zur erfolgten Nominierung macht im Ausland mehr Eindruck als in Spanien selbst. Eine echte Anhängerschaft hatte Don Juan im Volk nie gehabt, und die an Zahl kleinen und an Jahren alten Anhänger fallen politisch gesehen nicht ins Gewicht.

Auch Juan Carlos verfügt über keine persönliche Anhängerschaft, wie etwa der des Landes verwiesene Hugo Carlos (Prätendent der Car-listen), aber Juan Carlos hat den Vorteil, keine ausgesprochenen Gegner zu haben. Seine Nominierung stieß zumindest auf keinen aktiven Widerstand, auch nicht von Seiten ausgesprochener Gegner der Monarchie. Die Sicherung der Nachfolgefrage ist für das Land so wesentlich, daß auch die Gegner der Monarchie lieber die durch Franco bei Lebzeiten gefällte Entscheidung akzeptieren als gar keine Entscheidung. Die Entwicklung in den Nachbarländern Frankreich und Portugal hat sicher dazu beigetragen, den Entschluß Francos zu forcieren. Salazar und de Gaulle sind nicht mehr, aber in beiden Ländern haben Persönlichkeiten, die von ihren Vorgängern auf das Amt vorbereitet wurden, die Regierung übernommen. Der Sala-zarismus und der Gaullismus alter Art existieren nicht mehr. In beiden “Ländfern“TSUreÄÜtftle Revolution stattgefunden, die ohne, große Erschütterungen zu einem Postsalaza-rismus und Postgaullismus hinüber-

führte. Auch in Spanien hofft man, daß die Nominierung von Juan Carlos der erste Schritt für eine Überleitung zum Postfrancismus ist. Der zweite Schritt wird die im Herbst zu erfolgende Nominierung eines Regierungschefs sein, welche die Trennung zwischen dem Amt des Staatschefs und des Regierungschefs bringen wird. Der designierte Regierungschef wird dann eine neue Regierung bilden. Diese neue Regierung zusammen mit dem designierten Nachfolger Juan Carlos würde im kommenden Herbst die Ära des Postfrancismus einleiten.

Skepsis der Jugend

Die Wahl des Nachfolgers Francos wurde in den Cortes namentlich durchgeführt. Es wurden auf diese Weise vielleicht weniger Nein-Stimmen abgegeben, da viele Abgeordnete nicht nominell gegen eine Entscheidung Francos stimmen wollen. Doch wären auch bei einer nicht nominellen Abstimmung die gegnerischen Stimmen nicht mehr als 40 gewesen. Das Abstimmungsergebnis war 491 Ja, 19 Nein und 9 Stimmenthaltungen. Die Nein-Stimmen und Enthaltungen setzten sich aus Anhängern Don Juans, des Vaters des gewählten Nachfolgers Juan Carlos, aus eingefleischten republikanischen Falangisten oder Katalanen und separatistischen Basken zusammen. Unruhen größeren Ausmaßes auf Grund der Entscheidung Francos sind nicht erfolgt, abgesehen von einigen lokalen Demonstrationen in den Provinzhauptstädten, die gegen die Monarchie und gegen die Dynastie gerichtet waren und zum Teil von Gruppen der syndikalistischen Staatspartei selbst' organisiert waren. Die Jugend rebelliert nicht, aber sie steht der Monarchie äußerst skeptisch gegenüber. Es wird für den

designierten Nachfolger, den 31jäh-rigen Prinz Juan Carlos, eine der vordringlichsten Aufgaben sein, die loyale Mitarbeit der jungen Generation zu gewinnen. Juan Carlos wird auch sehr viel Kraft und Energie aufwenden müssen, seine eigene Persönlichkeit im Inland wie auch im Ausland stärker zutage treten zu lassen und damit zugleich zu dokumentieren, daß er wohl auf dem Boden des spanischen Grundgesetzes steht, aber über die Art, dieses zu handhaben, seine eigenen Vorstellungen hat. Juan Carlos wird beweisen müssen, daß er ein echter Souverän ist und keine Marionette irgendwelcher politischer Gruppen oder kapitalistischer Interessengemeinschaften.

Abschließend zu diesem Kommentar eines historischen Tages für Spanien wäre noch ein Meines Wort über Franco zu sagen. Wie immer man über ihn von verschiedenen politischen Standpunkten aus denken und urteilen möge, eines muß man feststellen: Der Staatschef und Caudlllo Spaniens, Generalissimus des Heeres, überdauerte Hitler, Mussolini, Stalin, de Gaulle, Salazar, Chru-schtschew, Peron usw. Der unscheinbare, kleine, heute als sehr alter

Mann wirkende und mit leiser Stimme sprechende Caudillo Spaniens ist alles eher als ein Diktator europäischer oder südamerikanischer Provenienz. Lediglich seine sehr klaren und scharfblickenden Augen verraten konzentrierte Energie. Eine seiner Stärken war auch immer die Kunst des Abwartens. Er wurde deswegen vielfach fälschlich als Zauderer bezeichnet und in letzter Zeit offen als alt und verkalkt. Der 22. Juli 1969 beweist wieder einmal mehr das Gegenteil. Der politische Stratege Franco hat wieder einmal mit der Wahl des Datums für die Einberufung der spanischen Cortes zur Entgegennahme seiner Erklärung zur Nachfolge genau richtig gehandelt. Einen Tag nach der Landung des ersien Menschen auf dem Mond, drei Tage nach dem offiziellen Beginn des Urlaubes in Spanien und bei 40 Grad im Schatten war die Wahrscheinlichkeit für große Gegenaktionen und Demonstrationen fast Null.

Am 23. Juli 1969 wurde Juan Carlos Prinz von Spanien auf die Verfassung, in Gegenwart des Staatschefs Generalissimus Franco und vor dem Plenum der Cortes, vom Staatsnotar und dem Justizmin'ister, vereidigt.

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