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Hat das Regime eine Linie?

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Der ehemalige Staatssekretär für Propaganda in Francos erster Regierung, Dionisio Ridruejo, seit langem einer der lautesten Widersacher des Regimes und jetzt durch den jüngsten Münchener Europakongreß bekanntgeworden, der uns als einziger von den zahlreichen Personen, die wir in diesen Wochen sprachen, autorisierte, seine Worte unter seinem Namen anzuführen. Dionisio Ridruejo also meint, daß das Regime viel zu schwach sei, um die Blößen seiner Gegner ausnützen zu ktfonettnaHÄBle, trldis-fhPiss-fetem der EWG und der Streiks gestellt, verrät das Regime, daß es ratlos ist und gar keine politische Linie hat“, ruft Don Dionisio aus. — „Aber hätte General Franco nicht die Armee gegen die Streikenden einsetzen können?“ fragen wir. „Glauben Sie“, entgegnet Ridruejo, „daß Franco es noch wagen kann, das Land und seine wichtigsten

Industrien vertrauensvoll in die Hände der Generäle zu legen?“

Manche Beobachter deuten ein gewisses Entgegenkommen an die streikende Arbeiterschaft als Schwäche des Staates und Beweis für Ridruejos These aus. Franco jedenfalls erklärte in einer Rede vor den Reservefahnenjunkern, daß die Instrumente seines Staates, womit er in diesem Fall die Einheitssyndikate meint, zu vervollkommnen wären. Dazu erklärt uns einer der höchsten 4-.Syndikjit^unk^icra|f£,, der jedoch seinen Namen nicht genannt zu sehen wünscht, daß man in seinen Kreisen mit „einer intensiven sozialen und syndikalistischen Tätigkeit in der nächsten Zeit rechnet. Dabei wird sich längstens in Jahresfrist herausstellen, daß unsere Syndikatsorganisation ein brauchbares Instrument ist. An eine Rückkehr zu den klassischen pluralistischen Gewerkschaften ist wohl nicht zu denken, aber es gibt vielerlei Formeln, um zu einer Verständigung zu gelangen. Die Kollektivabkommen zum Beispiel sollen in Zukunft freier zwischen Arbeitern und Unternehmern ausgehandelt werden, und die Syndikatsorganisation wird sich nur die Rolle des vermittelnden Schiedsrichters vorbehalten. Streik ist prinzipiell abzulehnen, könnte aber unter Umständen als letztes Mittel zur Verständigung, als notwendiges Übel also toleriert werden.“

Solche Worte klingen vertrauenseinflößend. Aber ein Jahr ist eine lange Zeit, in der die besten Absichten verwässert werden können. Meint es das Regime überhaupt ernst mit seinen Reformplänen, werden seine auf allen Gebieten sich hervorwagenden zahlreichen Gegner ihm Muße geben, sie durchzuführen? Auf diese Frage kann erst die Zeit eine Antwort erteilen.

Vorerst läßt sich nur eines feststellen.

Immerhin ist ein gewisser Reformwille innerhalb der Syndikatsorganisation vorhanden. Man erinnert sich, daß beim jüngsten Syndikatsprozeß im März ein Antrag auf, Strukturänderung der Organisation von den kritiklosen Regimeanhängern zu Fall gebracht wurde. Dieser Antrag, gestellt von etwas zukunftsbewußten, dem Staatssystem aber ganz verbundenen Männern, lief darauf hinaus, Unternehmerund Arbeitersektionen der Einheitssyndikate voneinander unabhängiger zu machen und die Funktionäre frei und direkt wählen zu lassen. Denn schon längst wußte man, was sich dann bei den Streiks erwies, daß die Arbeiter so lange die Syndikate nicht als ihre authentische Vertretung ansehen werden, als das jetzige verklausulierte „Wahlsystem beibehalten wird und die Trennung von den Unternehmern nicht vollzogen ist.

Manche sehen nun in den Streiks die Antwort auf den mißglückten Reformversuch am letzten Syndikatskongreß und meinen darum, daß es dem Staat diesmal ernst sei mit der Umbildung der Syndikate. Ob dabei die Forderungen der „Ola Nueva“ un-ter dcö illegalen Arbeiterführern nach gerechtem JL^hn. ' Mitbestimmung in den' tfntelhenmenr^Strefkrecnf' und Koalitionsfreiheit durchgesetzt werden können, hängt letztlich vom Ausgang des interessantesten Phänomens in Spaniens jüngster Geschichte ab, des „sozialen Kulturkampfes“ zwischen Staat und Kirche, zwischen General Franco und Kardinal-Primas Pia y Deniel.

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