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Linke in Uniform

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Der Militärputsch vom 25. April hat das portugiesische Volk mit Problemen konfrontiert, deren Lösung nicht abzusehen ist. Sie scheint jetzt auch die Gefahr einer bürgerkriegs-ähnlichen Auseinandersetzung mit einzuschließen. Staatspräsident General Spinola erkannte die Schwierigkeiten, in die seine erste provisorische Regierung geriet,schon bald. Um sie zu beheben, bemühte er sich zunächst selbst um mehr Machtbefugnisse, konnte sich aber bei dem von ihm gegründeten Staatsrat nicht durchsetzen. Der zweite Stabilisie-rungsversueh ging von seinem Ministerpräsidenten da Palma Carlos aus. Auch Carlos forderte mehr Machtbefugnisse, die er zum Teil sogar zugebilligt bekam. Sein wichtigstes Anliegen aber, die Präsidentschaftswahlen vorzuverlegen, stieß auf Ablehnung. So blieb Spinola nichts anderes übrig, als nach dem Rücktrittsgesuch der Zentrumspolitiker seiner Regierung das gesamte Kabinett zu entlassen. '

Zwei Ziele verfolgte der General dabei: Einmal mehr Effizienz in der Staatsführung — die provisorische Regierung ist ihm selbst und der Junta gegenüber verantwortlich — und zweitens ein Gegengewicht gegen den politischen Überhang der Linken. Tatsächlich hatte sich die Regierung in wenigen Wochen bis zur Handlungsunfähigkeit auseinandergelebt, was auch nicht anders zu erwarten war.

Auf der einen Seite stand das Regierungsprogramm General Spinolas und seiner Junta gewissermaßen als Extrakt der politischen Überlegungen, wie er sie in seinem aufsehenerregenden Buch ,.Portugal und die Zukunft“ dargelegt hatte. Auf der anderen Seite trommelten die Parteiprogramme der meist radikalsozialistischen Gruppen. Als Spinola seine provisorische Regierung zusammenstellte, kannte jeder Minister das politische Programm des neuen Staates, nämlich das pluralistische System einer westlichen Demokratie. Dies akzeptierten alle, die Kommunisten, die Sozialdemokraten, die Radikalsozialisten der Volksbewegung und die Liberalen des Zentrums. Danach handelten aber nur die Politiker des Zentrums: im wesentlichen der Ministerpräsident da Palma Carlos und sein Berater Or. Sa Carneiro. Bis zu einem bestimmten Grade auch die beiden Kommunisten Curehal und Pacheco. Ihre Partei ist diszipliniert genug, vorübergehend ein anderes Ziel anzusteuern.

Hier tut sich nämlich der Bruch auf, der zum Scheitern der ersten Regierung führen mußte. Politiker der Linken standen zwischen der Verpflichtung, das Programm der Regierung zu verfolgen und dem politischen Interesse ihrer Parteien. Da sie eben keine gewählten Volksvertreter, sondern mehr oder weniger willkürlich eingesetzte Minister waren, „schwammen“ sie sozusagen „in der Luft“. Sie mußten dort gegen die Spielregeln des Staates verstoßen, wo sie ihr Parteiprogramm im Auge hatten. Und das hatten sie meistens. Besonders kraß kam dies zum Ausdruck, als einer der beiden sozialistischen Minister, Caminos, in Algerien den marxistischen PAIGC-Afrikanern erklärte: ,Auch wir verhandeln hier als Sozialisten.“

Spinola mußte mehrfach seine draußen verhandelnden Minister brüskieren, indem er in öffentlichen Erklärungen an die Ziele seines Staates erinnerte. Für Afrika verlangte er zum Beispiel die Selbstbestimmung nach Erlangung der demokratischen Rechte, die dann auch zur Unabhängigkeit führen könnte. Die Sozialisten aber, das geht aus ihren seit Jahren bekannten Parteiprogrammen hervor, setzten sich für eine sofortige Unabhängigkeit, das heißt, für die Machtübergabe an eine politische Minderheit, ein. Weder bei der Frelimo noch bei der PAIGC würde dies in eine Demokratie münden.

Spinola half sich durch einen Schritt. Er entließ das gesamte Kabinett. Die neue Regierung Gongal-ves wird von einem führenden Mann der Offiziersbewegung der Streitkräfte geführt und nicht von dem ehemaligen Verteidigungsminister Oberstleutnant Miguel, den Spinola bevorzugt hätte. Ganz offensichtlich konnte sich der General mit seinem Mann nicht gegen die Bewegung der Streitkräfte und ihre politische Kommission durchsetzen. So tritt denn offen zutage, was bisher noch im verborgenen lag: Die politische Meinungsverschiedenheit zwischen jenen Offizieren, die mit der Linken sympathisieren und denen, die mit Spinola ein pluralistisches System anstreben. Natürlich überwiegt unter den linken Offizieren ein ,,na-tionalistisches“ Motiv, wodurch sie sich von der internationalen Linken, etwa der sozialistischen Redaktionskollektive in den Zeitungen, unterscheidet.

Mit Interesse schaut man schon jetzt auf einen „Senkrechtstarter“ des neuen Portugals, dem vom Artilleriemajor zum Brigadegeneral hochkatapultierten Leiter des neuen „Operationsstab Kontinent“, Otelo Saraiva de Corvalho. Er ist gleichzeitig Stadtkommandant von Lissabon. Der unter dem Oberbefehl von Generalstabschef Costa Gomez stehende Operationsstab soll das neue Portugal vor bewaffneten Aufständen schützen. Allein “die Gründung eines solchen Unternehmens bestätigt Gerüchte, wonach mit bewaffneten Unruhen zu rechnen sei.

Die wirtschaftliche Situation allein könnte Anlaß dazu geben. Provozierte Streikwellen ließen schon jetzt einen Teil der gerade im Entwickeln begriffenen Industrie zusammenbrechen. Steigende Arbeitslosenzahlen, die sich womöglich mit den aus Afrika zurückflutenden Farmern erhöhen werden, setzen Alarmzeichen. Auf der anderen Seite aber läßt sich, so ein Operationsstab auch für andere Zwecke benutzen. Es kommt immer darauf an, wer die Hebel bedient.

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