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Francos „Demokratisierung“

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Wie nicht anders zu erwarten, hat sich die politische Hochspannung, die seit einiger Zeit in Spanien herrschte, in den Begeisterungsrufen einer unübersehbaren Menschenmenge in Madrid und in der einstimmigen Akklamation des Verfassungscharakter tragenden „organischen Gesetzes“ durch die Cortes, das spanische Parlament, entladen. Nach einer einstündigen Rede, die der Caudillo im Schein einer grünen Schirmlampe und auf einem Thronsessel sitzend verlas — beide Gegenstände werden für derartige Anlässe stets aus dem Madrider Königspalast ln das Parlamentsgebäude transportiert —i, ließ er das „organische Gesetz“ verkünden. Nach 30 Jahren verfassungslosen Zustands hat er seinem Volk eine die bisherigen sechs Grundrechte der Spanier zusammenfassende Verfassung geschenkt. Sie ändert nichts Grundsätzliches am Regime, sondern verankert und festigt die franquistische Idee eines demokratischen Staates über Francos Zeit hinaus. Ein Abtreten Francos von der Staatsbühne oder große demokratische Offenbarungen, die viele Spanier bis zur letzten Minute erhofft hatten, sind ausgeblieben.

Regierungspräsident ä la franęaise

Das Spanien von morgen wird weiterhin Monarchie und Konfessionsstaat sein, in dessen Verfassung jedoch die Attribute „totalitär“, „falangistisch“ und „nationalsyndikalistisch“ fehlen. An seiner Spitze wird ein Staatspräsident stehen, dem ein von drei Reichsräten vorgeschlagener und vom Staatspräsidenten auf fünf Jahre ernannter Regierungspräsident folgt, der wenig mehr als derzeit Frankreichs Pompidou sein dürfte. Der Regierungspräsident seinerseits schlägt dem Staatspräsidenten die Minister zur Ernennung vor. Parlamentspräsident und Präsident des Obersten Gerichtshofes werden nicht mehr direkt vom Staatsoberhaupt designiert, sondern erst auf Vorschlag eines aus den Reihen des Reichsrats hervorgegangenen Triumvirats von ihm bestätigt. Auch wird der Reichsrat um sechs Mitglieder erweitert; der Nationalrat, die Kammer der Vertretung der Nationalbewegung also, wird vom Regierungspräsidenten angeführt. Solange Franco lebt, bleibt er oberster Leiter der Nationalbewegung. Nachher wird diese Funktion vom Regierungspräsidenten übernommen. In der Hierarchie der Nationalbewegung folgt sodann der Generalsekretär, der zwar weiterhin vom Staatschef ernannt, aber nicht mehr Minister wie derzeit Jose Solis Ruiz sein wird.

Regierungsmitglieder, Reichsrat und Nationalrat sind im spanischen Parlament edngeschlossen. Dieses erfährt eine der augenfälligsten der insgesamt vier grundsätzlichen Gesetzesänderungen: Er wird um 100 Abgeordnete vergrößert, die durch Familienoberhäupter und verheiratete Frauen gewählt werden. Eine von der Gesamtheit des Volkes gewählte Vertretung gibt es demnach nicht.

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