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AUF DEN SPUREN

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Ein Land zu durchreisen, um die Spuren eines Dichters aufzuzeichnen, ist von besonderem Reiz. Der Verfasser dieses Berichtes suchte in Spanien die Platze auf, die noch heute an den größten Dichter des Landes, an seih Leben und sein grotesk-fragisches Geschöpf, den Don Quijote, erinnern. Von Alcala de Henares, dem Geburtsort des Cervantes, führt sein Bericht nach Barcelona, Valencia und Ecija und schlieft-lieh in die Mancha, die Heimat des Ritters von der traurigen Gestalt, und nach El Toboso, das der unvergleichlichen Dame Dulzinea den Namen gab. In Madrid, wo Cervantes starb, endet die Spur.

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Ein Land zu durchreisen, um die Spuren eines Dichters aufzuzeichnen, ist von besonderem Reiz. Der Verfasser dieses Berichtes suchte in Spanien die Platze auf, die noch heute an den größten Dichter des Landes, an seih Leben und sein grotesk-fragisches Geschöpf, den Don Quijote, erinnern. Von Alcala de Henares, dem Geburtsort des Cervantes, führt sein Bericht nach Barcelona, Valencia und Ecija und schlieft-lieh in die Mancha, die Heimat des Ritters von der traurigen Gestalt, und nach El Toboso, das der unvergleichlichen Dame Dulzinea den Namen gab. In Madrid, wo Cervantes starb, endet die Spur.

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Im Süden das steile Ufer des Henares und die Hochebene von A Castilla Nueva; im gelben, dürren Tal die Stadt. An der Hauptstraße, gegenüber dsn Arkaden, steht die Casa de Cervantes in einem kümmerlichen, vertrockneten Garten; ein zweistöckiger Bau um einen Innenhof herum, schlicht, eine Zisterne im Hof, korynthische Säle, die von innen das zweite Geschoß tragen.

Hier wurde Cervantes geboren, in der damaligen Universitätsstadt, unweit Madrid und Toledo. Der Geburtstag ist unbestimmt, man schrieb September 1547.

Im Haus heute wieder der alte Zustand; wenige, einfache Möbel in den kleinen Zimmern, gebührliche Anordnung der Räume — Salon, Empfangsraum, Vorzimmer, alles winzig — die Praxis des Vaters mit der altertümlichen, korrekten Ausrüstung

— er war ein tauber, unfähiger Wundarzt, ein Hypochonder und unzufriedener Mensch — überall der ehrgeizige Versuch, einen Namen zu repräsentieren, den schon der Hauch des Niederganges umwehte.

Eine Freitreppe im Innenhof führt auf einen Rundgang: man tritt in das elterliche Schlafzimmer. Ein rotes Himmelbett steht in der Mitte. Hier gebar die Mutter, Leonor de Cortinas, als siebentes Kind Miguel. Zwischen den Fenstern ein Kinderbettchen: dort ist der Knabe gelegen.

Die angrenzenden Zimmer der Mutter verraten in Kleinigkeiten eine hochdenkende Frau, deren Leben durch einen schwächlichen Mann zu Grunde gerichtet wurde. Nach dem Geschmack der vornehmen Häuser saß sie auf türkischen Polstern zu ebener Erde, in einem kostbaren niederländischen Porzellan wird indischer Tee gereicht, die Gäste unterhalten sich über die neuesten Nachrichten aus Madrid: der Kaiser hat abgedankt, Philipo II. wird regieren... — dann zieht sich Leonor zurück in ein Zimmerchen nebenan und beginnt Wolle zu spinnen — wie eine Magd. Miguel beobachtet alles.

Bis zum achten Lebensjahr wohnt er in diesem Haus. An jenem kleinen Pult lernt er schreiben, auf diesem Stuhl sitzend \i& er..Bücher liebte, er imjne^J^rjjci Vör^weiägen Jahrzehnten hatte«,Wkgo de tAIcs- itfin GiWr. dir Cervantes Saavedra gerühmt ^etzt herrscht« “dir1 Aftnut.- s-er'lÄtereft'Re^Htär''setzte er den Traum entgegen, in den Büchern dauerte die schöne Wirklichkeit ewig, die er um sich versinken sah. Nicht fern ist der Tag, da alle Möbel des Hauses verkauft werden, um ihn, den Gefangenen in den Sklavenhöfen von Algier, loszukaufen: Erbteil und Mitgift setzten die Schwestern daran!

Die Ruinen der Kirche Santa Maria la Mayor begrenzen den Hauptplatz der Stadt, wenige Schritte vom Haus der Cervantes entfernt. Nur Turm und Baptisterium dieses einst prächtigen Bauwerks sind erhalten, halbe Ruinen auch sie — aber sie bergen ein kostbares Dokument, ein Zeugnis, das besagt, daß Juan Pardo am 1. Oktober 1547 einen Knaben Miguel de Cervantes Saavedra über die Taufe gehalten hat...

In der ersten Kapelle, rechts vom Portal der dunklen, kerzen-durchglühten Kathedrale von Barcelona knien die Betenden vor dem Jesu de Lepanto, dem aus schwarzem Holz geschnittenen Kruzifix, da® Don Juan d'Austria mit sich führte, als er als christlicher Feldherr am 7. Oktober 1571 die Flotte der ketzerischen Türken vor den Küsten Griechenlands schlug.

Auf dem Bug eines Schiffes der Ewigen Liga harrte ein vierundzwanzigjähriger Soldat aus, obwohl er dreimal verwundet war: Miguel de Cervantes aus Alcalä. Schließlich zwingt ihn eine gräßliche Verstümmelung der linken Hand unter Deck, aber der Sieg begeistert ihn: „Obwohl diese Verstümmelung häßlich aussieht“, wiird er später in der dritten Person über sich selbst sagen, „kommt sie ihm schön vor, da er sie sich geholt hat bei dem denkwürdigsten und erhabensten Geschehnis, das die vergangenen Jahrhunderte gesehen haben.“

Ein paar hundert Kilometer südlich. Gleichgültig schlendern Touristen durch den hellen Renaissancebau der Kathedrale von Valencia. — 1580: ein Novembertag. Cervantes kniet in einer Bank, Mönche des Trinitarierordens neben ihm. Cervantes, der Krüppel von Lepanto, ist anders heimgekehrt, als er sich gedacht. Fünfeinhalb Jahre saß er in maurischen Kerkern in Algier, auch dort ein Held. „Der wahre Dichter ist auch ein wahrer Held, und in seiner Brust wohnt die Geduld, die, wie der Spanier sagt, ein zweiter Mut ist“, schrieb Heinrich Heine über ihn. Cervantes half den Kameraden, endlich ist er selbst frei. Er dankt für seine Rettung, in Betrachtung des Bildes „Heilige Jungfrau mit dem Kinde“ von Vergara versunken ...

Sechs Jahre später: Toledo, El Greco erhält von der reichen Gemeinde Santo Tome den Auftrag, das Wunder bei der Grablegung des Cone de Orgäz darzustellen. Er malt den heiligen Augustin, den heiligen Esteban und die Edlen von Toledo, die das Grab umstehen, seine reichen Auftraggeber... Erst in unserer Zeit hat ein Forscher, hat Don Ventura F. Lopez, das Geheimnis des Malers enthüllt: Unter den Edlen stehen zwei von niederem Titel, aber umso höherem Geist: Lope de Vega und Miguel de Cervantes. Lope, der in ganz Spanien bekannte, bewunderte Sohn des Glücks, neben dem Gefangenen aus Algier, dem man aus Gnade, weil er einst in Lepanto mitgefochten, in Andalusien die Stelle eines kleinen Steuerbeamten der Krone eingeräumt hat, den de Vega verachtet, von dem er sagt: „Keinen schlechteren Dichter gibt es als Cervantes.“

Aber der Maler, der Fremde aus Kreta, El Greco, hat das Genie beider erkannt und begrüßt und unsterblich gemacht. ..

Santiago de Ecija liegt im Süden, in Andalusien, fast schon am Atlantik. Aus hartem, fast schwarzem Holz ist die Tür der Kirche. Spuren von Nägeln: seit Jahrhunderten wurden die Bekanntmachungen des Sprengeis hier angeschlagen. — Eines Morgens hängt dort der Name eines Miguel de Cervantes unter der Rubrik der Exkommunizierten. Ein rabiater Steuereinnehmer, heißt es. Er hat, nach Weisung aus Madrid, kirchlichen Weizen aus Ecija beschlagnahmt - da traf ihn aus Cördoba der Bann. Zur gleichen Stunde huldigt ihm im fernen Toledo, vor seiner Arbeit stehend, der große El Greco. Cervantes tut Buße, demütigt sich, um wieder in Gnaden aufgenommen zu werden. Das geschieht. Wenig später, in Castro del Rio, am Guadalquivir, die gleiche Härte: wieder beugt sich der verschuldete Steuereinnehmer in den Staub.

Das wellige Land der Mancha. mit den unendlich eintönigen, gelben Feldern, den braunen Weiden, ist die Heimat des scharfsinnigsten Ritters. Auf der Ebene, die ein scharfer Horizont umkreist, stehen die Dörfer wie verlassen — Stundenentfernungen zwischen sich. Alles Menschliche tritt hier reiner, deutlicher hervor als in allen einsamen Landstrichen. Wer Abwechslung suchte, vor vierhundert Jahren, an den kahlen Herbsttagen, den frierenden Winterabenden, griff zum Buch, zum Ritterroman. In der Einsamkeit der Nächte wachsen die Phantasien. Da werden die Windmühlen von Montiel zu Riesen, die in drohender Kette unterm Mondlicht marschieren, verwandeln sich die Herden der Merinos zu kämpfenden Heeren, klappern die Walkstempel als Drohungen mächtiger Zauberer... Ganz ist der Don Quijote ein Mensch dieses Landstriches, aber doch wächst der Ritter, je mehr er ein Manchaedelmann ist, zum Sinnbild des Menschen, werden seine Taten, die so ganz spanisch, ja gänzlich manchaisch sind, zu Gleichnissen alles menschlichen Tuns. Alles, was in diesem Buch gesagt wird, kann man erst ganz verstehen, wenn man den Raum des Helden kennt — wie sollte einer, der nie die peinigende Hitze der baumlosen Mancha erfuhr, auch nur einen Satz wie „Wer einen guten Baum wählt, wird guten Schatten finden“, tatsächlich begreifen!

Ein Ort in der Mancha ist vor allem mit Cervantes verknüpft: das Dorf El Toboso zwischen Madrid im Norden und Albacete im Westen. (Zwar gibt es bei Quintanär de la Orden ein Hotel, das sich stolz Meson de Don Quijote nennt, doch nur der leichtgläubige Fremde, der seinen Cervantes sehr flüchtig las, wird diesem Fremdenfang aufsitzen, hat doch der Dichter den Geburts- und Sterbeort seines Ritters unbestimmt gelassen, „damit alle Städte und Dörfer in der Mancha sich um die Ehre streiten sollen, ihm das Dasein gegeben zu haben und ihn unter ihre Sohne zählen zu dürfen.)

El Toboso, die Heimat der unvergleichlichen Dulzinea, liegt ein wenig abseits der großen Straße. Auf dem Hügel vor der Stadt, den damals noch Eichen bestanden, verbarg sich Don Quijote, bis er bei anbrechender Nacht in das Dorf zog, um den Palast der Dame'seines Herzens aufzusuchen und ihr seine Liebe zu gestehn-.. Ein Abend wie jener,, dreihunder-tfünfzig 'Jahre sind vergangen, ich ziehe zur gleichen Stunde wie der Ritter über das Land — wenn auch andre Gedanken im Kopf. Fern unter mir, in der weiten Talsenke, leuchtet der Fleck blendenden Weißes im Mondlicht. Zwischen einzelnen Olivenbäumen gehe ich vor, trete endlich in ein Gewirr schmaler Gäßchen ein. Die Mauern, die die Höfe begrenzen, sind so niedrig, daß man fast hinüberschauen kann: Sancho ritt an einen dieser Höfe heran, um die Dame Dulzinea beim Weizensieben mit einem Haarsieb zu beobachten ...

1 Katzenköpfe pflastern die Straße, mit Flugsand bestreut. Blasses Licht und Stille. „Im ganzen Flecken hörte man nichts, nur das Gebell der Hunde, welches Don Quijotes Ohr betäubte und Sanchos Herz ängstigte. Von Zeit zu Zeit schrie ein Esel, grunzten Schweine, miauten Katzen, und die Töne dieser verschiedenen Stimmen wurden durch das Schweigen der Nacht noch verstärkt. Tiefe Stille herrschte in dem Orte, denn alle Bewohner schliefen wie Klötze...“

So auch heute. Die Mancha, ein Land, an dem die Jahrhunderte vorbeigingen — ohne Spur.

„Wenn ich recht sehe, muß jene dicke Masse, die den großen Schatten dort unten wirft, Dulzineas Palast sein“, hatte der verliebte Ritter gesagt, heute stehe ich vor dem dunklen Gebilde, an dessen hohem Turm Don Quijote erkannte, daß dies

Miguel de Cervantes. Nach einem zeitgenössischen Stich kein Schloß, sondern die Kirche des Dorfes sei, ein romanischer, fester Bau.

„Wir sind an die Kirche geraten, Sancho“, hatte er ausgerufen, und „Ich sehe es wohl“, jener geantwortet, „Gott gebe, daß wir hier nicht unser Grab finden, denn es ist ein schlimmes Zeichen, wenn man in dieser Stunde auf den Gottesacker gerät...“ Darauf hatten sich die tapferen Waffengefährten zurückgezogen, um oben auf dem Hügel lieber den hellen Tag abzuwarten...

Mir öffnet sich ein gastliches Haus, der Gastfreund heißt mich willkommen.

Don Jaime Olmo, dem ich am Morgen in seiner engen, vom Manchawind verstaubten Bibliothek gegenübersitze, ist kein Gelehrter, wie man ihn sich vorstellt, und do.ch.ist ej, .der^tAl' kalde von El Toboso, der Presidente de Socjedad-Cetvantimo, einer internationalen Vereinigung zur Pflege dies:'eervantihisfeHen Andenkens, die Don Jaime Martinez Pantoja, der verstorbene Onkel Olmos, im Jahre 1924 gegründet. Hier in Toboso befindet sich die Bibliotheca Cervantes, deren Aufgabe es ist, alle bedeutenden Drucke des „Don Quijote“ zu sammeln — man kennt allein gegen 700 vollständige Übersetzungen — sowie die Wirkung des Werkes in der unübersehbaren Fülle der Sekundärliteratur zu demonstrieren. Wie häufig im Lande Don Quijotes entfernen sich Idee und Wirklichkeit weit voneinander. Don Jaime klagt mir sein Leid. Nur ein paar Spanier unterstützen ihn, manchmal kommen Franzosen, selten ein Deutscher. „Bitte, sagen Sie den deutschen Verlegern, daß sie uns von jeder bedeutenden Übersetzung, jeder neuen .Ausgabe ein Stück zusenden.“ Gern verspreche ich dem kleinen, freundlichen Herrn, die Bitte weiterzugeben.

Wir gehen an den Regalen entlang. Ich frage nach den ersten Ausgaben, die 1605 und 1614 bei Cuesta in Madrid erschienen — Cervantes wohnte damals in der Calle de la Magdalena, hinter dem Palacio Pastrana, und überwachte selbst den Druck! —, aber Don Jaime schüttelt traurig verneinend den Kopf. Die beiden erhaltenen Stücke, ungeheure Kostbarkeiten, haben sich der Escorial und der Vatikan gesichert. Sie hatten Geld.

Die frühesten Drucke, die in Toboso zu finden sind, stammen aus dem 18. Jahrhundert. Voll Stolz zeigt er mir zwei kostbar in Maroquinleder gebundene Bände der „Novales ejemplares“, und einen Nachdruck des „2. Bandes des Don Quijote“, den ein Schriftsteller Avellaneda aus Saragossa veröffentlichte, bald nachdem Cervantes den ersten Band herausgebracht hatte; die Hoffnung Avellanedas, sich vom Erfolg des echten Don Quijote emportragen zu lassen, wurde nicht erfüllt. (Der aufmerksame Leser wird sich erinnern, daß Don Quijote auf seiner Reise nach Barcelona die Stadt Zaragossa mied, weil sie die Heimat des Plagiators!)

Von den deutschen Übersetzungen ist nur die von Tieck vertreten, mit einem Vorwort von Heinrich Heine, ein Nachdruck aus dem Jahre 1928 mit Kupfern von Chodowiecky und einer Widmung: „Cervantes' unsterbliches Werk in Goethes Sprache der Bibliothek von El Toboso. Berlin, den 6. Mai 1929, Von Hindenburg.“

Die Übersetzung ins Englische von Motteux mit den Bildern von Kauffer trägt die Widmung des englischen Premiers: „Presented to the Bibliotheca Museo Cervantes. London, llth April 1932, Ramsay MacDonald.“ Präsident Doumer sandte die französische, Stalin die russische Fassung, Mussolini schickte aus Italien eine Prachtausgabe mit Kupfern von Dore, Masaryk die tschechische Fassung, A. N. Bialik brachte persönlich seine Übersetzung ins Hebräische, aus Japan kam eine reizende, mit Holzschnitten geschmückte Edition von Mahoro Saito: die ganze Welt war sich einig in der Huldigung an den Dichter, der arm, als Steuereintreiber, den Ort El Toboso gesehen, in seinem Gedächtnis bewahrt und zum Schauplatz seiner Dichtung erhoben hatte.

Unter den vielen merkwürdigen Büchern, die ich an diesem Morgen in die Hand nehme, scheint mir dieses die kostbarste Huldigung: Den Häftlingen im Zuchthaus von Ocafia war gestattet worden, den Don Quijote zu lesen. Dankbar für die Worte des Dichters versprachen sie sich, die beiden umfangreichen Bände mit eigener Hand abzuschreiben: Blatt nach Blatt wurde mit einer säuberlichen, ungelenken Schulschrift gefüllt. Dann wechselt das Buch in eine andre Zelle, ein andrer Zuchthäusler setzt seinen Narnen oben an die Seite, und schreibt seinen Anteil. So wanderte das Buch von Zelle zu Zelle. Es sind weit mehr als tausend Seiten, die ich in Händen halte. Einige Häftlinge konnten zeichnen. Ich habe nie Illustrationen von größerer Lebendigkeit gesehen — mochten sie künstlerisch auch unvollkommen sein — allen voran das Bildnis des Cervantes im Gefängnis (es ist nicht gesagt, ob im Carcel de Sevilla oder im Kerker von Valladolid, beide blieben dem Dichter, der alle Tiefen durchlitt, nicht erspart!), wie er auf einer rohen Bank sitzt; „Cervantes imaginado el Quijote“ heißt die Unterschrift... Der Gefangene von 1597, der gegen erine feindliche Welt den gütigen Helden ersann, tröstet und stärkt mit seinem Lächeln auch heute noch die Bedrückten.

El Toboso: hier zeigt sich am deutlichsten der späte Glanz, der sich auf den Namen Cervantes legt, in Madrid aber, wenige Kilometer weiter nördlich, vollendet sich die Lebensbahn des Menschen Cervantes: in Armut, wie sie begonnen.

Am 23. April 1616 stirbt, ein angesehener Bürger seiner Stadt, Shakespeare in Stratford.

Am Nachmittag des gleichen Tages schließt Cervantes in der

Calle de la Magdalena die Augen für immer: sein Ruhm begann sich ;Y der Welt zu verbreiten, es ist gerade zwei Jahre her, daß dci ,,Don Quijote“ vollendet wurde. Still geht er davon, so wie der Anteil seiner Zeit immer gering war. Aber dde ungeheuren Leiden, die Verstümmelung von Lepanto, die Gefängnisse von Algier, Sevilla und Valladolid, die Demütigungen von Ecija haben ihn geläutert. Er stirbt versöhnt. Seine letzten geschriebenen Worte sind: „Lebe wohl, anmutige Welt, lebt wohl, schöne Worte, lebt wohL ihr fröhlichen Freunde; ich werde sterben, und möchte wünschen, euch ebenso zufrieden im anderen Leben zu sehn.“ Ich gehe über die Plaza de Espana, wo heute ein Denkmal an den Dichter erinnert, hinüber zur Kirche des Trinitarierklosters: Hier vor dem Altar, auf einfachem Katafalk lag der große Tote. Juan Arbo hat in schlichten Worten seine letzten Stunden über der Erde beschworen: „Unter dem hellen Licht der Wachskerzen oben auf der Bahre, stand eine erhabene Heiterkeit in seinem Gesicht, während eine Seele, von allen irdischen Banden befreit, bereits im endgültigen Frieden Gottes ruhte.“

Leise trete ich auf die Calle de las Huertas hinaus. Weiter führt die Spur nicht. Sein Grab ist unbekannt.

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