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Der gefahrdete Staat

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Immerhin sind auch heute noch einzelne politische Kreise von der Vorstellung erfüllt, daß die nationale und staatliche Einheit unbedingt der Kiircihe bedarf, um gegen Aufbruchsgefahren geschützt zu sein. Dieses Denken datiert zum wesentlichen Teil aus jener Zeit, in der tatsächlich die nichtkatholischen Glaubensgemeinschaften Spaniens in der Hauptsache von ausländischen Seelsorgern geleitet und von außen her finanziert wurden. Man betrachtete sie also als die Einfallstore fremder Einflüsse und einer politischen Infiltration, die gegen den Staat gerichtet waren. Man muß dabei berücksichtigen, daß seit den napoleonischen Kriegen Spanien praktisch im Schatten einer Isolationspsychose gelebt hat, die den Pyrenäen für viele Spanier — und leider auch für viele Mitteleuropäer — die Gestalt einer Weltenscheide gab, die sie in der Großzeit spanischer Geschichte nie waren. Aus diesen Entwicklungen ergibt sich das dem Ausländer vielleicht paradox erscheinende Bild einer spanischen Kirche, die sich heute liberaler und demokratischer präsentiert als eine Reihe von Gruppen der Politik. Das zeigte sich deutlich bei den Auseinandersetzungen um die neue Religionsfreiheit innerhalb der Madrider Parlamentsausschüsse.

Schon vor mehr als drei Jahren hatten die, Bischöfe Spaniens dem Protestantenstatus Fernando Olivies von 1963 zugestimmt und ihn unterstützt, während politische Kreise dazu in scharfer Opposition standen. Spanische Ordensgemeinschaften und die in den letzten Jahren im religiösen, geistigen und sozialpolitischen Leben Spaniens sehr einflußreiche Laienkongregation des Opus Dei standen dabei zusammen mit der Katholischen Aktion in der ersten Reihe der Befürworter einer neuen religiösen Ordnung, die den Nichtkatholiken ihre religiöse Freiheit zugestand und eine Annäherung an sie suchte. Der Begründer des Opus Dei, Monsignore Escrivd de Balaguer, hatte vor mehr als einem Jahr schon die Forderungen auf eine brüderliche Zusammenarbeit aller christlichen Glaubensbekenntnisse auch in Spanien gestellt, und der bekannte Staatsrechtslehrer der Opus-Dei-Universität von Pamplona, Professor Monsignore Fuenmayor, hatte als erster in Madrid vor einem internationalen Forum von Diplomaten und Journalisten katholische und protestantische Geistliche zu einem freundschaftlichen Meinungsaustausch vereint.

Es waren darum auch in den Ausschußberatungen des Madrider Parlamentes in der Hauptsache ausgesprochen katholische Abgeordnete, wie der Chef der Christlichen Demokratie und frühere Außenminister Spaniens, Martin Artajo, und der christlich-demokratische Rechtslehrer der Madrider Universität, Professor Sanchez-Agesta, die gegen Verwässerungen und Beschneidungen des Gesetzes zum Schutz der religiösen Freiheit — das ist seine offizielle Bezeichnung — auftraten. In der gleichen Weise waren es ausgesprochen katholische Blätter, die in sehr scharfer und konkreter Form die Versuche, die neue Religionsfreiheit einzuengen oder zu torpedieren, vor der Öffentlichkeit bloßstellten. „Diario de Barcelona“ forderte in Übereinstimmung mit der von dem bekannten liberalkatholischen Politiker Professor Calvo Serer geleiteten Zeitung „Madrid“ sogar, daß Parlamentsmitgliedern, die das Gesetz zu Fall zu bringen versucht hatten, ihre Parlamentssitze entzogen würden, da sie durch eine solche Haltung ihre Unvereinbarkeit mit der Zeit und mit dem Geist der spanischen Staatsreformen bewiesen hätten.

Die Wirksamkeit der zukünftigen Religionsfreiheit Spaniens wird natürlich weitgehend davon abhängen, in welchem Geist das Gesetz und seine Bestimmungen angewendet werden. Informationsminister Professor Fraga vertrat vor kurzem erst auf einer Pressekonferenz den Standpunkt, daß es seinem Sinn und Wort nach den Nichtkatholiken eine öffentliche Missionsarbeit im Rahmen der allgemeinen Verfassungsbestimmungen gestatte. Diesen Standpunkt vertreten gleichfalls andere katholische Rechtslehrer, so der dem Opus Dei angehörende Pater Fuenmayor, der in einem freien religiösen Wettbewerb aber eine Stärkung des spanischen Kaitholiiziiismuis sieht.

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