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Am 6. Oktober spricht Johannes Paul II. den Gründer des Opus Dei, Josemaría Escrivá (1902 bis 1975), heilig: 200.000 Pilger, darunter 1.500 aus Österreich, werden in Rom erwartet. Die unüblich schnelle Kanonisierung ruft wenig überraschende Reaktionen hervor: Freude beim Opus Dei, Kritik bei seinen Kritikern. Das Dossier geht Spuren dabei nach und lässt - ohne Anspruch auf erschöpfende Behandlung des Themas - Mitglieder wie kritische Beobachter zu Wort kommen. Und will zu weiterer Auseinandersetzung anregen. Redaktionelle Gestaltung: Otto Friedrich

Die Fußabdrücke eines Karmelitermönchs waren spirituelles Schlüsselerlebnis für den jungen Josemaría Escrivá. Doch nicht nur Mystik stand am Beginn seines Weges.

Das aragonesische Barbastro, kein architektonisches Juwel, einfach ein spanisches Städtchen mit seiner obligatorischen kleinen Plaza, mitsamt all den liebgewonnenen Traditionen: Siesta, Kirche und Kaffeehaus. Gemächlich der Lebensrhythmus der Bewohner der kleinen Bischofsstadt, fast jeder kennt hier noch jeden. Der Reiz der Stadt ist ihre Lage: Am Fuße der Vorberge, in der Ferne die schneebedeckten Gipfel der Pyrenäen. Die Ausfallstraße führt vorbei an den Weinbergen des Somontano Richtung Frankreich. In dieser Stadt wurde 1902 der Gründer des Opus Dei Josemaría Escrivá geboren. Als er zwölf war, verließ die Familie - nicht freiwillig - die Stadt.

An der Stadtgrenze stößt man unübersehbar auf die hellroten Hinweisschilder mit einer burgartigen Darstellung: "Santuario Torreciudad" - es ist der Hinweis auf ein unweit gelegenes Heiligtum: Trutzig in die Landschaft hineingebaut erhebt es sich über den Ufern eines künstlichen Sees: Ein mächtiges Bauwerk, errichtet aus Spenden der Mitglieder des Opus Dei in den frühen siebziger Jahren, die Diktatur des Generalísimo Francisco Franco lag damals in den letzten Zügen. Josemariá Escrivá hat den Beginn der Demokratie in Spanien nicht mehr erlebt. In dieser Zeit erteilte das Werk Gottes dem Architekten Fernando de la Puente den Auftrag, zu Ehren des Josemaría Escrivá das "Santuario" zu errichten: Diese aus aragonesischem Ziegelstein errichtete "Apotheose des Glaubens" verdankt ihre Existenz der Familiengeschichte und der Verzweiflung der Mutter des neuen Heiligen.

Festung des Glaubens?

Man schrieb das Jahr 1904 - die Mutter des Josemaría hatte schon drei Kinder verloren, nun war auch ihr Sohn schwerkrank, der Arzt von Barbastro hatte das Kind schon abgeschrieben. Da gelobte die Mutter, zu der kleinen Marienkapelle im Cincatal zu pilgern, falls ihr Sohn überleben sollte. Der kleine Josemaría starb nicht, er selbst wollte hier viele Jahre später ein Zeichen setzen.

Jeden Sonntag kommen Touristen - nicht nur Spanier - zum Santuario, in dem bis jetzt neben der Jungfrau Maria auch in einer eigenen Ausstellung einiges über das Leben und Wirken jenes Mannes zu erfahren ist, den Papst Johannes Paul II. am 6. Oktober zur Ehre der Altäre erhebt.

Leiter der Wallfahrtskirche ist Javier Mora Figeroa, ein gastfreundlicher Priester, der große Selbstsicherheit ausstrahlt; er erzählt, wie man den Bau mit Krediten, freiwilliger Arbeit - aber auch mit dem Verkauf einer Immobilie in Japan - finanzierte. Auch, so räumt er ein, soll hier in der maurischen Epoche eine Moschee gestanden haben, die Archäologen müssten sich allerdings gedulden, denn zuerst müssten die notwendigen Restaurationsarbeiten an der Wallfahrtskirche vollendet werden. Ob das Bauwerk nicht auch eine Festung des Glaubens, wie ihn das Opus Dei versteht, sei? Mora Figeroa: "Nein, das war nicht so gedacht! Die Ziegelbauweise ist typisch für Aragon. Das Bauwerk ist der Landschaft angepasst, es sollte auch ein modernes Gebäude werden, kein historisches Revival alter Architektur".Und weiter: "Wir im Opus Dei betreiben keine Proselytismus, wir bringen den Leuten den Glauben."

Der Priester hebt auch die Treue zum Papst hervor. Überhaupt überrascht hier der apodiktische Stil des Auftretens der Männer des Opus Dei. Die Frauen sind da etwas anders, auch sie sind sich ihrer Berufung sicher, doch der zweifelsfrei forsche Ton, der findet sich weit seltener.

In Barbastro steht auch das Geburtshaus Escrivás. Der Vater - man würde die Familie der Mittelschicht zuordnen - hatte in der Stadt ein Textilgeschäft. Damals hatten sie auch eine Köchin und ein Dienstmädchen. Das wurde allerdings bald anders. 1914 - während der Wirtschaftkrise die die Texilindustrie besonders traf, konnte José Escrivá nicht bestehen und ging bankrott. Alle Angestellten und die häusliche Hilfe mussten gekündigt werden. Die Familie verließ darauf die Stadt, für das Kind, den späteren Priester Josemaría war - nach dem Tod von drei Schwestern! - dieser Konkurs ein weiteres Trauma. Josemaría Escrivá verglich das Schicksal seines Vaters, der sich später als kleiner Angestellter im fernen Logroño durchschlagen musste, einmal mit dem Los des biblischen Hiob.

Das Geburtshaus wurde vom Opus Dei aufwendig saniert, heute leben hier Numerarierinnen, das sind Opus-Dei-Mitglieder, die ein Gelübde der Ehelosigkeit geleistet haben und als Laien zölibatär leben. Eine von ihnen ist die sympathische Monica Laborda, 25 Jahre alt, eine junge und sehr schüchterne Frau, die in Barbastro als Spezialistin für EU-Recht arbeitet: "Ich bin stolz hier in dieser Arche Noah' leben zu können!" Auf die Ehe hätte sie verzichtet, denn sie hätte Gott ein Versprechen gegeben, meint sie. Doch das Pathos und die Unverrückbarkeit der Aussage der Männer des "Werkes" ist bei ihr nicht zu spüren.

Prozess innerer Einkehr

In den offiziellen Biographien des Opus Dei wird immer wieder von einem Schlüsselerlebnis des jungen Escrivá berichtet: Als seine Familie schon in Logroño lebte, hätten ihn die bloßen Fußabdrücke eines Kamelitermönchs im Schnee so bewegt, dass er sich aufgefordert sah, auch sein Opfer für Gott zu erbringen. Auf dieses Schlüsselerlebnis angesprochen meint der Promotor des Heiligsprechungsverfahrens inRom, Prälat Flavio Capucci: "Seine unmittelbare Reaktion auf die Abdrücke im Schnee war innere Einkehr, Gebet, täglicher Besuch der Messe. Er übte Buße! Er ließ Gott in sein Herz! Danach verging ungefähr ein Monat, bevor er sich entschied, Priester zu werden. Der Entschluss und der Eindruck, den dieses Erlebnis auslöste, fallen nicht zusammen. Aber es beginnt ein Prozess der inneren Einkehr, der damit endet, dass er sich vollkommen dem Herrn hingibt."

Flavio Capucci ist ein geübter Redner, er demonstriert, wieviel Arbeit und Recherche notwendig war, um die Anforderungen des Heiligsprechungsverfahrens, das ja unter Johannes Paul II. reformiert worden war, zu erfüllen. Drei dicke rote Bände in italienischer Sprache legt er vor. Bei jedem Heiligsprechungsverfahren werden auch Gegenstimmen gehört, früher nannte man diese Person "Advocatus diaboli".

Miguel Fisac Serna, langjähriger Begleiter José María Escrivás (siehe Interview auf Seite 14) hätte von den Theologen an sich angehört werden können, aber wegen angeblicher "psychischer Labilität" galt der Madrider Architekt im Selig- wie im Heiligsprechungsprozess nicht als interessanter Zeuge.

Fisac macht auch ganz prosaische Gründe geltend, warum aus Josemaría Escrivá ein Priester geworden war: "Nach dem Bachillerato' (der Matura vergleichbar; Anm.) sagte er: Ich will Architekt werden.'

Aber das war reines Wunschdenken, bei der wirtschaftlichen Lage seiner Familie war an Studieren auch nicht im entferntesten zu denken. Es bleibt der Eindruck, dass er nur widerwillig ins Priesterseminar eingetreten ist. Auch empfand er wenig Symphatie für die anderen Seminaristen, ja, er verachtete sie sogar. Es blieb ihm aber nichts anderes übrig, als Priester zu werden, wenn er nicht Verkäufer in einem Geschäft werden wollte oder so etwas." Jenes Schlüsselerlebnis war also nur ein Teil der Entscheidung Priester zu werden, materielle Gründe und die Tatsache, dass die Ausbildung im Priesterseminar für die Eltern keine erheblichen Kosten verursachten, waren mit ein Grund.

Eine der vor dem II. Vatikanum zweifelsohne neuen Ideen, war die Neudefinition der Rolle der Laien in der katholischen Kirche. Josemaría Escrivá propagierte immer wieder: Heiligwerden ist eine Sache für alle, auch in der alltäglichen Arbeit kann sich dieser Prozess vollziehen. Diese Gedanken zum Laienapostolat hatten auch den ehemaligen Erzbischof von Wien, Kardinal Franz König, bewogen, das Opus Dei in Österreich zu unterstützen. Arbeit heißt im Opus Dei heute oft Bildungsarbeit. Seit 1982 hat das Opus Dei als "Personalprälatur" (das ist eine Art weltweite Diözese, die nicht über ein Territorium, sondern über ihre Mitglieder definiert ist) eine einzigartige Stellung in der katholischen Kirche.

"Das Opus Dei ist in den Elendsvierteln von Madrid geboren", wehrt sich der Priester Javier Mora Figeroa gegen den Vorwurf, dass sich das Opus Dei in seiner Arbeit vornehmlich auf die Begüterten konzentriere. Josemaría Escrivá begann seine Arbeit mit Studenten und Kranken in Madrid in der Zeit vor dem Spanischen Bürgerkrieg. 1967, in der Zeit der Diktatur, gründete er die Universität von Navarra, die auch heute noch existiert. Spanien ist das Land, in dem das "Werk Gottes" am meisten Mitglieder hat, hier existiert beides: Eliteschulen und Opus-Dei-Universitäten, die sich doch nicht jeder leisten kann (Söhne von kleinen Kaufleuten, wie José María Escrivá einer war, könnten hier allenfalls mit Stipendium studieren), werden genauso von dem Opus Dei nahestehenden Institutionen geführt wie karitative Hilfsorganisationen in den Elendsvierteln.

Zum Autor siehe Artikel rechts.

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