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Selig, die dennoch glauben

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„Die Seligsprechung von Papst Johannes XXIII. wäre mir lieber gewesen." So der Stoßseufzer des Bischofs von Trier, Hermann Josef Spital, angesichts des triumphalen Spektakels rund um die am 17. Mai erfolgte Seligsprechung von Josemaria Escrivä Balaguer, der 1928 das Opus Dei gründete, 1975 starb und schon 17 Jahre nach seinem Tod seliggesprochen wurde.

Dem Bischof von Trier werden viele zustimmen. Gegen die jüngste Entscheidung der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen werden allerlei Argumente ins Treffen geführt: die Blitzartigkeit des Verfahrens, die behauptete Unterdrückung negativer Zeugenaussagen wegen angeblicher „Voreingenommenheit", der Pomp des Festes in Rom (dreitägige Feiern mit 22 Gottesdiensten).

Andererseits hat sich in die Kritik an dieser Seligsprechung sicher auch das verbreitete Unbehagen über das „Werk Gottes" eingeschlichen. Eine gewisse Geheimnistuerei und die totale Vereinnahmung der Mitglieder hat ihm Kritik und Gegnerschaft („Octopus Dei") eingetragen. Andererseits kann man verstehen, daß die Zielsetzung (Heiligung der Welt durch um Heiligkeit bemühte Mitglieder) dem Papst heute besonders wichtig erscheint.

10.000 der 76.000 Opus-Mitglieder sind „Numerarier", die „in besonderer Weise" unverheiratet in ihren jeweiligen Berufen Gott dienen. (Irgendwie bekommt man als Verheirateter immer wieder das Gefühl vermittelt, Gott weniger nahe zu sein, als ob einen der Ehepartner davon gewissermaßen ablenkte.) Aber zugunsten der jetzigen Seligsprechung muß erwähnt werden, daß durch das Konzil eine Verkürzung des Verfahrens ermöglicht (und der advocatus diaboli abgeschafft) wurde und Johannes Paul II. sehr an zeitgenössischen Seligen und Heiligen gelegen ist. Kürzlich klagte der Papst sogar, daß sein „großer Herzenswunsch" unerfüllbar sei, auch einmal ein Ehepaar seligzusprechen. Aber „aus der Natur der Sache" (wie das?) und „wie die Dinge liegen", gebe es heute „keine diesbezügliche Unterstützung" in den Diözesen und Pfarren. Die „Rückendek-kung des Gottesvolkes" wird laut Papst nur Ordensleuten und Priestern zuteil.

Das müßte man wirklich noch genauer untersuchen. Zweifel sind erlaubt. Zweifel sind aber überhaupt an der Art erlaubt, wie die Kirche im Lauf der Jahrhunderte aus der Heiligkeit aller, die Anteil an Christus haben („Gemeinschaft der Heiligen" war bei Paulus die Ur-kirche), ein Gremium beglaubigter Privilegierter machte. Daß Heilige einen Sinn haben, wenn wir (eine evangelische Formulierung) „an ihrem Exempel unseren Glauben stärken", steht außer Streit. Aber daß ein Mensch (eine katholische Kirchenrechtsformulierung) „mit Christus im Himmel regiert", sollten die irdischen Buchhalter der Heiligkeit vielleicht doch ein bißchen weniger selbstsicher behaupten.

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