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Digital In Arbeit

Andere durch die Arbeit heiligen

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Über „Opus Dei” wurde schon oft Kritisches geschrieben. Werdiesen Beitrag des Krakauer Erzbi-schofs gelesen hat, wird die Grundidee dieser Bewegung besser verstehen.

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Über „Opus Dei” wurde schon oft Kritisches geschrieben. Werdiesen Beitrag des Krakauer Erzbi-schofs gelesen hat, wird die Grundidee dieser Bewegung besser verstehen.

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Im Oktober 1974 hat sich Kardinal Wojtyla, damals Erzbischof von Krakau, bei einem Vortrag im CRIS (Centro Romano di Incontri Sacerdotali) in Rom die folgende Frage, die auch unter den Entwürfen des „Lineamenta” genannten Dokumentes zur Einleitung der Vorbereitungsphase der nächsten Bischofssynode im Jahre 1987 wiedererscheint, vorgelegt: „Wird die wahre Entfaltung des Menschen, das heißt, sein Fortschritt als Person, seine geistige Reife und seine sittliche Persönlichkeit, Schritt halten mit dem Fortschritt der technischen Mittel, über die wir verfügen können? Wie wird der Mensch, der das Antlitz der Erde gestaltet, auf dieser Erde seine geistige Gestalt ausformen?”

Die Antwort, die Kardinal Wojtyla damals gab, lautet: „Auf diese Frage konnten wir mit jenem glücklichen Ausdruck antworten, der heute bereits Menschen auf der ganzen Welt geläufig ist und den Msgr. Escrivä de Balaguer vor so vielen Jahren geprägt hat: .Indem jeder seine eigene Arbeit heiligt, sich in der Arbeit heiligt und die anderen durch die Arbeit heiligt.*”

Diese Spiritualität einer ganzheitlichen menschlichen und christlichen Berufung mitten in der Welt verkündete Msgr. Escrivä de Balaguer ununterbrochen seit der Gründung des Opus Dei. Viele Aspekte seines Beitrages zum christlichen Leben wurden schon dem geistlichen Erbe unserer Zeit einverleibt, besonders durch das II. Vatikanische Konzil, zu dessen Vorläufern Msgr. Escrivä gehörte.

Einige Monate nach dem Vortrag von Kardinal Wojtyla in Rom, am 26. Juni 1975, starb Msgr. Escrivä de Balaguer in der Ewigen Stadt im Ruf der Heiligkeit. Seit diesem Ereignis sind zehn Jahre vergangen. Angesichts des Aufrufes des Papstes, die Kirche möge sich wieder dem Thema „Berufung und Sendung der Laien in Kirche und Welt zwanzig Jahre nach dem II. Vatikanischen Konzil” stellen, erscheint es von Bedeutung, am zehnten Todestag von Msgr. Escrivä de Balaguer gerade an diese Aspekte seiner Lehre zu erinnern, die eine so klare Antwort auf aktuelle Probleme gibt, wie sie in den „Lineamenta” zur nächsten Bischofssynode aufgeworfen werden.

Zweifellos ist es zu früh, den Beitrag von Msgr. Escrivä in allen seinen Dimensionen entsprechend zu bewerten. Aber im Dekret zur Eröffnung des Selig- und Heiligsprechungsprozesses vom 19. Februar 1981 nahm Kardinal Ugo Poletti, Vikar von Rom, schon eine Bewertung vorweg, welche die große Autorität von Msgr. Escrivä de Balaguer bezüglich der Thematik der nächsten Bischofssynode hervorhebt: „... Durch seine Lehre, daß jeder die Heiligkeit in seinem Alltag zu suchen habe, machte Msgr. Escrivä von neuem klar: Die Arbeit ist Instrument und Ort der Heiligung. Deshalb bekräftigte er zugleich die Bedeutung des Bemühens um höchstmögliche Vollkommenheit bei der Erfüllung der täglichen Aufgaben und betonte die Notwendigkeit, diese Pflichten mit Hilfe der Gnade und durch eine lebendige und aufrichtige Frömmigkeit in Verbundenheit mit Gott zu verrichten.”

In seiner Ansprache an die Konsultoren des Generalsekretariats der Bischofssynode am 19. März 1984 hat der Papst zwei richtungweisende Überlegungen angestellt, die die Aktualität und Dringlichkeit „einer Wiederaufnahme der Besinnung der Kirche auf die Berufung und Sendung der Laien” hervorheben. Zunächst stellte der Papst fest, daß die wertvollen Früchte des Konzils, welche in den Laien ein lebendigeres Bewußtsein ihrer wesenhaften Eingliederung in die Kirche und einer verantwortlichen Teilhabe an deren Heilssendung gefördert haben, nicht für eine elitäre Minderheit bestimmt sind, sondern für alle. Es bleibe aber noch viel zu tun, um diese

Früchte an jeden einzelnen der großen Masse der Laien heranzutragen.

Diese Problemstellung führt mich direkt dazu, an die Klarheit zu denken, mit der Msgr. Escrivä de Balaguer an eine „Lehre, alt wie das Evangelium und wie das Evangelium neu” erinnerte, nämlich an den allgemeinen Ruf zur Heiligkeit und zum Apostolat. Er sagte: „Seit dem Anfang des Werkes im Jahre 1928 predige ich, daß die Heiligkeit keine Sache für Privilegierte ist, sondern daß alle Wege der Erde, alle Stände, alle Berufe, alle rechtschaffenen menschlichen Aufgaben Wege Gottes sein können.... Um Gott zu lieben und ihm zu dienen, ist es nicht nötig, auffallende Dinge zu tun. Alle Menschen ohne Ausnahme ruft Christus auf, vollkommen zu sein, wie ihr himmlischer Vater vollkommen ist (Mt 5,48). Heiligwerden bedeutet für die überwiegende Mehrzahl der Menschen, ihre eigene Arbeit zu heiligen, sich in dieser Arbeit selbst zu heiligen und die anderen durch die Arbeit zu heiligen, damit sie täglich auf dem Weg ihres Lebens Gott begegnen.”

War die erste vorher zitierte Überlegung des Papstes über das Thema der Synode über die Laien vornehmlich zwischenkirchlicher

Natur (Ecclesia ad intra), so nimmt die zweite in erster Linie Bezug auf die Situation und die Aufgabe der Laien in der Welt (Ecclesia ad extra). Es geht um die dringende Notwendigkeit, die Laien in ihrer ureigenen Aufgabe zu bestärken, christliche Antworten und Lösungen für die — oft komplizierten - Fragen und Probleme der heutigen Welt zu suchen.

In bezug auf diese zweite Uber-legung finde ich ebenfalls Worte des Gründers des Opus Dei, die gut zum Ausdruck bringen, wie die Haltung und die Aufgabe der Laien mitten in der Welt aussehen soll: „Es gibt nichts, was der Sorge Christi fremd wäre. Wenn wir wirklich theologisch denken, uns also nicht mit einer funktionellen Einteilung begnügen wollen, so können wir nicht behaupten, es gäbe Wirklichkeiten — seien sie nun gut und edel oder auch nur indifferent —, die ausschließlich profan sind, nachdem einmal das Wort Gottes unter den Menschen geweilt, Hunger und Durst verspürt und mit seinen Händen gearbeitet hat, nachdem Es Freundschaft und Gehorsam, Leiden und Tod erfuhr. Denn es hat Gott gefallen, in Christus ,die ganze Fülle wohnen zu lassen und durch Ihn alles mit sich zu versöhnen, was auf Erden und was im Himmel ist, indem Er durch sein Blut am Kreuz Frieden stiftete* (Kol 1,19).”

Treffend hat Msgr. Escrivä die Aufgaben der Laien in einem Satz zusammengefaßt, den er gern wiederholt hat: „Christus an die Spitze aller menschlichen Tätigkeiten stellen”.

Neben zahlreichen positiven und tröstlichen Ergebnissen, die das neue Bewußtsein von der Berufung und der Sendung der Laien nach dem Konzil hervorgebracht hat, können auch einige Aspekte bemerkt werden, die kritisch zu bewerten sind. Unter diesen problematischen Aspekten kann man insbesondere zwei aufzählen: Einerseits die mancherorts beobachtete Tendenz, die pastorale Tätigkeit der Laien auf kirchliche Ämter zu reduzieren, was eine „Weltflucht” mit sich bringt. Andererseits Verhaltensweisen, bei denen christliche Laien auf ihre Identität verzichten, sowie Maßstäbe und Methoden übernehmen, die der Glaube nicht billigen kann. Weltlichkeit wird dann zum Säkularismus und widerspricht radikal der echten Weltberufung christlicher Laien.

Weder Weltflucht noch Säkularismus, sondern Lebenseinheit, Kontemplation mitten in der Welt, jede Arbeit und alle menschlichen Tätigkeiten in Gebet verwandeln: das ist es, was Msgr. Escrivä in einer im Jahre 1967 gehaltenen Ansprache („Die Welt leidenschaftlich lieben”) vorgetragen hat: „Ich werde nicht müde, diese Lehre der Heiligen Schrift zu wiederholen: Die Welt ist nicht schlecht, denn sie ist aus den Händen Gottes hervorgegangen. Sie ist Gottes Werk, und Gott betrachtete sie und sah, daß sie gut war (vgl. Gen 1,7). Wir Menschen mit unseren Sünden und Treulosigkeiten sind es, die sie schlecht und häßlich machen. Zweifelt nicht daran: Für euch, Männer und Frauen der Welt, steht jede Flucht vor den ehrbaren Wirklichkeiten des alltäglichen Lebens im Gegensatz zum Willen Gottes...

Den Studenten und Arbeitern, die ich in den dreißiger Jahren um rruch sammelte, pflegte ich zu sagen, sie müßten lernen, das geistliche Leben zu materialisieren. Ich wollte sie damit vor der damals wie heute so häufigen Versuchung bewahren, eine Art Doppelleben zu führen: auf der einen Seite das Innenleben, der Umgang mit Gott, und auf der anderen Seite, säuberlich getrennt davon, das familiäre, berufliche und soziale Leben, ein Leben voll irdischer Kleinigkeiten.

Kein Doppelleben!

Nein! Es darf kein Doppelleben geben. Wenn wir Christen sein wollen, können wir diese Art von Bewußtseinsspaltung nicht mitmachen; denn es gibt nur ein einziges Leben, welches aus Fleisch und Geist besteht, und dieses einzige Leben muß an Leib und Seele geheiligt werden und von Gott erfüllt werden, dem unsichtbaren Gott, dem wir in ganz sichtbaren und materiellen Dingen begegnen.”

Wir könnten diese Überlegungen über die Lehren von Msgr. Escrivä bezüglich der Berufung und der Aufgabe der Laien im Leben der Kirche und der Welt in Verbindung mit der Thematik der nächsten Bischofssynode mit einigen Worten von Johannes Paul I. schließen, die dieser einen Monat vor seiner Wahl zum Papst geschrieben hat: „Mit dem Evangelium sagte Escrivä de Balaguer ständig: Christus will von uns nicht bloß ein bißchen Gutsein, sondern ein Höchstmaß an Gutsein. Er will aber, daß wir dies nicht durch außerordentliche Aktionen erreichen, sondern durch gewöhnliche. Nur die Art und Weise, wie wir sie ausführen, darf keine gewöhnliche sein. Im Gewühl der Straße, im Büro, in der Fabrik, dort heiligt man sich, wenn man seine eigenen Pflichten sachgerecht erfüllt, aus Liebe zu Gott und mit Freude, so daß die tägliche Arbeit nicht zur .täglichen Tragik', sondern zu einem täglichen Lächeln' wird'.'

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